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Jugend
ohne Jugend
Coppolas
Comeback „
Vom Blitz getroffen
Als die „New Hollywood"-Regielegende
Francis Ford Coppola nach zehn Jahren relativer Absenz, in der er sich auf die
Filmproduktion und den Weinbau konzentrierte, auf dem neuen Filmfestival von
Rom „Jugend ohne Jugend" vorstellte, wurde er vom Publikum gefeiert und
von der Kritik arg zerzaust. Gewiss, wer Coppola noch immer vorzüglich
als den Regisseur von „Der
Pate" oder „Apocalypse
Now" wahrnimmt, muss
von „Jugend ohne Jugend" mehr als enttäuscht sein. Doch für Coppolas
eigenartige Karriere sind diese beiden Filmklassiker alles andere als repräsentativ,
gegen die Hits stehen eine ganze Reihe von kommerziell desaströsen Flops
wie „Der
Dialog", „Einer mit
Herz" oder „Cotton Club", die den leidenschaftlichen Auteur wiederholt
finanziell ruinierten und ihn zu Auftragsarbeiten wie „Peggy
Sue hat geheiratet"
oder die Grisham-Verfilmung „Der Regenmacher" zwangen. Manch Nebenwerk
wie „Rumblefish" oder „Bram
Stoker’s Dracula"
erwies sich erst mit jahrelanger Verspätung als stilprägend. Die Begegnung
mit Mircea Eliades Roman „Jugend ohne Jugend" traf Coppola inmitten einer
kreativen Krise – nach jahrelanger Arbeit hatte er die Arbeit an Drehbuch zu
seinem ambitionierten Projekt „Megalopolis" unvollendet abgebrochen – und
die Verfilmung ist Ausdruck der Krise und Versuch einer entschiedenen Rückkehr
zu seinen Anfängen. Schon Eliades in den 30er Jahren spielender Roman –
eine krude Mischung aus Kolportage, philosophischer Reflexion, Science Fiction,
Zeitkolorit und Altmänner-Esoterik – ist ambitioniert und trashig zugleich.
Im Nachwort zu Neuausgabe des Romans (bei Suhrkamp) schreibt Coppola: „Der Film
würde vieles zum Thema haben müssen – Zeit, Erinnerung, zweite Chance,
die Illusion des neuen Menschen, europäische Geschichte, Liebe und die
Art, wie wir den Menschen ausnutzen, den wir lieben, Sprache". Und all
diese Themen wollte er als Filmemacher, so schreibt Coppola, „in jugendlicher
Guerillamanier" angehen. Ein aberwitziges Unterfangen, zumal, wenn man
bedenkt, dass Coppolas Anfänge in der B-Film- und Exploitation-Fabrik von
Roger Corman liegen.
„Jugend ohne Jugend" – und dies ist
ein Vorschlag zur Güte – sollte man vielleicht analog zu Fassbinders Nabokov-Verfilmung
„Despair-Eine
Reise ins Licht"
als implizit parodistische Übertrumpfung europäischen Kunstkinos begreifen,
dessen fortwährend bedeutungsschwer Dahin-Gemeintes und salbungsvoll Reflexives
schon nach einer Viertelstunde ins unfreiwillig Komische implodiert und zu einem
Pop-Spiel mit schweren Zeichen wird. Dazu passt, dass Coppola quasi das letzte
Aufgebot aus Oliver
Hirschbiegels Führerbunker
(Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara und Andre Hennicke) gecastet hat, wo sie nun
unter- und überfordert zugleich Bedeutung heischend herumstehen, während
Tim Roth als ein durch einen Blitzschlag überraschend verjüngter Linguistik-Professor
sich letzte Fragen stellt und sich mit Nazis und Sanskrit sprechenden Wiedergängerinnen
einstiger Liebschaften herumschagen muss. Es ist, als hätten Christoph
Schlingensief und Peter Kern gemeinsam endlich eine psychedelische Fortsetzung
von „Indiana
Jones" mit Hitlers
Sekretärin und Dr. Mengele gedreht. In diesem Sinne ist „Jugend ohne Jugend"
durchaus ein Befreiungsschlag.
Ulrich Kriest
Dieser Text
ist zuerst erschienen in der: Stuttgarter Zeitung
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Jugend
ohne Jugend
USA
/ Deutschland / Italien / Frankreich / Rumänien 2007 - Originaltitel: Youth
Without Youth - Regie: Francis Ford Coppola - Darsteller: Tim Roth, Alexandra
Maria Lara, Bruno Ganz, André Hennicke, Marcel Iures, Adrian Pintea -
FSK: ab 12 - Länge: 124 min. - Start: 10.7.2008
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