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Jesus,
Du weißt
Ist
das die Hölle?
Der
Filmregisseur Werner Herzog hat über die Filme Ulrich Seidls einmal gesagt,
er habe noch nie so geradewegs in die Hölle geschaut. Seidls neuer Film
"Jesus, Du weißt" ist nicht gerade ein Blick in die Hölle;
es ist vielmehr ein Blick in den Beichtstuhl, wo sechs Menschen sitzen - im
Zwiegespräch mit Gott. Entgegen Seidls üblicher Praxis, Dokumentar-
mit Spielszenen zu vermischen, besteht "Jesus, Du weißt” ausschließlich
aus "echten" Interviews. Was wenig über sein Vorgehen verrät.
Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sind längst verschwommen.
Seidls strenge Inszenierung, eine Art religiöse Konfrontation, ist nicht
"verité", sondern hoch stilisiert. Diese Widersprüchlichkeit,
das Mehrdeutige Seidls macht auch den Reiz seiner Filme aus. Und der Spott gegenüber
seinen Landsleuten: katholische Spießer mit einem ausgeprägten Hang
zum Selbsthass. Doch genau dieser Spott geht "Jesus, Du weißt"
völlig ab.
Seidl
spielt "das Auge Gottes": Seine Kamera blickt frontal und leicht überhöht
auf die Beichtenden, die durch die extreme Perspektive etwas Karnickelartiges
annehmen. Sie reden und reden und reden – vielleicht ist genau das Seidls Vorstellung
von Hölle. Es schmerzt, ihnen zuhören zu müssen bei ihren peinigenden
Monologen - das typische "Seidl-Feeling" stellt sich schnell ein.
Aber gleichzeitig hat Seidls Versuchsaufbau etwas Ergreifendes. Es ist eine
seltsam masochistische Form von Gläubigkeit, die in diesen intimen "One-on-One"-Situtaionen
vorgeführt wird. Die Abstinenzler/innen in "Jesus, Du weißt"
scheinen Erfüllung nur in ihrer eigenen inneren Zerrissenheit zu finden.
Man beginnt zu verstehen, was Seidl an diesen Menschen so fasziniert.
Andreas
Busche
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: Fluter
Zu
diesem Film gibt’s im archiv
der filmzentrale mehrere Texte
Jesus,
Du weißt
Österreich
2003 - Regie: Ulrich Seidl,
Buch:
Ulrich Seidl, Veronika Franz - Darsteller: Elfriede Ahmad, Waltraute Bartel,
Hans-Jürgen Eder, Thomas Ullram, Angelika Weber, Thomas Grandegger, Tanja
Müller, Elisabeth Sucham, Heribert Exel, Saleem Ahmad - Länge: 87
min. - Start: 25.8.2005
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