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John
& Jane
Die ersten Bilder zeigen, in rascher, verschwommener
Handkamera-Fahrt New York, Times Square und 42nd Street, die USA am Ort, an
dem sie dem Klischee zum Verwechseln ähnlich sehen. Der Rest spielt in
Indien, Bombay und folgt sechs jungen Leuten, die in einem Call-Center arbeiten
und am Telefon so tun, als seien sie nirgendwo anders als in den USA. 4th dimension
ist der Name der amerikanischen Firma, die die Heimat auf Stockwerke verteilt
hat, so dass man im New-York-Großraumbüro oder New Jersey arbeitet.
Oder in Texas, der Job ist nicht ohne, I hardly ever call anyone erfährt
die Inderin, die einen long distance
service verkaufen soll.
Den Erwartungen an einen Dokumentarfilm versperrt
sich „John & Jane“ auf keineswegs eindeutige Weise. Nichts ist, wenn man
den Regisseur recht versteht, im strengen Sinn Fiktion. Dennoch wirken viele
der Szenen inszeniert, einer der Jobber im Gespräch mit der Mutter, nur
zum Beispiel. Arrangiert sind die Sequenzen und Figuren in aufsteigender Begeisterungslinie.
Es endet mit einer Frau, die blondiert ist und dreimal hintereinander betont,
dass sie natürlich blond sei. Eine Theorie zur Seelenverwandtschaft mit
natürlich Blonden hat sie auch. Viel Spaß dann bei der Suche nach
einem Mann in Bombay.
Regisseur Ashim Ahluwalia rückt seinen Figuren
auf den Leib, aber nicht zu sehr. Manchmal entfernt er sich weit, zeigt Zeitraffer
von Straßenverkehr in Bombay und Häuserarchitektur, die man eher
in den USA verorten würde, wenn überhaupt. Genaue Verortung ist denn
auch gerade nicht, worauf Ahluwalia hinaus will. Sehr viel eher will er etwas
darstellen wie das vage Phantasma USA, reduziert auf Werte, die im VHS-Kurs
Amerika als ohne weiteres aufzählbar behandelt werden. Amerikaner wollen
Erfolg, sie schätzen Individualität, sie bestellen Waren im Katalog
und die amerikanische Flagge ist omnipräsent.
Manch einer gerät ins Träumen und verehrt
Elvis und Engelbert (sic!) als Milliardäre. Er möchte ein Haus, ein
Auto, er wäre von Herzen gern das, was er für einen Amerikaner hält.
Reich natürlich vor allem. Der phantasmatische Raum bleibt diffus und Ahluwalia
macht keine Anstalten, den Träumen, dem Hass auf den Job, den Verkennungen
und Erkenntnissen eine ausformulierte These entgegenzuhalten. Anderes schon:
elektronische Musik, die die Entortung und Virtualisierung unterstreicht. Blicke
auf Korridore, Blicke auf Architektur, die dem Indien-Klischee widerstehen.
Dem verrückten Ort, heartland
USA mitten in Bombay, kommt er so
durchaus nahe.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
in:
John
& Jane
Indien
2005 - Regie: Ashim Ahluwalia - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 83 min. - Start:
9.11.2006
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