Jimmy Hoffa
Von allem zu viel und viel zu lang. Completely overdone, Mr. De Vito. Die Hälfte, nämlich siebzig Minuten, reicht völlig
aus, wenn man auf die überflüssige der beiden Hauptrollen verzichtet,
freilich damit auf De Vito selbst. Der die anderen siebzig Minuten lang pausenlos den Kopf vor die
Kamera hält, immer gleich, immer bieder und beflissen. Es reicht für
dieses Jahrtausend. Hat der Regisseur denn nichts gemerkt? HOFFA ist Danny De
Vitos dritte Regiearbeit. Völlig ergriffen von dieser Aufgabe, gestattete
er sich eine einzige komödiantische Einlage. Mit einem Revolver erschießt
er aus zwölf Metern Distanz einen Hirsch. Jaja, wieder so eine Erinnerung,
wenn auch eine, wie er meint, komische. Früh gealtert sitzt er mit einem,
der auch schon ins Rentenalter gekommen ist, aber um den es in diesem Film geht,
nämlich mit Hoffa (Nicholson) auf den Hintersitzen eines Autos
und kramt Souvenirs und Visitenkarten aus der Tasche. Weißt Du noch, Boß?
Jaja, und wir dürfen wieder eine Rückblende erleben, nämlich
wieder ein Historiengemälde aus dem Leben des legendären Chefs der
Transportarbeitergewerkschaft. Jack Nicholson, mit eigens gerichteter Nase und
gut sitzender Perücke, repräsentiert. Halbnah Würde und Kraft
von Anfang bis Ende. Die Einstellung wird sich bis zur 140. Minute nicht ändern,
d.h. wir erleben den Helden im Laufe des Films zunehmend als Poster, was naturgemäß
mit einer gewissen Verflachung einhergeht. Hoffa, der historische Gewerkschaftsführer
aus der Mitte des Jahrhunderts -, er wird uns als Idol vorgeführt. Er hält
Reden, gewinnt die Massen, füllt die Gewerkschaftskasse mit Sponsorengeldern
aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Im Gegenzug erbringt
die Gewerkschaft Leistungen für italienisch sprechende Gangster. Er wird
Führer der Gewerkschaft. Aber nach dem rise der
fall.
Robert Kennedy, der im Film natürlich von einem detailgenauen Schauspieler
gespielt wird, bringt ihn ins Gefängnis. Die Lastwagenfahrer hupen
zu Hoffis Ehren vor der Strafvollzugsanstalt. Nicholson, halbnah, würdig,
winkt kräftig zurück. Aber dann trifft an Stelle des reitenden Boten
des Königs das Begnadigungsschreiben vom Präsidenten ein. Ja, und
was hat Hoffa uns bzw. der zwar unermüdlich wißbegierig lauschenden,
aber völlig unhistorischen und damit in diesem Film wie gesagt überflüssigen
Kunstfigur „De Vito" zu sagen? Nach wie vor nichts. Ende.
Es war aber so, daß schon der größte
aller Arbeiterführer im Filmmedium nichts zu sagen hatte. Er wollte
verehrt und bejubelt werden. So gesehen macht die pompöse stalinistische
Ästhetik des 20th-Century-Fox-Films HOFFA doch einen Sinn. Die vielen
Massenszenen und die Einsamkeit der Großaufnahme. Souverän entblößen
sich die Schneidezähne im Gesicht des Führers, der die Fassung behält.
Schnitt. Und wieder Panavision widescreen zum
Bersten gefüllt mit Komparsen und Statisten, die hilf- und kunstlos
im Bild herumzappeln. Keiner hatte daran gedacht, in den Massenszenen Regie
zu führen, und das wäre wohl auch das Falsche gewesen. Denn so
und nicht anders muß zappeln, was einen Führer braucht. Stalinistisches
Vorbild auch, das Persönliche, gar Private des Führers auszusparen.
Ja, ist das nicht geradezu unamerikanische Aktivität, wenn wir in diesem
überlangen Film von der Person Hoffa so gut wie nichts erfahren, nichts
von seinen Ängsten und Wünschen, nichts von seiner Motivation, seinem
Seelengeschweige denn seinem sonstigen Gefühlsleben? Von der Gipsbüste
(oder sagte ich vorhin: Poster?) des großen Mannes, zu der (dem)
wir verehrend aufblicken, erfahren wir auch nicht mehr. Was wir für den
Gipskult aber brauchen, das ist die pompöse Zuckerbäckerarchitektur.
HOFFA, der Film, hat die Wucht der großen Schwünge, Durchbrüche,
Aufbrüche, auch die passenden Verschnörkelungen und den üppigen
Zierat einem größenwahnsinnigen Kameramann (Stephen H. Burum)
überlassen, der sich dem Adler gleich, aber immer wieder mit Hilfe des
Krans, jäh von den Massen löst und die eisigen Höhen erreicht, die immerhin Überblick
verheißen. Immer wieder aber nützt er auch den geringsten Vorwand
(ein Requisit, ein fallengelassenes
Wort), um, so unbeherrscht wie Herrscher
sind, den Anschluß an eine dieser Totalen zu gewinnen, die, egal
welche Realität sie zeigen, schon Museumsstücke sind. Ein malerisches
Exponat, in dem der organisierte Kriminelle vor dem schmiedeeisernen Zaun sitzt,
Grillen zirpen, und fern versinkt die Sonne am Horizont. Nur ein klein wenig
mehr, und der Kitsch würde blühen, die Karikatur etwas sagen.
De Vito aber meint es ernst, und HOFFA bleibt unsäglich.
Dieser Text ist zuerst erschienen in:
HOFFA
USA 1992. R: Danny De Vito. B: David Mamet. P: Edward R. Pressman, Danny De Vito, Caldecot Chubb.
K: Stephen H. Burum. Sch: Lynzee Klingman, Ronald Roose. M: David Newman. T:
Thomas D. Causey. Ba: Ida Random. A: Gary Wissner. Ko: Deborah
L. Scott. Pg: Edward R. Pressman Productions. V: Fox. L: 140 Min. St: 4.3.1993.
D: Jack Nicholson (James R. Hoffe), Danny De Yto (Robby Ciaro), Armand
Assante (Carol D'Allesandro), J.T. Walsh (Fitzsimmons), John C. Reilly (Pete
Connellyh Frank Whaley (Young Kid), Kevin Anderson (Robert Kennedy), Natalijy
Nogulich (Jo Hoffa).