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Jagd
auf einen Unsichtbaren
Nur
im äußersten Notfall ansehen !
Man
stelle sich vor: Da wird einer aus seinem bisherigen verwöhnten Leben als
erfolgreicher Geschäftsmann und Frauenheld herausgerissen, weil er zur
falschen Zeit am falschen Ort war – in der Sauna in einem Forschungszentrum
der Regierung nämlich, um sich von einem Kater zu erholen. Ein Experiment
der Forscher geht schief. Eine Tasse kippt um, der Kaffee dringt in eineTastatur
ein, die Computer spielen „verrückt” und die molekulare Stabilität
des Hauses wird erschüttert. Alles flieht und schreit, während es
um das Gebäude herum blitzt. Staunend stehen die Leute davor und sehen,
dass sie immer weniger sehen. Das Gebäude wird langsam aber sicher unsichtbar.
Der arme Tropf auf der Toilette hat noch keine Ahnung, was sich da draußen
ereignet. Aber bald muss er feststellen, dass sich da draußen gar nichts
ereignet, sondern in ihm selbst. Auch er wird unsichtbar. Und dabei hatte er
am Vortag eine Frau über seinen Freund George (Michael McKean) und dessen
Freundin Ellen (Patricia Heaton) kennen gelernt, die ihn derart faszinierte,
dass man sich flugs zum Essen verabredete – die blonde Schönheit Alice
Monroe (Daryl Hannah). Jetzt aber sieht alles ganz anders aus, vor allem weil
der korrupte und skrupellose CIA-Agent David Jenkins (Sam Neill) die Situation,
sprich unseren Helden Nick Halloway (Chevy Chase), gnadenlos für sich ausnutzen
will. So ein unsichtbarer Mann könnte auf dem internationalen Markt der
Geheimdienste unschätzbaren Wert haben.
Was
um alles in der Welt könnte man aus einer solchen Geschichte alles machen,
ja zaubern! Und Regisseure wie Billy Wilder oder Howard Hawks hätten garantiert
etwas daraus gemacht. Unsichtbarer flieht vor dem Zugriff des Geheimdienstes
und muss sich gleichzeitig im Alltag ganz anders zurechtfinden als bisher. Zudem
will er seine Angebetete wiedersehen, die ihn aber nicht sehen kann. Ein Stoff
für eine rasante Komödie, Slapstick-Situationen, eine Chance, aus
ansonsten gewöhnlichen Alltagssituation etwas Besonderes zu kreieren. Aber
John Carpenter („Halloween”, 1978; „The Fog”, 1980; „Die Fürsten der Dunkelheit”,
1988; „Sie leben!”, 1990) und der Comedy-Star der 80er Jahre Chevy Chase („Caddyshack”,
1980; „Fast wie in alten Zeiten”, 1980; „Die schrillen Vier auf Achse”, 1983;
„Fletch”, 1985; „Spione wie wir”, 1986) nutzten ihre Chance nicht, um aus einer
solchen Idee ein flottes, spannendes und komisches Abenteuer zu gestalten.
Die
wenigen wirklich guten Slapstick-Szenen (etwa wenn Chase einem Dieb die Handtasche
kurzerhand wieder entreißt und sie seiner Besitzerin in die Hände
drückt) sind eher episodenhaft montierte Einsprengsel in einen Film, der
mühsam und schleppend vor sich hin dümpelt und sich nicht entscheiden
kann, ob er nun Komödie oder Thriller sein will. Sicher ist es nett anzuschauen,
wenn Chase eine Zigarette raucht und seine Lunge sichtbar wird, oder wenn er
isst und seinen Magen arbeiten sieht, woraufhin er sich übergeben muss.
Nur seine Kleider, die er während des Unfalls getragen hat, sind unsichtbar.
Wenn er also sichtbar sein will, etwa als er Alice von seinem Unglück berichten
will, muss er sich in andere Kleider einhüllen. Schön auch eine Szene,
in der Alice Nick das gesamte Gesicht schminkt, die Zähne weiß anmalt,
damit beide in einem Restaurant essen gehen können. Als Nick trinkt, geht
ein Teil der Schminke verloren, und er sieht aus wie ein Ungeheuer.
Aber
solche Szenen sind nicht nur selten; sie wirken zudem eher wie Fremdkörper
in einer Handlung, die ansonsten in langweiligem Einerlei auf eine Agenten-Verfolgungsgeschichte
zugeschnitten ist, deren Ausgang man sowieso schon kennt. Auch der Liebesgeschichte
zwischen Alice und Nick mangelt es an Phantasie. Wie viele Fragen stellen sich
doch in einem Fall: Mann sieht Frau, aber Frau Mann nicht. Was hätten beide
wirklich miteinander zu reden? Wie wäre das mit den beiden beim Sex? Was,
wenn beide miteinander kochen wollten? Welche komischen Situationen ergäben
sich aus der Verfolgungsjagd? Wie könnte der Unsichtbare seine Verfolger
übers Ohr hauen und welche komischen Situationen könnten sich daraus
ergeben? Statt dessen beschränkt sich der Film darauf zu zeigen, wie Nick
ein ums andere Mal seinen Verfolgern entflieht, ohne dass diese Sequenzen irgend
etwas an Suspense hätten. Dazu trägt bei, dass Sam Neill, ein nun
wirklicher begnadeter Schauspieler, als ernsthafter Charakter angelegt ist.
So treibt es den Film immer wieder zurück in eine mäßige und
einfallslose Agenten-verfolgen-unschuldig-unsichtbar-gewordenen-Mann-Geschichte,
die bald nervt.
Auch
andere Chancen wurden nicht genutzt. Als sich Nick im Sommerhaus seines Freundes
George versteckt und der mit Ellen, Alice und Richard (Gregory Paul Martin)
dort erscheint, fällt Carpenter und Collector überhaupt nichts mehr
ein. Richard, der hinter Alice her ist, kommt auf ihr Zimmer, in dem sich auch
Nick befindet. Einziger Einfall: Als Richard, den seine Frau verlassen hat,
auf Alice losgeht, reißt ihn der unsichtbare Nick zurück, und Richard
denkt, Alice habe ungeheure Kräfte. Ho
Ho Ho! Glücklicher
Billy Wilder, wenn er das nicht zu Gesicht bekommen hat!
Summa
summarum: Nur im äußersten Notfall ansehen.
Wertung:
3 von 10 Punkten.
Ulrich
Behrens
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Jagd
auf einen Unsichtbaren
(Memoirs
of an Invisible Man)
USA
1992, 99 Minuten
Regie:
John Carpenter
Drehbuch:
Robert Collector, nach einem Roman von H. F. Saint
Musik:
Shirley Walker
Director
of Photography: William A. Fraker
Schnitt:
Marion Rothman
Produktionsdesign:
Lawrence G. Paull
Darsteller:
Chevy Chase (Nick Halloway), Daryl Hannah (Alice Monroe), Sam Neill (David Jenkins),
Michael McKean (George Talbot), Stephen Tobolowsky (Warren Singleton), Jim Norton
(Dr. Bernhard Wachs), Pat Skipper (Morrissey), Gregory Paul Martin (Richard),
Patricia Heaton (Ellen), Barry Kivel (betrunkener Geschäftsmann), Donald
Li (Taxifahrer)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0104850
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