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Irma
Vep
Was
ist "Irma Vep"? "Irma Vep" ist das neuzeitliche Remake des
Stummfilmklassikers "Die Vampire". Beziehungsweise dieses Remake ist
in dem Film "Irma Vep" gerade erst im Entstehen. Denn "Irma Vep"
ist auch eine verschachtelte Film-im-Film-Geschichte. "Irma Vep" zeigt
uns die turbulenten, sehr eigenartigen Dreharbeiten im französischen Low-Budget-Bereich.
Der Film ist Komödie, Thriller, Dokumentarfilm und Drama in einem, die
einzelnen Genres machen sich aber nur in unregelmäßigen Abständen
bemerkbar - von daher ist "Irma Vep" auch erst einmal irritierend.
Die
Geschichte, die dieser Film erzählt, ist folgende: Der Kunstfilmregisseur
René Vidal (Jean-Pierre Léaud) möchte Feuillades klassischen
Stummfilm "Die Vampire" zeitgenössisch aufarbeiten und verpflichtet
für die Hauptrolle die chinesische Actiondarstellerin Maggie Cheung (als
sie selbst), deren akrobatische Härte er in "Heroic Trio" bewunderte.
Auf dem schlecht organisierten Set ist Maggies Unvertrautheit mit der französischen
Sprache eine kommunikative Barriere, da jeder auf mal mehr mal weniger holpriges
Englisch umschalten muss. Dennoch freundet sie sich schnell mit der lesbischen
Kostümverantwortlichen Zoé (Nathalie Richard) an, die dem Hongkong-Star
einen engen Latexanzung im Stile von Michelle Pfeiffers Catwoman-Suit aus "Batmans
Rückkehr" verpassen muss.
Der
Film kommentiert Frankreichs Kunstfilmszene, die beim gemeinen Publikum als
geschwätziger Intellektuellenmist abgetan wird, und wie sehr sie im Kontrast
zu anderen Filmproduktionen steht. Das pure Chaos, die seelische Verwirrtheit
des Regisseurs, all die Intrigen und sexuellen Avancen an Maggie wirken sich
letzten Endes so aus, dass sie froh ist, als sie das Set von "Irma Vep"
wieder verlassen darf. In einer Szene wird sie von einem vorlauten Journalisten
interviewt, der über die Langeweile im französischen Autorenkino schwafelt,
und die Filme John Woos als das wahre, energetische Kino beschreibt. Unter anderem
postuliert dieser Journalist auch die Auffassung, das Kunstkino, das nur für
eine kleine Gruppe Menschen, also nicht für das Popcornpublikum zugeschneidert
ist, wäre der Grund, warum die Magie des Kinos stirbt.
Der
Grund, warum René Vidal in dem Film "Irma Vep" drehen möchte,
ist, weil er gerne Maggie Cheung in diesem sexy Latexdress sehen möchte.
Ähnliches mag für Olivier Assayas gelten, der seinen Film auch wie
eine ständige Hommage an Maggie Cheung gestaltete. Sie als Mittelpunkt
in dem multilingualen Drehchaos gesetzt, gibt nicht nur optisch schöne
Möglichkeiten den Film aufzuwerten, sondern auch inhaltlich. So fühlen
wir mit Maggie mit, wenn sie unverstanden versucht, sich in die Crew zu integrieren
oder versucht Verständnis für die Passion des manischen Regisseurs
zu bekommen, dabei aber immer stets höflich und zurückhaltend bleibt.
Dass sie in ihren Bemühungen den anderen Crewmitgliedern immer einen Schritt
hinterherhängt, zeigt sich deutlich in der Szene, in der sie die Einladung
Zoés, an einem Technorave mitzumachen, ablehnt, weil sie durch Gerüchte
am Set nicht weiß, was sie von der einzigen Person, zu der sie Vertrauen
gefunden hat, halten soll.
Gegen
Mitte und am Ende des Films präsentiert uns Assayas dann Szenen von unbeschreiblicher
Optik. In einer wundervoll ausgeleuchteten, mit sehr langen Einstellungen arbeitenden
Szene übertreibt Maggie ihre "method acting"-Ambitionen, und
stiehlt in der Nacht, in ihrem Latexsuit, eine Halskette aus einem Hotelzimmer
einer nackten Frau (Atom Egoyans Frau Arsinée Khanjian). In der zweiten,
der allerletzten Sequenz des Films dürfen wir den Rohschnitt Vidals "Irma
Vep"-Fassung sehen: Ein wüster, schnell geschnittener, mit Animationen
und bewusstem Verkratzen des Filmmaterials verfremdeter Industrialrausch, der
so nicht abzusehen war.
Wie
Zoé es den ganzen Film über jedem zu erklären versucht, ist
es nicht nötig, einen derart perfekten Film wie Feuillades "Die Vampire"
neu zu drehen. Mag stimmen, auf jeden Fall war die Verfilmung der Dreharbeiten
zu dem möglichen Remake die Zeit und das Geld wert. "Irma Vep"
ist eine künstlerische, manchmal etwas zu fragmentarische Verbeugung vor
Maggie Cheung und ein interessanter, Diskussonsstoff bildender Kommentar zu
dem französischen Kino, voll von toller Kameraarbeit und ehrlicher, toller
Schauspielerei.
Björn
Last
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Irma
Vep
Originaltitel:
Irma Vep. Frankreich,
1996. Regie: Olivier Assayas. Drehbuch: Olivier Assayas. Produktion: Georges
Benayoun, Francoise Guglielmi. Kamera: Eric Gautier. Schnitt: Luc Barnier. Musik:
Philippe Richard, Yann Richard. Darsteller: Maggie Cheung (sie selbst), Jean-Pierre
Léaud (René Vidal), Nathalie Richard (Zoé), Arsinée
Khanjian (Amerikanerin), Bulle Ogier (Mireille). Farbe. 97 Min.
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