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Is’
was, Doc?
Vier
Koffer und kein Todesfall
Als
Barbra Streisand zu Anfang des Films ihr Opfer Ryan O’Neal aus nächster
Nähe betrachtet, nagt sie an einer Möhre. „That’s all, folks”, kreischt
Elmer Fudd am Schluss des Films aus dem Zeichentrickfilm Bugs Bunny. Und tatsächlich
wirkt die von Peter Bogdanovich 1972 gedrehte Screwball-Komödie – deren
Titel ebenfalls Bugs Bunny zitiert – wie ein Cartoon mit Menschen. Die durch
verschiedene Subplots verwickelte, aber dennoch simple Story bietet einen Gag
nach dem anderen, und Bogdanovich gelang eine grandiose Reminiszenz an die großen
Screwball-Komödien der 30er Jahre. Das äußere Gerüst von
„Is was, Doc?” entspricht haarscharf dem von Howard Hawks 1938 gedrehtem Klassiker
„Bringing
Up Baby”
(„Leoparden küsst man nicht” mit Cary Grant und Katherine Hepburn): Eine
Frau weiß, was sie will, sprich: wen sie will. Der Mann ist ein schüchterner
Musikologe (bei Hawks Paläontologe) und weiß anfangs überhaupt
nicht, wie ihm geschieht.
Trotzdem
ist dieses Remake kein müder Abklatsch des Hawkschen Klassikers, sondern
ein sehenswertes eigenständiges Werk. Bogdanovich versteht es, statt ein
Sammelsurium von Gags aneinander zu reihen, diese Gags in eine homogene (Liebes-)Geschichte
samt Subplots zu integrieren.
„At
words poetic I'm so pathetic
That
I always have found it best
Instead
of getting 'em off my chest,
To
let 'em rest - unexpressed.
I
hate parading my serenading,
As
I'll probably miss a bar,
But
if this ditty is not so pretty,
At
least it'll tell you how great you are.
You're
the top! you're the Collosseum,
You're
the top! you're the Louvre Museum,
You're
the melody from a symphony by Strauss,
You're
a Bendel bonnet,
A
Shakespeare Sonnet,
You're
Mickey Mouse!” [1]
Dr.
Howard Bannister (Ryan O’Neal) ist Musikologe und auf dem Weg nach San Francisco,
wo er auf einem Wettbewerb der Zunft finanzielle Unterstützung für
seine Forschung erhofft. Begleitet wird er von seiner Verlobten Eunice Burns
(Madeline Kahn), die ihn regelrecht vorantreibt. Die Arbeit zählt, nicht
das Vergnügen. Und auch äußerlich sieht man der rigorosen Dame
an, das Sex und Privates nicht die Dinge sind, die ihr Leben vorantreiben.
Aber
beide haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht, der in Gestalt der lebenslustigen
und chaotischen Judy Maxwell (Barbra Streisand) zunächst beider Taxi, das
sie zum Hotel bringt, zum Bremsen zwingt. Judy hat sofort einen Narren an Bannister
gefressen und verfolgt den etwas zerstreuten Musikwissenschaftler, den sie kurzerhand
zum alten Bekannten „Steve” erklärt, unverdrossen weiter. Bannister ist
dies natürlich überhaupt nicht recht. Erstens ist er verlobt und zweitens
mit seiner Forschungsarbeit beschäftigt. Er behauptet irgend so etwas wie:
Unsere Tonleiter sei in der Steinzeit entstanden, als unsere Vorfahren aus Steinen
Töne herausholten – oder so ähnlich. Und immerhin hat er einen Konkurrenten,
den blasierten „Halb-Italiener”, wie er sich nennt, Hugh Simon (Kenneth March),
der sich mit Alphörnern und ... man höre diese Theorie lieber selbst.
Zur
gleichen Zeit treiben allerdings noch andere Personen ihre Spielchen: Ein mit
Golfschlägern sich mühsam fortbewegender Mr. Jones (Philip Roth) und
der smarte Mr. Smith (Michael Murphy) jagen einem Koffer mit Geheimpapieren
hinterher. Der Hotelportier Fritz (Stefan Gierasch) und der Hoteldetektiv Harry
(Sorrell Booke) sind ebenfalls auf einen Koffer scharf, auf den der reichen
Mrs. van Hoskins (Mabel Albertson), der Schmuck enthält. Judys und Howards
Koffer sind ebenfalls im Spiel – denn alle vier Koffer haben das gleiche rot-schwarz-karierte
Muster. Es beginnt eine Jagd durch das Hotel.
Und
Judy? Die klaut erst einmal die Eintrittskarte von Eunice für den Empfang
der Musikologen und gibt sich als Howards Verlobte „Burnsey” aus – zur Freude
des Vorsitzenden der Vereinigung, Mr. Larrabee (Austin Pendleton), und aller
anderen anwesenden Herren – mit Ausnahme von „Steve” (Howard) natürlich
...
„You're
the Nile! You're the Tow'r of Pisa,
You're
the smile, on the Mona Lisa!
I'm
a worthless check, a total wreck, a flop!
But
if baby I'm the bottom,
You're
the top!
You're
the top, you're Mahatma Gandhi,
You're
the top! you're Napoleon brandy,
You're
the purple light, of a summer night in Spain,
You're
the National Gallery, you're Garbo's salary,
You're
cellophane!” [1]
Die
Verve und gleichzeitig die Natürlichkeit, mit der Bogdanovich seine Charaktere
regelrecht durch den Film jagt, lassen nie Langeweile aufkommen. Barbra Streisand
spielt eine etwas chaotische, aber äußerst intelligente, einfallsreiche
und reaktionsschnelle junge Frau – eine Rolle, die ihr einfach auf den Leib
geschnitten ist. Ryan O’Neal wirkt im Vergleich zu Cary Grant in „Bringing Up
Baby” vielleicht etwas steif, doch genau das brauchte diese Rolle eines jungen
Musikwissenschaftlers, den im Grunde nur eines interessiert: seine musikalischen
Steine. Madeline Kahn wurde durch die Rolle der Eunice im gesteppten Morgenmantel
und mit hübsch-hässlicher Perücke über Nacht berühmt.
Doch auch die Nebenrollen sind exzellent besetzt worden. Kenneth Mars spielt
den Schnösel Hugh Simon völlig überdreht, Liam Dunn den alten
ständig Pillen schluckenden Richter, der am Schluss versucht, Licht in
das inzwischen eingetretene Chaos zu bringen, als nörgelnden, kränkelnden
Mann, der Ruhe will, aber Chaos erntet. Philip Roth als Geheimagent schleicht
durch die Hotelzimmer mit Golfschlägern als Tarnung, die ihn an seiner
Arbeit mehr hindern als tarnen.
Und
dann überrascht der Film natürlich noch mit einigen Höhepunkten
wie insbesondere einer Verfolgungsjagd durch die Straßen von San Francisco
per Auto, Pizza-Bringdienst-Fahrrad, einer Schaufensterscheibe, einem chinesischen
Drachen und allerlei mehr – bis zum Finale im Gerichtssaal, das es ebenso in
sich hat.
Barbra
Streisand darf im übrigen – in kurzen Verschnaufpausen – zwei Songs, Cole
Porters „You’re The Top” und „As Time Goes By”, zum Allerbesten geben – und
das kann sie ja bekanntlich exzellent.
„You're
sublime, you're a turkey dinner,
You're
the time, of the Derby Winner,
I'm
a toy balloon that's fated soon to pop;
But
if baby I'm by the bottom you're the top!
You're
the top, you're a Waldorf salad
You're
the top, you're a Berlin ballad
You're
the nimble tread of the feet of Fred Astaire
You're
an O'Neal drama, you're Whistler's mama, you're camembert
You're
a rose, you're inferno's Dante
You're
the nose, on the great Durante
I'm
a lazy lout who's just about to stop
But
if baby I'm the bottom,
You're
the top!” [1]
Lachen
ist also Pflicht bei diesem Remake, das so viel mehr ist als „nur” ein Remake.
Und für einen Liebhaber solcher Filme ist die DVD sicherlich ein Muss,
zumal sie für € 9,99 (bei amazon) günstig zu erwerben ist.
Die
Bildqualität der DVD ist trotz des Alters des Films vergleichsweise gut.
Die Mono-Tonspuren muss man in Kauf nehmen, was bei mir allerdings den Genuss
des Films in keiner Weise trübte. Zu empfehlen ist allerdings, sich den
Film in der Originalsprache anzuhören, da der deutsche Ton doch etwas dumpf
klingt. Weitere Tonspuren gibt es in Französisch und Spanisch, dazu Untertitel
in dreizehn Sprachen sowie für Hörgeschädigte Untertitel in Englisch
und Deutsch.
Die
Zusatzausstattung ist mager. Neben dem durchaus interessanten Audio-Kommentar
des Regisseurs bietet der 15 Minuten lange Szenenkommentar von Barbra Streisand
nichts Weltbewegendes. Das „Making Of” unter dem Titel „Screwball Comedies –
Ein vergessenes Filmgenre?” ist filmhistorisch vielleicht ganz interessant,
da es während der Dreharbeiten entstand, vermittelt aber nur weniges über
die Geschichte des Genres und ist eher ein ausgedehnter Trailer zur Werbung
für den Film.
Wertung:
10 von 10 Punkten.
Prädikat:
Besonders wertvoll.
Ulrich
Behrens
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
[1]
Cole Porter: „You’re The Top”
Is
was, Doc?
(What’s
Up, Doc?)
USA
1972, 94 Minuten
Regie:
Peter Bogdanovich
Drehbuch:
Peter Bogdanovich, Buck Henry, David Newman, Robert Benton
Musik:
Artie Butler, Cole Porter („You’re The Top“)
Director
of Photography: László Kovács
Schnitt:
Verna Fields
Produktionsdesign:
Polly Platt
Darsteller:
Barbra Streisand (Judy „Burnsey“ Maxwell), Ryan O’Neal (Dr. Howard „Steve“ Bannister),
Madeline Kahn (Eunice Burns), Kenneth Mars (Hugh Simon), Austin Pendleton (Frederick
Larrabee), Michael Murphy (Mr. Smith), Philip Roth (Mr. Jones), Sorrell Booke
(Harry), Stefan Gierasch (Fritz), Mabel Albertson (Mrs. van Hoskins), Liam Dunn
(Richter Maxwell), John Hillerman (Mr. Kaltenborn, Hoteldirektor)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0069495
©
Ulrich Behrens 2004
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