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I,
Robot
Die
Ich-Maschinen
"I,
Robot" nimmt Isaac Asimovs Science-Fiction-Romanvorlage ernst und bringt
sie in die Form luzider Unterhaltung. Aus dem, was er an Subplots und Vorlagen
lediglich andeutet, entwickelt Regisseur Alex Proyas den Charme seines Films
Der
Mythos, sagen Horkheimer und Adorno, enthält schon Aufklärung. Und
die Aufklärung wird immer auch wieder ihr Mythos. Was genau sich an diesen
plot points zwischen Aufklärung und Mythos tut, dafür gibt es noch
keine ausformulierte Theorie. Material dafür gibt es genug, zum Beispiel
in einem Genre, das vielleicht sogar von sich selber glaubt, die Dialektik von
Mythos und Aufklärung zu behandeln (in der Regel aber nur das Kunststück
fertig bringt, in beiden Netzen zu zappeln): Science-Fiction. Erfundene Wissenschaft,
wissenschaftliche Erfindung, mehr oder weniger.
Die
SF ist ein romantischer Bastard des technischen Zeitalters, der freilich überall
sich herumtrieb, wo Publikumsgunst zu erhoffen war, in den grausigen Welten
der gothic novel, in den intergalaktischen Männerfantasien der Military
Science-Fiction, in den Art-déco- und Drogen-Träumen der Hippies,
in der virtual reality des Cyberpunk. Was sich gegen solcherlei Verschmutzung
(die Aufklärung spukt nur noch als schlechter Witz oder technisches Brimborium
durch die mythischen Erzählungen) zu Wehr setzte, wurde "Hard Science-Fiction"
genannt. Eine Art freiwilliger Beschränkung auf ein Gedankenspiel mit wenigen
Annahmen: Was wäre, wenn der Mensch andere Planeten erreichen könnte?
Wenn er Staat, Gesellschaft, Religion etc. - Imagine! - abgeschafft hätte?
Was wäre, wenn er nicht nur intelligente Maschinen, sondern einmal Robots
mit Bewusstsein geschaffen hätte, die ihm die Arbeit und die Macht abnehmen?
Maschinen, die so etwas wie "I, Robot" denken können.
Isaac
Asimov hat in den Fünfzigerjahren um diesen Gedanken eine höchst eigene
Erzählmaschine in Gang gesetzt. Sie spielt mit einer Welt, in der Roboter,
selten genug, zwar hin und wieder Probleme verursachen, das Leben der Menschen
im Großen und Ganzen aber durchaus verbessert haben. Wesentliches Merkmal
einer positiven Form des Zusammenlebens zwischen Menschen und Maschinen sind
drei "Gesetze der Robotik", die von bemerkenswerter Schlichtheit sind.
Sie lauten, nur wenig verkürzt, ungefähr so: 1. Ein Roboter darf niemals
einem Menschen schaden oder durch Untätigkeit solchen Schaden zulassen.
2. Ein Roboter muss immer das tun, was ihm ein Mensch befiehlt, es sei denn,
es würde mit dem ersten Gesetz kollidieren. 3. Ein Roboter soll sich selbst
erhalten, so weit dies möglich ist, ohne mit dem ersten oder dem zweiten
Gesetz in Konflikt zu geraten. Als ein echtes "Denken" kann man das,
wie Stanislaw Lem eingeworfen hat, so wenig bezeichnen wie man es "Demokratie"
nennen sollte, wenn die Regierung behauptet, es gebe keine Alternativen zu ihren
Entscheidungen. Aber man muss zugeben, dass sich mit diesen drei Gesetzen der
Robotik vortrefflich spielen lässt.
Da
er so angelegentlich Hard Science-Fiction schrieb, spielt der Umstand, dass
Isaac Asimov im Grunde ein lausiger Schriftsteller ist, keine große Rolle.
Der Autor war wissenschaftlicher (und politischer) Mythos genug: Geboren 1920
in Petrowsk, gelernter und praktizierender Biochemiker, in den Siebzigern Präsident
der "American Humanist Association", begann er mit 19 Jahren in Fan-Magazinen
zu publizieren, schrieb hunderte von Kurzgeschichten, an die dreißig SF-Romane
und eine Reihe von populärwissenschaftlichen Büchern. Asimov ist das
lebende Modell einer technischen Intelligenz, die sich humanistisch gebunden
fühlt und in der SF ein fiktionales Bindeglied zwischen Wissenschaft und
Fandom sieht. Nichts bei ihm ist zynisch; der Mensch-Maschine-Diskurs ist in
dieser Mythologie als Abbild der Technokratie und populäres Erbe der Aufklärung
aufgehoben. Wie gut, darüber kann man streiten.
Dabei
geht es um logische Probleme und um ihre mehr oder eher weniger verblüffende
Lösung. Um kräftige Charaktere und um eine visuelle Vorstellung jener
Welt der Jahre, die wir gerade erreichen (Asimovs Roboterisierung der Welt beginnt
am Ende seines Jahrhunderts), geht es bei ihm nicht. Eine Asimov-Verfilmung
hat also nichts mit sagen wir einer Chandler-Verfilmung zu tun; alles Fleisch
an der Fiktion muss erst cineastisch erfunden werden. Alex Proyas Film versucht
jedenfalls beides, nämlich einerseits eine geschlossene visuelle Welt zu
entwickeln und darin robuste, interessante Charaktere, und andererseits die
Hard Science-Fiction Asimovs nicht zu verraten. Das Ergebnis ist vielleicht
nicht gerade eine Neuerfindung des Genres, aber eine Form der angenehm luziden
Unterhaltung auf bescheidenem, aber fast konstantem Diskursniveau.
Die
Geschichte stammt nicht von Asimov, sondern setzt sich aus vielen Motiven der
Robot-Kurzgeschichten zusammen: Ein Detektiv leidet unter einem Trauma, seit
einer der Blechkerle in konsequenter Verfolgung der Gesetze der Robotik ihn
aus einer Gefahrensituation rettete, ein kleines Mädchen aber ertrinken
ließ. Er misstraut den dienenden Maschinen, und alles beginnt damit, dass
er fälschlich einen Robot als Dieb verfolgt, der nur seiner Herrin das
lebenserhaltende Asthmaspray bringen wollte. Dann aber läuft wirklich etwas
schief: Ein Wissenschaftler begeht Selbstmord, und sein holografisches Nachglühen
gibt dem Detektiv Hinweise darauf, dass die Produktion der neuen Roboter eine
gewaltige Gefahr für die Menschheit bedeutet. Und einen Robot gibt es,
das macht den visuellen Reiz des Films, der genauso aussieht wie alle anderen,
der aber eine neue Form des Bewusstseins hat, eben ein Robot, der "Ich"
denken und sagen kann. Unnütz zu sagen, dass der afroamerikanische Retro-Detektiv
und die denkende Maschine ein spannungsvolles Duo im Kampf gegen den Roboter-Aufstand
werden müssen. Die Dritte im Bund ist eine junge A.-I.-Spezialistin, die
zumindest äußerlich wenig mit Asimovs leicht verhärmter, ältlicher
"Computer-Psychologin" Susan Calvin zu tun hat. Es gibt ein paar recht
hübsche Sequenzen (die Verfolgung des einzig denkenden Robots in einer
riesigen Halle voll von Maschinen, die ihm natürlich bis auf die Schraube
gleichen), und einige, die eben sein müssen, wie die Materialschlacht bei
einer Verfolgung in einem Tunnel.
Der
Regisseur scheint uns dauernd darauf hinzuweisen, dass er keine Lust hat, einen
mythologischen Subtext-Haufen herzurichten. Er erzählt nicht die Geschichte
der Roboter, die eine Sklaven- und Rassismusgeschichte weiterspinnen (obwohl
er drei ironische Hinweise darauf gibt, dass man diese Geschichte durchaus erzählen
könnte als Fortsetzung der afroamerikanischen Passion), er erzählt
nicht die Liebesgeschichte zwischen dem Detektiv und der Roboterpsychologin
(obwohl er eine kleine, schräge Sexszene einbaut, die uns daran erinnert,
dass CRASH auch eine SF-Geschichte ist, die Geschichte, unter anderem, von der
Sexyness der maschinellen Teile in menschlichen Körpern), er erzählt
nicht die Geschichte vom zukünftigen Metakapitalisten und seiner totalen
Maschinenschöpfung, und er erzählt nicht die Geschichte von der Tristesse
des Retro-Detektivs in der elektronisch angefaulten Wirklichkeit der Science-Fiction
noire. Dass Proyas all diese Geschichten andeutet, bevor er sie mit einer gewissen
Zärtlichkeit beiseite legt, macht den eigentlichen Charme seines Filmes
aus: Als wollte uns der Regisseur sanft zurückführen in eine Zeit,
in der Science-Fiction noch der demokratisch-wissenschaftliche Gedankenspielplatz
war, in dem sich Kids eine Zukunft träumen, die weder Football spielen
noch Rockstar werden wollen. Was der Film erzählt, ist eine paradoxe Geschichte
von der gleichzeitigen Bestätigung und Widerlegung der Vorteile gegen ein
Leben, in dem man Maschinen ins Konzept der Schöpfung integrieren muss.
Auch was die Filmgeschichte der Mensch-Maschinen-Diskurse anbelangt, fängt
"I, Robot" noch mal von vorne an. Fort mit der paradoxen Mystik des
"Blade
Runner",
fort mit den familiären Hassmythen der "Terminator"-Filme,
fort mit dem elektronischen Pinocchio von "A.
I.",
"I, Robot" möchte die Asimovsche Welt- und Maschinenlogik ernst
nehmen und zugleich einen Film für unsere Zeit drehen; er will ein bisschen
Aufklärung und ein bisschen Mythos sein. Das ist ein unmögliches Unterfangen,
aber der Regisseur hat sich trotzdem gut aus der Affäre gezogen. Will Smith
ist ein schäbiger Retro-Cop in einer schmutzig banalen Zukunft, in denen
einzig und allein die Robot-Diener das Leben erträglich machen. Sie sind
freilich radikal privatisiert; sie dienen offensichtlich nur ihrem Besitzer,
und sie tun das im Sinne treuer persönlicher Loyalität, aber mit der
Traurigkeit eines missbrauchten Objekts. Diese Privatisierung, so viel verrate
ich, ist in Bezug auf das Asimovsche "Ethos" der Robots der Kick zur
Lösung des Problems. Denn was ist mit Mensch gemeint, ein Individuum, ein
soziales Glied oder eine existenzielle Gattung? Das Problem nämlich liegt
nicht in der inneren Evolution zum lebendigen und bewussten System, sondern
es liegt im Maschinen-Bewusstsein des Menschen. Das Tolle an einer Ich-Maschine
ist es, dass sie die Probleme des menschlichen Subjekts zugleich widerspiegelt
und verschärft.
Die
Subjekt-Maschine als Retter in "I, Robot" ist ziemlich offensichtlich
eine letzte Hoffnung im durchgeknallten Neoliberalismus. Gleich zweimal sind
es die Maschinen, die den Menschen an seine verlorene Verantwortung erinnern
müssen, einmal als Subjekt der Geschichte und einmal als erkennendes Subjekt
in der moralischen Entscheidung. Dass beides nicht zusammen geht, macht die
Sache spannend. Intelligente Maschinen in der Fiktion sind einerseits Verlängerungen
und andererseits Verstärkungen menschlicher Konflikte: Nur der Maschine
trauen wir zu, die Grenzen der Kleinmut, des Sachzwangs und der Marktgesetze
zu überschreiten, an die wir uns gewöhnt haben. Der Trick an Proyas
Asimov-Fantasie ist, dass er lauter offene Enden erzeugt, nicht bloß in
Hinblick auf die möglichen Sequels. Natürlich ist "I, Robot"
ein Mainstream-Film, der gerne ein Blockbuster wäre. Deswegen gibt es auch
ausgedehnte Action-Sequenzen, die aber spürbar nicht mit derselben Liebe
gemacht sind wie die intelligenteren und witzigeren Szenen. (Und den Zukunfts-Audi
unseres Helden haken wir gleich als lachhaftesten Merchandising Trick des Jahres
ab: so schlecht, dass es womöglich schon wieder subversiv ist.) Nein, wirklich
großartig in diesem Film sind die Szenen um den einen, den "denkenden"
und also seienden Robot, der sich äußerlich durch nichts von den
anderen unterscheidet; wirklich großartig ist "I, Robot", wenn
er, wie die gute alte Hard Science-Fiction, einem Spiel beim Denken zuschaut.
Georg
Seeßlen
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in der
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diesem Film gibt’s im filmzentralen-archiv
mehrere Texte
I,
Robot
USA
2004 - Regie: Alex Proyas - Darsteller: Will Smith, Bridget Moynahan, Bruce
Greenwood, Chi McBride, Alan Tudyk, James Cromwell, Shia LaBeouf, Craig March,
Peter Shinkoda, Emily Tennant, Aaron Douglas - FSK: ab 12 - Länge: 116
min. – Dt. Start: 5.8.2004
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