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Jugend
ohne Jugend
Süßer
Vogel Quatsch
Das wird einmal der letzte Autorenfilm
Hollywoods gewesen sein - Francis Ford Coppolas kruder Monumentalkitsch "Jugend
ohne Jugend"
Man hat in den letzten Jahren mehr von
Francis Ford Coppolas Weinen gelesen als von seinen Filmen. Der Name Coppola
steht längst im Rang eines Markenzeichens, unter dem prinzipiell alles
produziert werden kann, was sich irgendwie in den kulturellen Verwertungskreislauf
einspeisen lässt. Die Traditionslinie, die sich Patriarch Francis Ford
verdankt, wird mittlerweile von Tochter Sofia erfolgreich weitergeführt.
Man erinnert sich heute kaum noch daran, dass der Mann selbst einmal Filme gedreht
hat, Klassiker wie Der
Pate (1972) und Apocalypse
Now (1979). Die Entstehungsgeschichten
zu einigen dieser Filme sind in den Mythenschatz des jüngeren Hollywood-Kinos
eingegangen, nicht zuletzt weil Coppola sie sorgfältig kultiviert (und
vermarktet) hat.
Zuletzt verwendete er viel Zeit darauf,
seinen Nachlass zu pflegen (Apocalypse
Now Redux) und mit
einigen historischen Missverständnissen aufzuräumen (empfehlenswert
ist die aufwändige DVD-Edition seines sträflich unterschätzten
Flops Einer mit Herz von 1982). Die Akribie, mit der er die
Historisierung seines Werks vorantreibt, lässt vermuten, dass Coppola schon
eine Weile in der Vergangenheit hängen geblieben ist.
Es verwundert also nicht, dass dem Thema
"Alter" in Coppolas letzten Filmen eine prominente Rolle zukommt.
Mit seiner verkitschten Interpretation von Bram
Stokers Dracula (1992)
ist er dem sexualisierten Kern des Vampirmythos näher gekommen als jeder
andere Regisseur zuvor. Gleichzeitig war seinen verschwenderischen Bildern das
Dilemma zwischen dem lüsternen Rausch der Omnipotenz und dem Fluch ewigen
Lebens bereits immanent. In der Komödie Jack (1996) lag das Motiv noch offener: Robin
Williams spielte einen Zehnjährigen, der aufgrund einer genetischen Störung
viermal so schnell heranwächst wie seine Altersgenossen. Zwar gelang es
Coppola, Williams Hang zum Chargieren in einem halbwegs unsentimentalen Skript
zu erden, aber der Film zeigte deutlich, dass Coppola gut daran tat, von seinem
vergangenen Ruhm zu zehren.
Jugend ohne Jugend,
Coppolas erster neuer Film seit zehn Jahren, schließt nun verblüffend
nahtlos an seine Arbeiten aus den neunziger Jahren an und etabliert damit ein
wiederkehrendes Thema im Spätwerk. Coppolas Konzept von Zeit und Geschichte
beziehungsweise Geschichtlichkeit ist jedoch keineswegs nostalgisch oder gar
historisch motiviert, sondern vielmehr hochgradig fetischisiert. In Jugend ohne Jugend sind
es immer wieder Objekte, Orte und sogar die Sprache, die zeitliche wie räumliche
Zusammenhänge herstellen; es muss sich nur hübsch systematisieren
lassen. Coppola bringt dazu die paranoide Sensibilität eines Verschwörungstheoretikers
in das Projekt ein, der Ausflüge in den populären Mystizismus nicht
scheut. Mit anderen Worten: Man könnte Jugend
ohne Jugend als eine Rückkehr
zu alter Form bezeichnen, nimmt man die virile Psychedelik von Apocalypse
Now zum Maßstab.
Tim Roth spielt den 70-jährigen Sprachforscher
Dominic Matei, der nach einem Blitzschlag einen wundersamen Verjüngungsprozess
durchmacht. Das Wunder stellt in Jugend
ohne Jugend den phänomenologischen
Normalzustand dar, dem sich die rationale Ordnung fügen muss. Das beginnt
damit, dass Dominic seine zweite Chance just in dem Augenblick erhält,
in dem er mit dem Leben abgeschlossen hat. Seine persönliche Lebensmüdigkeit
fällt nicht zufällig mit einem historischen Tiefpunkt zusammen: Europa
steht am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, entsprechend grau ist der Himmel über
Bukarest. Die Nazis sind bis nach Rumänien zu spüren, wo die unerklärliche
Genese das Interesse von Medizinern aus aller Welt auf sich zieht - auch das
eines Hitler-Vertrauten (André Hennicke), der davon träumt, mit
Hilfe von Elektroschocks eine arische Superrasse zu züchten. Aber wie jeder
Superheld ist Dominic zur Neutralität verpflichtet. Auf der Flucht vor
den Nazis und dem amerikanischen Geheimdienst taucht er in Europa unter.
Jahre später ereignet sich ein zweites
Wunder. In den Alpen begegnet Dominic der jungen Schweizerin Veronika (Alexandra
Maria Lara), die seiner Jugendliebe zum Verwechseln ähnlich sieht. Die
Überraschung währt nur kurz. Das Mädchen wird ebenfalls von einem
Blitz getroffen - und erwacht kurz darauf als Sanskrit sprechende Inkarnation
einer indischen Prinzessin. Veronikas mentale Disposition könnte es Dominic
ermöglichen, sein Lebenswerk zu vollenden: die Erforschung des Ursprungs
der menschlichen Sprache. Doch je weiter Veronikas Geist in der Menschheitsgeschichte
zurückreist, desto rascher beginnt sie zu altern. Dominic steht vor der
Entscheidung, seine Studien fortzusetzen und seine große Liebe damit ein
zweites Mal zu verlieren.
Der New York Times vertraute Coppola im
letzten Jahr an, dass Jugend ohne Jugend
ein sehr persönlicher Film geworden sei. Es wäre zu einfach, seinen
Kommentar mit einem billigen Kalauer zu devalvieren. Natürlich gibt es
kaum etwas Deprimierendes als einen alternden Regisseur, der zum Ausklang der
Karriere seine Faszination für das Mysterium der ewigen Jugend entdeckt.
Denn wenn sich Jugend ohne Jugend mit seinem gravitätischen Gestus
streckenweise auch wie ein Alterswerk geriert, schöpft der Film visuell
doch aus einem Fundus an reichlich verstrahlten Motiven und eigenwilligen Ikonografien
(mit Hakenkreuzen verzierte Strapse!). Coppolas Film ist ein monumental kruder
Quatsch, der sich selbst noch viel zu ernst nimmt, Reiz gewinnt aber gerade
aus dem Selbstverständnis, seine Geschichte in den ästhetischen Formen
eines High Brow-Kunstwerks erzählen zu wollen. Dieses Opernhafte, das die
hauchzarte Liebesgeschichte zwischen Dominic und Veronika ins beinah Groteske
überdehnt, hat schon dem Mafia-Milieu in Der Pate dramatische Schwere
verliehen. In Jugend ohne Jugend nimmt das Ganze mitunter unfreiwillig
komische Züge an.
Die mäandernde Kryptik des Films
ist aber nicht allein Coppola geschuldet, sie ist ebenso Hommage an den Religionswissenschaftler
und Mystiker Mircea Eliade, auf dessen quasi-autobiografischer Romanvorlage
der Film basiert. Von Eliade hat sich Coppola seine Vorliebe für Nazi-Paraphernalia
(er scheint die halbe Crew von Der
Untergang rekrutiert
zu haben) geborgt, eine seltsame Konzession an dessen formative Jahre, als Eliade
offen mit dem Faschismus liebäugelte. So fungiert die Figur Dominics als
Prisma, in dem sich verschiedene biografische Linien brechen. Dass Coppola in
Eliades Alter Ego Spuren seiner eigenen Geschichte erkannt zu haben glaubt,
erklärt möglicherweise die frivolen Ambivalenzen, denen sein Film
ausgesetzt ist. Vielleicht darf man Jugend
ohne Jugend aber nicht
als konventionelle Liebesgeschichte verstehen, auf die man ihn leicht runterbrechen
könnte, sondern als eine symbolische Menage-à-trois zwischen Autor,
Auteur und ihrer Kunstfigur. Eine Akkumulation von Wahnsystemen. In 20 Jahren
wird die Welt Jugend ohne
Jugend besser zu schätzen
wissen: als einen der letzten großen Autorenfilme Hollywoods.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Freitag
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Jugend
ohne Jugend
USA / Deutschland
/ Italien / Frankreich / Rumänien 2007 - Originaltitel: Youth Without Youth
- Regie: Francis Ford Coppola - Darsteller: Tim Roth, Alexandra Maria Lara,
Bruno Ganz, André Hennicke, Marcel Iures, Adrian Pintea - FSK: ab 12
- Länge: 124 min. - Start: 10.7.2008
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