James
Bond 007 - Der Morgen stirbt nie
Ein
Kampf auf Leben und Gag. Hoch über den dahinrasenden Druckfahnen der titelgebenden
Zeitung "Der Morgen" hat James Bond es mit einem seiner namenlosen
Widersacher zu tun, der sein Ende eigentlich kennen sollte. "Die drucken
heutzutage wirklich alles", kommentiert 007, nachdem er ihn kurzerhand
in eine Druckerpresse befördert hat. Klappern gehört zum Handwerk;
das kennen wir schon, und so soll es auch sein. Doch neben seines notwendigen
déjà-vu-Effektes zeichnet sich Roger Spottiswoodes Der
Morgen stirbt nie
auch durch eine seltsame Befremdlichkeit aus, die dann doch keine ist. Genauer
gesagt: Vorher war alles anders gewesen, jetzt ist es wieder genauso, wie es
früher war.
Als
James Bond vor zwei Jahren mit Goldeneye
seine umjubelte Rückkehr feierte, hatte sich der erfolgreichste Kino-Held
aller Zeiten einer ganz neuen Aufgabe gegenübergesehen, die mehr als nur
die Rettung der Welt von ihm verlangte. Er hatte sich selbst zu begründen,
zu erklären, was er - die Symbolfigur des Kalten Krieges - nach sechs Jahren
Abwesenheit im Kino zu suchen hatte. Immerhin war in dieser Zeit nicht nur der
"eiserne Vorhang" und die Sowjetunion endgültig zerfallen. Die
auf fatale Weise zerredete Diskussion um "politically correctness"
hatte außerdem zumindest so etwas wie eine vage Ahnung von feministischen
Theorien in das öffentliche Bewußtsein hineingebracht.
Doch
Bond wäre nicht Bond gewesen, hätte er diese heikle Situation nicht
zu meistern gewußt. Verstärkt durch sein von Pierce Brosnan geliehenes
neues Gesicht trotzte er gewohnt selbstbewußt der ihn verlachenden Russenmafia
und den Rudimenten einer simplifizierten Form von Ideologiekritik. Der Meister
für brenzlige Situationen stahl sich einfach mit einem alten rhetorischen
Kniff aus der Gefahrenzone: die Gegner entkräften durch die entstellende
Integration ihrer Argumente in das eigene Vorwort. Bond ließ in den ersten
60 Minuten von Goldeneye selbst elementare Kritik an seiner Person und Funktion
zu, sich sogar von der "Bondine" karikieren ("Boy with Toy"),
um anschließend, wo ja nun alles gesagt wäre, trotzig exakt das Gleiche
zu tun, was er schon immer getan hat - boy with toy. Bis dahin mochte ruhig
jeder und vor allem jede seine fragwürdigen und obsoleten Methoden kritisieren.
Selbst sein Chef M durfte in diesem Sinn zur harten Chefin (Judi Dench) mutieren:
"You are", konstatierte diese, "a sexist, misogynist dinosaur".
Ganz
nebenbei hatte die Scheinkritik aber auch noch eine zweite, ebenso stützende
Funktion gehabt. Sie umriß gleichzeitig die Legende James Bond und hatte
selbst das unkundige Publikum binnen kurzer Zeit auf die alte 007-Linie getrimmt:
James Bond, ein postklassisches Kinoereignis.
Daß
es mit derlei Selbstdefinitions-Spielchen nun vorbei ist, zeigt Der
Morgen stirbt nie
von Anfang an. Bond ist zurück, nur diesmal wieder so, als wäre er
nie fort gewesen. Und so sieht es auch ganz nach einer verspäteten Retourkutsche
aus, daß die Selbstverständlichkeit seines nunmehr 19. Abenteuers
ausgerechnet durch Judi Dench alias M ausgerufen wird. Während Bond in
der obligatorischen Pre-Title-Sequenz einen illegalen Waffenhandel sprengt,
darf sie auf die Frage eines bestürzten Militärs - "Was zum Teufel
tut er da?!" - lakonisch entgegnen: "Seinen Job".
Eben
- aber gerade diese Selbstverständlichkeit scheint in jeder Beziehung auf
dem ganzen Film zu lasten. Natürlich ist alles vorhanden: der Schurke (diesmal
Jonathan Pryce als herrschsüchtiger Medienmogul Carver), die Bedrohung
(Weltkrieg III, weil Carver qua seiner Satellitensysteme und der dazugehörigen
Informationstechnologie die Chinesen gegen die Engländer ausspielt), die
Bond-Gespielin (Michelle Yeoh, die als kampfsportbewährte Security-Force-Agentin
Wai Lin an Bonds Seite kämpft), jede Menge Action und eine Reihe waffentechnische
Spielarten von Q (Desmond Llewelyn). Was daraus wird, ist ein ganz und gar durchschnittlicher
JAMES BOND auf dem technischen Niveau der späten neunziger Jahre. Das ganze
Unternehmen 007, Teil 19, läuft wie geplant. Drehorte wie Hamburg und Saigon
werden nach dem 18fach bewährten Muster inszeniert; nichts, was im Vergleich
mit den Vorgängern über die Maßen abfallen würde. Wenn
Der
Morgen stirbt nie
trotzdem ein schales Gefühl hinterläßt, liegt das vielleicht
einfach daran, daß er jegliche Illusionen über einen James-Bond-Film
raubt. Es war leichter, 007-Sympathisant in dessen Abwesenheit zu sein.
Die
bedrückend traditionelle Maschinerie schärft somit den Blick für
die wenigen Feinheiten. Und im Gegensatz zu den festen Größen wie
dem größenwahnsinnigen "Der Morgen"-Herausgeber Elliot
Carver, der als blasse Ausgeburt einer kulturpessimistischen Medientheorie nie
über eine karikaturgewordene Neil-Postman-Phantasie hinauskommt, wirken
hier darum Nebenschauplätze wesentlich unterhaltsamer. So z.B. der Auftritt
des deutschen Tötungsspezialisten und Killerbürokraten Dr. Kaufman
(Vincent Schiavelli), der kurz davor ist, Bond bei seinem Hamburg-Aufenthalt
im Hotel Atlantic zu erledigen. Seine gelangweilt blasierte Selbstbeweihräucherungstirade
angesichts des gestellten Opfers ist so etwas wie der heimliche Höhepunkt
des Films. Symptomatisch, daß Dr. Kaufman nur wenige Minuten nach seinem
Erscheinen schlicht erschossen wird.
Jan
Distelmeyer
Dieser Text ist zuerst erschienen in: epd film