zur
startseite
zum
archiv
Junta
Als
im März 1976 in Argentinien ein Militäraufstand Präsidentin Isabel
Perón ihres Amtes enthob, blickte das südamerikanische Land bereits
auf eine lange Tradition von militärischen Staatsstreichen zurück,
die sich seit 1930 aneinander reihten. Der populistische General Juan Domingo
Perón, der Argentinien in den Jahren 1946 bis 1955 regiert hatte, nach
einem Militärputsch ins Exil hatte gehen müssen, schließlich
aber im Oktober 1973 durch eine allgemeine Volksabstimmung wieder die Präsidentschaft
übernommen hatte, verstarb im Juli 1974. Nachfolgerin wurde seine dritte
Frau Isabel Perón; während ihrer Regierung verschlechterte sich
die politische und wirtschaftliche Lage des Landes rapide.
Den
unter der Präsidentschaft Isabel Peróns herrschenden offenen Terror
linker und rechter Gruppierungen verlagerte die Militärjunta um die Generäle
Videla, Agosti und Massera in den Untergrund: Während sich im Straßenbild
das Leben nach und nach normalisierte, „verschwanden“ in den Jahren 1976–1983
etwa 30 000 Argentinier in illegalen Gefängnissen.
Der
Name eines dieser Konzentrationslager – die ehemalige Kfz-Werkstatt „Garage
Olimpo“ – dient Marco Bechis als Originaltitel für seinen, mit autobiografischen
Elementen durchsetzten, Film. Bechis, Jahrgang 1957, war zwanzig Jahre alt,
als er von der Geheimpolizei verhaftet und zehn Tage lang mit verbundenen Augen
Folter und Misshandlungen ausgesetzt blieb. Bechis hatte Glück: Er wurde
in ein ordentliches Gefängnis verlegt; ein mit seinen Eltern bekannter
General sorgte für seine Freilassung. Die Figur, die im Mittelpunkt von
„Junta“ steht, trägt ebenfalls authentische Züge: die 18jährige
Italo-Argentinierin Maria, die in den Slums den Armen Lesen und Schreiben beibringt
und in einer Oppositionsgruppe mitarbeitet, wird in die verlassene Werkstatt
Olimpo verschleppt. Als „Folter-Spezialist“ dieser Einheit stellt sich der junge
Felix heraus, der in Marias eigenem Haus zur Untermiete wohnt. Dies markiert
den Beginn einer krankhaften Beziehung: Er, in Maria verliebt, versucht, sie
zu beschützen – und seine Stellung als „Beschützer“ auszunutzen. Sie
sieht darin ihre einzige Überlebenschance – die sich allerdings als trügerisch
erweist: Im Gegensatz zu Marco Bechis kam Maria nie mehr frei; ihre Hinterbliebenen
führen derzeit eine Klage gegen den argentinischen Staat.
In
„Junta“ hat der Regisseur seine vorwiegend akustischen Erlebnisse im Folterlager
eingearbeitet: das stets überlaute Radio, das die Schreie der mit Elektroschocks
Gefolterten zu übertönen versucht, und immer wieder die „Ping-Pong“-Klänge
der sich die Zeit vertreibenden Peiniger – von der Entdeckung von Tischtennisbällen
bei Ausgrabungen in einem Folterkeller wurde in einer von „Arte“ Anfang Juni
ausgestrahlten Dokumentation berichtet. Diese banalen Verrichtungen wie etwa
auch das Abstempeln an der Stechuhr gehören zusammen mit der eindrücklichen
Schlusssequenz zu den Stärken dieses mit einem Dutzend internationalen
Preisen ausgezeichneten Films.
Trotz
dieser wirkungsvollen Details sowie der emotionell berührenden Geschichte,
die sich im theoretisch-politischen Diskurs wohltuend zurücknimmt, ist
„Junta“ kein rundum gelungener Film: zu uneinheitlich nehmen sich die dokumentarisch
wirkenden Szenen im unterirdischen Gefängnis und die spielfilmartige Inszenierung
des „normalen“ Lebens an der Oberfläche aus. Der mitunter voyeuristische
Blick auf die Hauptdarstellerin entwertet darüber hinaus die Folterszenen,
in denen ihr Körper geschunden wird, die wegen ihrer kruden Bilder den
Zuschauer ohnehin auf eine harte Probe stellen.
Dass
die argentinische Militärdiktatur auf der Leinwand zurückhaltender
und zugleich solider inszeniert werden kann, zeigte auf der Berlinale ein weiterer
argentinischer Film: „Kamchatka“, der aus der Perspektive eines zehnjährigen
Kindes die Auswirkungen des argentinischen Militärputsches auf eine gutbürgerliche
Familie erzählte. „Kamchatka“ verzichtete auf jegliche Effekte –die Bedrohung
blieb immer im Hintergrund. Leider hat sich bislang kein deutscher Verleih gefunden,
der „Kamchatka“ ins reguläre Kinoprogramm bringt.
José
García
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Junta
(Garage
Olimpo)
Regie:
Marco Bechis
Darsteller:
Antonella Costa, Carlos Echeverría, Dominique Sanda, Chiara Caselli,
Enrique Pineyro
Land,
Jahr: Argentinien/Italien 1999
Laufzeit:
98 Minuten
zur
startseite
zum
archiv