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Jagdhunde
Uckermark, kurz vor Weihnachten:
Der junge, aus Berlin stammende Lars verlebt die Tage vor dem Fest mit seinem
Vater in dessen neuer Behausung, einer mehr oder weniger darnieder liegenden
Scheune nahe eines ost-deutschen Kaffs. Dem war offenbar kürzlich eine
Trennung der beiden Eltern vorangegangen, wir erfahren das erst nach und nach, wie sich
hier überhaupt alles immer erst mit Verspätung ergibt.
Von den Dorfbewohnern werden sie
konsequent gemieden - kein Wort, keine Geste in ihre Richtung -, auch die Ankündigung
einer Feier im Hof der Scheune ergibt keinen Kontakt. Am Tag seiner Abreise
trifft Lars auf die taubstumme Marie, die von Dorfjugendlichen blöde angemault
wird; Lars geht dazwischen, kriegt aufs Maul, Nasebluten und Zug verpasst. Marie
und Lars befreunden sich und Lars bleibt zunächst einmal und zur Überraschung
des Vaters hier: Als er vom Bahnsteig wieder nach Hause kommt, trifft er dort
seine halbnackte Tante.
Die Probleme, die die Bekanntschaft
zwischen Lars und Marie mit sich bringt, sind dörflicher Natur. Maries
Vater ist der Geschäftsführer der lokalen Kneipe und Jäger im
nahen Wildschweinrevier. Entsprechend roh sein Auftreten und Umgang. Bald kommt
es zum Streit zwischen den Vätern, unterdessen klopft Lars' Mutter, eine
offenkundig schwere Neurotikerin, bei der Scheune an die Tür ...
Mit Jagdhunde legt Ann-Kristin
Reyels, Absolventin der Filmhochschule Konrad Wolff in Potsdam, ihren Debüt-
und Abschlussfilm vor. Man könnte seine zuweilen mit dem Kargen liebäugelnde
Gestaltung, seinen oft eher weglassenden, denn zeigenden Gestus grob der so
genannten "Berliner Schule" zuschieben (Constantin von Jascheroff,
der den Lars spielt, spielte denn auch die Hauptrolle in Hochhäuslers großartigem
Falscher Bekenner), doch ginge das bei genauerer Betrachtung kaum auf. Seine Strategie
ist nicht so sehr die gezielte, quasi-syntaktische Weglassung, als vielmehr
die eines konsequent lakonischen Tonfalls, der gleichermaßen das Komische
und Tragische sucht. Das Abendessen an Heiligabend etwa, in dem sich alle wesentlich
beteiligten Parteien am gemeinsamen Tisch zusammenfinden, wäre bei anderen
Regisseuren des genannten Zusammenhangs sicher in eine schmerzhafte Bilanz bürgerlicher
Befindlichkeiten gemündet; hier ist die Unerträglichkeit dieser Anordnung
in äußerer Perspektive beobachtet und gestattet mitunter das Auflachen.
Jagdhunde tut also nicht weh, er strengt
auch nicht unbedingt zur Reflexion an; im wesentlichen ist er eine Art unschuldiger
Liebesfilm, dem zuweilen vor allem auch dank der hervorragenden Darsteller einige
hinreißende Momente gelingen. Dass sich der Tonfall weder zum Schnulz,
noch zur Theoretisierung neigt, ist dabei ein vielleicht nicht immens wichtiges,
aber doch schon bemerkenswertes Detail.
Auch der Hang zur (sachten) Ästhetisierung seiner
Bilder macht ihn der "Berliner Schule" fremd: Zahlreiche Einstellungen
wirken ephemer und doch komponiert, zuweilen wie Stillleben und schließlich
wie melancholische Nachtansichten. Zu diesem gesetzten Bildmodus, der das Statische
betont, steht ein anderer im Widerstreit: Der einer Art spielerischen Intimität
zwischen Marie und Lars. Immer wenn die beiden ganz bei und für sich sind,
fragmentiert die plötzlich beweglich gewordene Kamera das Geschehen zu
einer Abfolge räumlich nicht mehr nachvollziehbarer "Bits und Bytes":
Im Taumel löst sich das Bild auf, geradewegs als würde Konfetti durch
graue Straßen rieseln.
Auch die anderen Darsteller bereichern diesen kleinen
Film, selbst noch in den Nebenrollen. Erwähnt werden muss natürlich
Josef Hader als Lars' Vater, der mit seiner unvergleichlichen Lakonie den Film
erdet ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Eine wahre Entdeckung aber ist
Luise Berndt, die mit Gestik und Mimik viel ehrliche Wärme in den Film
trägt.
Jagdhunde ist
sicher kein großer Wurf der Filmkunst, aber allemal ein vielversprechendes
Debüt einer jungen Regisseurin, die hoffentlich auch weiterhin in der Lage
sein wird, zwischen den Polen einer theoriegestärkten Filmkunst und den
Untiefen der schmockigen Filmförderkultur so unaufgeregte und sympathische
Filme zu drehen.
Thomas Groh
Dieser Text ist zuerst erschienen
im:
Jagdhunde
Deutschland 2007 - Regie: Ann-Kristin Reyels - Darsteller: Constantin von Jascheroff, Josef Hader, Luise Berndt, Sven Lehmann, Judith Engel, Ulrike Krumbiegel, Marek Harloff, Heiko Pinkowski - FSK: ab 6 - Länge: 88 min. - Start: 18.10.2007
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