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Jesus
Camp
Das Prädikat "gesellschaftlich relevant"
hat [...] ganz eindeutig der Dokumentarfilm "Jesus Camp" von Heidi
Ewing und Rachel Grady verdient. Geboten werden, wie der Titel verspricht, Einblicke
in die alles andere als kleine Welt der amerikanischen Evangelikalen, jener
Sorte fundamentalistischer Christen also, die an die buchstäbliche Wahrheit
der Bibel glauben, an Schulen den Kreationismus lehren und Harry Potter verbieten
wollen, weil heidnische Magie darin so wichtig ist. Becky Fisher, die Protagonistin
des Films, leitet ein in North Dakota gelegenes Sommer-Camp für evangelikale
Kinder (also solche, die auf Wunsch und Betreiben ihrer Eltern zu monströsen
kleinen selbstgerechten Christen geworden sind und zu noch monströseren
kleinen selbstgerechten Christen werden sollen). Fishers Predigten sind eindrucksvolle
Gehirnwäsche-Veranstaltungen irgendwo zwischen Scientology und Tupperware-Party,
anschauliche Paradiesnachspielszenen mit (bekleideten!) Barbiepuppen und gar
Trance-Einlagen inklusive. Einen imposant ekligen Auftritt hat auch der bei
Entstehung des Films noch überaus einflussreiche Prediger und Bush-Berater
Ted Haggard, dem aber Ende letzten Jahres die Einlassungen eines Strichers,
mit dem er es seit drei Jahren trieb, das Genick brachen.
Der Film selbst ist ein Dokumentar-Wischi-Waschi
mit suggestivem Soundtrack und halbsubtiler Pseudo-Neutralität. Daran,
dass die Einblicke, die einem "Jesu Camp" gewährt, interessant
sind, ändert das nichts. Was man zu sehen bekommt, ist astreine Indoktrination,
bedingungsloses Einschwören der Kinder auf die Wahrheit, die die Erwachsenen
mit Löffeln gefressen haben. Ungeschminkt sind die Kommentare, in denen
die Beteiligten von der Zucht kleiner Gotteskrieger sprechen, die immer wieder
mit dem Verweis auf die Methoden der Islamisten gerechtfertigt wird. Wie eine
Götzenstatue angebetet wird der oberste Evangelikale George W. Bush und
interessant zu beobachten ist, wie viele Phänomene heutiger Popkultur ihre
christliche Variante ausprägen, von HipHop bis Heavy Metal. Es ist eine
Welt, in der die leiseste Spur kritischen Denkens methodisch ausgelöscht
wird. Und zwar, da von Kindesbeinen an, an der Wurzel. Mithin: ein Horrorfilm,
eine Körperfresser-Variation.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: www.perlentaucher.de
Jesus
Camp
USA
2006 - Regie: Heidi Ewing, Rachel Grady - Darsteller: (Mitwirkende) Becky Fischer,
Mike Papantonio, Levi, Rachael, Tory - FSK: ab 12 - Länge: 88 min. - Start:
1.11.2007
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