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It’s
Winter – Zemestan
Eine Erzählung, ein Lied: Es ist Winter. Ein
Mann am Waschbecken, seine Frau, seine Tochter im Haus, das sie sich geleistet
haben. Jetzt bräuchten sie das Geld. Das Haus ist ein hässlich ins
Nirgendwo gesetzter Betonbrocken mit flachem Dach, aber es ist ein Haus. Der
Mann aber verlässt es, bricht auf, will Geld verdienen im Ausland. Er geht
davon.
Ein anderer ist angekommen, sein Name, sagt er, ist
Marhab und das heißt "Willkommen", bald findet er einen Freund.
"Willkommen" ist Marhab nicht in dieser Gegend im Winter. Der Freund
verhilft ihm zu einem Job, der ein Scheißjob ist. Der Ankömmling
widerspricht dem Chef, er sitzt herum und raucht, er bekommt kein Geld. Der
Freund leiht ihm welches, Marhab investiert in einen Teppich und schenkt ihn
der Frau in dem Haus, auf die er ein Auge geworfen hat. Sie hat inzwischen die
Nachricht erhalten, ihr Mann sei in der Fremde gestorben. Wir werden erfahren
und sehen, dass das nicht stimmt. Fürs erste.
"Zemestan" dekliniert die Grundbewegungsarten
des Unglücks am äußersten Rand der iranischen Gesellschaft:
Sitzen und Verharren, Gehen und Humpeln, und manchmal ein Rennen – einmal auch
durch eine Straße in einer größeren, bunten Stadt - als Ausbruch,
der unmöglich bleibt. Sehr schön sind die Einstellungen, die das Gehen,
Humpeln, Rennen zeigen als Bewegung hinein in die Tiefe des Bildes. Oft sind
sie mit so langer Brennweite gedreht, dass die Figuren kaum von der Stelle zu
kommen scheinen, so eilig sie auch gehen. Gefangen im Winter dieses von keiner
dauerhaften Hoffnung
erlösten Missvergnügens.
Auch sehr schön sind ein
paar Szenen, die den Helden Marhab zeigen, frontal und in Großaufnahme,
die Gesprächspartner lange nicht im Bild. Was wiederkehrt sind die Motive,
die Gleise, der Zug, der Schnee, das Haus aus Beton, das Lied, das dem Film
den Titel gibt. Alles sehr konkret und alles sehr Parabel zugleich für
ein Land, ein Leben am Ende. Aber auch alles nicht viel mehr als poetischer
Miserabilismus. Ein Werk, noch dazu, das die Klischees, die der Westen so hat
vom iranischen Film, nur bestärkt. Das ist kaum Rafi Pitts Schuld, aber
ein Problem für die Rezeption ist's bei der Platzierung im Wettbewerb doch.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen anlässlich der Berlinale 2007 in: jump cut
It's Winter - Zemestan
Iran 2005 - Originaltitel: Zemestan - Regie: Rafi Pitts - Darsteller:
Mitra Hadjar, Ali Nicksolat, Hashem Abdi, Saeed Orkani, Zahra Jafari, Naser
Madahi, Safari Ghassemi - FSK: ohne Altersbeschränkung - Fassung:
O.m.d.U. - Länge: 86 min. - Start: 1.11.2007
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