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Jede
Sekunde zählt – The Guardian
Hollywoodfilme über Helden in Uniform gab
es bisher nur mit Soldaten, Feuerwehrmännern und Polizisten. Andrew Davis
hat das Repertoire mit Jede Sekunde
zählt – The Guardian erweitert
und zeigt Männer, die nur dafür leben, das Leben anderer zu retten.
Sie durchlaufen eine eisenharte Ausbildung. Sie müssen
sich gegen erbarmungslose Feinde erwehren und retten unzählige Menschenleben.
Aber sie müssen niemanden töten und benutzen keine Waffen. Die Rettungsschwimmer
der US Küstenwache sind die perfekten Helden. Ihre Feinde sind Stürme
und Überflutungen und ihre Aufgabe ist das Ehrenwerteste, was es auf Erden
gibt: Menschen zu helfen. Baywatch-Rettungsschwimmer können ihnen nicht im Geringsten
das Wasser reichen. Die sonnengebräunten Körperclowns und Barbiepuppen
vom Malibustrand sind gegen die Schwimmer der Küstenwache, die von der
Beringsee bis zum Golf von Mexiko im offenen Meer im Einsatz sind, höchstens
Seepferdchen-Planscher in roten Badesachen. Endlich hat auch Hollywood die Besten
der Besten entdeckt. Da Helden in Uniform aber nicht automatisch einen Kassenschlager
garantieren, wurde mit Andrew Davis ein erfahrener Regisseur für Jede Sekunde zählt – The Guardian engagiert.
Davis hat schon in Auf
der Flucht (The
Fugitive, 1993) gezeigt, dass er
solide Actionszenen bietet – erste Zielgruppe abgedeckt. Und die Hauptdarsteller
Kevin Costner und Ashton Kutcher garantieren, dass auch die Hausfrauen und pubertierende
Mädchen ins Kino rennen. Natürlich gibt es eine Liebesgeschichte und
natürlich wachsen die Charaktere am Ende über sich hinaus. Aber außer
großem Pathos und Hymnen auf die Rettungsschwimmer hat der Film nichts
zu bieten. Jede Sekunde zählt
– The Guardian ist ein Potpourri
aus den bekanntesten Filmmustern: Zwei Helden – einer auf dem absteigenden,
der andere auf dem aufsteigenden Ast – zwei Frauen, viele Prüfungen, Lebensgefahr
und ein paar witzige Sprüche. Altes Hack frisch verpackt.
Denn die Ansätze im Film, die auf interessante
Ideen und Charaktere oder ungewöhnliche Handlungsabläufe hoffen lassen,
werden kurze Zeit später von den Happy-End-Wellen weggeschwemmt. So kreist
über den beiden heldenhaften Rettungsschwimmern Ben Randall (Kevin Costner)
und Jake Fischer (Ashton Kutcher) lange die Frage: Warum macht ihr diesen Job
überhaupt? Was treibt Menschen an, eine Arbeit zu wählen, in der sie
tagtäglich ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen? Sendungsbewusstsein? Gutmenschentum?
Schuldgefühle? Oder der Kick des Abenteuers?
Den in die Jahre gekommenen Rettungsschwimmer Ben
Randall (Kevin Costner) scheint wirklich eine Art Zwang, Menschen zu retten,
zu motivieren. Er lebt nur für seinen Beruf. Selbst als seine Frau ihn
verlässt, hetzt er zum nächsten Einsatz. Er ist rastlos, die einzige
Ruhe findet er in dem Moment kurz vor dem Absprung aus dem Helikopter, wenn
er seinen Kaugummi neben die Tür klebt. Die totale Hingabe für den
Beruf gerät ins Wanken, als seine gesamte Crew bei einem Rettungsversuch
ums Leben kommt und nur er überlebt. Besinnt er sich nun auf seine Frau?
Geht er völlig den Bach runter? Ein Superschwimmer im Kampf um sich selbst
oder um seine Ehefrau wäre durchaus spannend gewesen. Doch was zeigt Davis
stattdessen? Einen Mann, der bald eine neue berufliche Herausforderung bewältigen
muss, diese auch exzellent erfüllt und als Mythos in die Analen der Küstenwache
eingeht.
Der Regisseur stellt eine Welt dar, in der man alles
erreicht, wenn man an sich glaubt, alles dem Guten unterordnet und sich selbst
nicht zu wichtig nimmt. Diese Übermenschen nimmt man Davis aber nicht ab.
Sie kommen einfach zu perfekt und zu makellos daher. Jede Entscheidung, die
sie treffen, erweist sich spätestens am Ende als absolut richtig. Sie sind
so gut, so fokussiert, haben trotzdem immer ein Auge für ihre Nebenmänner
und erfüllen ihren Job, weil es ihre Bestimmung ist.
Bestimmung, Aufopferung, Ehre. Mit diesen drei Säulen
der amerikanischen Weltordnung beantwortet der Regisseur die Frage: Warum machen
die Rettungsschwimmer ihren Job? Und mit ausdauernder Penetranz werden Bestimmung,
Aufopferung und Ehre in dem mehr als zweistündigem Film hervorgehoben.
Kevin Costner ist dann natürlich immer ganz vorne mit dabei. Da seine Lieblingsrolle
die des guten, nie aufgebenden Kämpfers für Recht und Ordnung ist,
trägt er auch in Jede Sekunde
zählt – The Guardian ganz dick
auf. Nach Der mit dem Wolf tanzt (Dances
with Wolves, 1990), Wyatt
Earp (1994), Robin
Hood – König der Diebe (Robin Hood – Prince of Thieves, 1991) und JFK:
Tatort Dallas (JFK, 1991) spielt Costner nun einen Halbgott im Neoprenanzug.
Ashton Kutcher steht dem nichts nach.
Jede Sekunde zählt – The Guardian ist ein Film, der vorgaukelt, man könne alles
richtig machen. Davis braucht dafür viel Wasser, untergehende Schiffe,
explodierende Hubschrauber, zwei Supermänner und schmachtende Frauen. Trotzdem,
nein gerade deshalb, glaubt man ihm nicht.
Johannes Scharnbeck
Dieser Text ist zuerst erschienen
in:
Jede
Sekunde zählt - The Guardian
USA 2006 - Originaltitel: The Guardian - Regie: Andrew Davis - Darsteller: Kevin Costner, Ashton Kutcher, Melissa Sagemiller, Bonnie Bramlett, Clancy Brown, Sela Ward, Neal McDonough, John Heard, Brian Geraghty - FSK: ab 12 - Länge: 139 min. - Start: 19.10.2006
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