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Jugend
ohne Jugend
Diese
Jugend sieht alt aus
Coppola präsentierte nach zehn Jahren
Regiepause seinen neuen Film "Youth without youth" auf dem Festival
in Rom - in dem auch Alexandra Maria Lara mitspielt.
Zu den Vorzügen von Festivals gehört
es, dass die Filme von Anekdoten begleitet zur Welt kommen. Das Festival in
Rom, das die angereisten Stars nicht nur auf Pressekonferenzen, sondern auch
in Publikumsgesprächen präsentiert, scheint auf jeden Fall eigens
dafür erfunden. Francis Ford Coppola wiederum ist selbst ein Meister des
Anekdotenerzählens, da lag es nahe, dass er seinen Film nicht nach Cannes
oder Venedig, sondern nach Rom gab. Ganze zehn Jahre hat er im Regiefach pausiert,
sich seinem Weinberg gewidmet und den stolz applaudierenden Vater für seine
begabten Kinder gegeben. Roman Coppola hat Videoclips gedreht, unter anderem
für The Strokes, Sofia ist mit "Lost
in Translation" und
"Marie
Antoinette" berühmt
geworden. Mit umso größerer Spannung erwartete man nun sein neuestes
Werk: "Youth without Youth".
Um mal von hinten anzufangen: Die Pressekonferenz,
die auf die Aufführung in Rom folgte, handelte denn auch hauptsächlich
von der großen Erwartung, die mit dem Namen Francis Ford Coppola verbunden
ist. Alexandra Maria Lara, die die weibliche Hauptrolle spielt, erzählte,
wie schwer es ihr fiel, Coppola anzurufen. Als der auch noch ans Telefon ging,
habe sie schockiert gleich wieder aufgelegt. Ihr Leinwandpartner Tim Roth berichtete,
er habe den ersten Anruf Coppolas für einen Scherz seines Freundes Ray
Winstone gehalten. Selbst als er das Drehbuch bekam, sei er sich noch nicht
sicher gewesen, ob ihn da nicht jemand auf den Arm nehme, und auch beim Drehen
habe er sich noch gefragt, ob er sich tatsächlich in einem Coppola-Film
befinde.
Diese Anekdoten sind deshalb bedeutsam,
weil es dem Zuschauer ganz ähnlich ergeht. Auch er will selbst nach Ablauf
der 124 Minuten nicht recht glauben, dass er einen Film von Francis Ford Coppola
gesehen hat. Das ist kein Kompliment. "Youth without Youth" ist die
Verfilmung eines Romans des in Rumänien geborenen und in Chicago gestorbenen
Mircea Eliade. Tim Roth verkörpert einen alten Linguistikprofessor im Bukarest
der Dreißiger. Einst hat ihn seine große Liebe, Laura - mit Weichzeichner-Aureole
gespielt von Alexandra Maria Lara - verlassen, weil er sich zu sehr auf seine
Wissenschaft konzentrierte. Von Versagergefühlen heimgesucht, läuft
er durch den strömenden Regen - und wird vom Blitz getroffen. Er überlebt:
Als man ihm im Krankenhaus aus der Ganzkörperbandage befreit, die seine
verbrannte Haut bedeckte, liegt da der Körper eines 30-jährigen.
Sein behandelnder Arzt, gespielt von Bruno
Ganz, stellt seinen Fall der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor. Besonderes
Interesse zeigen schon bald die Nazis in Gestalt von André Hennicke -
und spätestens da fragt man sich, ob Coppola wohl ein heimlicher Fan von
Hirschbiegels "Der Untergang" ist und sich deshalb die Schauspieler
dort gesucht hat. Tim Roth alias Dominic auf jeden Fall flieht in die Schweiz,
wo er auf Veronica - wieder: Alexandra Maria Lara - trifft. Unmittelbar darauf
wird auch sie vom Blitz getroffen und redet danach fließend Sanskrit.
Das Enttäuschende an "Youth
without Youth" ist nicht die mysteriöse Handlung, sondern die Tatsache,
dass Coppola sich beim Erzählen auf allerbiederste Lösungen verlässt:
Der ganze Film ist in jenes Nostalgie-Gelb getaucht, das "alte Zeiten"
schreit. Die Straßen glänzen nachts in regnerischem Schwarz und sind
tags oft schneebedeckt, die Interieurs entsprechend
plüschig. Damit nicht genug, lässt Coppola kein Filmklischee der Wahndarstellung
aus: zerbrechende Spiegel, gekippte Bildachsen; wenn es besonders wahnhaft wird,
dreht er die Szenen auf den Kopf. Ist das wirklich ein Coppola-Film? Die durchweg
hölzernen Schauspieler mögen ein Hinweis darauf sein - sie wirken
wie in Ehrfurcht erstarrt.
Er habe einen Film machen wollen wie mit
16, erklärte Coppola dem in Rom versammelten Publikum: so unbeeindruckt,
ahnungslos und dreist. Nicht zuletzt deshalb verzeiht man ihm diesen Film. Und
weil er so schöne Anekdoten erzählen kann, die fast alle vom Scheitern
handeln. Woraus er ein wunderbares Plädoyer für Eigensinn ableitet:
Wofür man als Anfänger entlassen wird, genau dafür bekäme
man später den Preis fürs Lebenswerk.
Barbara Schweizerhof
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: taz
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Jugend
ohne Jugend
USA
/ Deutschland / Italien / Frankreich / Rumänien 2007 - Originaltitel: Youth
Without Youth - Regie: Francis Ford Coppola - Darsteller: Tim Roth, Alexandra
Maria Lara, Bruno Ganz, André Hennicke, Marcel Iures, Adrian Pintea -
FSK: ab 12 - Länge: 124 min. - Start: 10.7.2008
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