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Jurassic
Park III
Die
neue Dosis ist da
Mit dem Kauf einer Kinokarte erwirbt
man auch ein Versprechen. Das Versprechen lautet auf circa zwei Stunden spezifischer
Unterhaltung, was im Falle von Jurassic
Park III ungefähr
bedeutet: Saurier, Saurier, Saurier.
Schon der 1993 von Steven Spielberg inszenierte
erste Teil, Jurassic Park, wurde als digitalisierte Fortführung
einer Filmtradition diskutiert, die der Filmhistoriker Tom Gunning als "Kino
der Attraktionen" beschrieben hat. Gunning bezog sich auf das frühe
Kino vor 1906, dessen Filme weniger durch das Erzählen von Geschichten
organisiert waren als durch "die Präsentation von faszinierenden Schauwerten,
von illusionärer Kraft und Exotismus".
Im "Jurassic Park" stellt sich
die Story in den Dienst des unmöglichen zoologischen Spektakels, getragen
von T-Rex, Brontosaurus und fiesen Raptoren. Nachdem dieses Versprechen unter
dem Titel Vergessene
Welt: Jurassic Park
schon 1997 mit Erfolg zum zweiten Mal verkauft worden war, dürften beim
dritten Teil kaum Missverständnisse aufkommen. Abgemacht: Isla Sorna, die
bekannte Saurierbrut-Insel aus Teil zwei, birgt weitere Gefahren, und diesmal
muss Dr. Grant (Sam Neill) aus Teil eins zurück zum Saurier-Hort. Der leidgeprüfte
Wissenschaftler wird auf die Insel verschleppt, weil ein geschiedenes Ehepaar
(William H. Macy und Téa Leoni) seinen verschollenen Sohn sucht. Das
muss wohl so sein, weil alle Jurassic Park-Filme nebenbei von Familienstiftung
erzählen.
Bei einer Menge Nebel und ein paar sarkastischen
Gags kommen dann die Saurier ausgiebig zu ihrem Recht. Sie fressen Mensch und
Handy, was qua Klingelzeichen aus dem Saurier-Darm zu netten Verwechslungen
führt. Insgesamt gibt es dabei mehr und andere Exemplare als in den früheren
Filmen zu sehen, damit neue Attraktionen das Kino-Versprechen abermals einlösen
und außerdem der Merchandising-Apparat wieder in Schwung kommt. Jurassic Park III,
produziert von Spielberg und inszeniert von Joe Johnston, verschleiert diese
Strategie keineswegs. Gleich zu Anfang begegnet uns ein Kind beim Spiel mit
Saurier-Figuren, von Dr. Grant fachkundig angeleitet. Dass es sich dabei ausgerechnet
um den Nachwuchs von Dr. Ellie Sattler (Laura Dern) handelt, der Heldin aus
dem ersten Teil, macht den mehrdeutigen Verweis auf die Logik von Nachfolge
und Verwertung komplett. Das Unterhaltungsabkommen zwischen Film und Publikum
wird sichtbar und selbst zur Unterhaltung feilgeboten. Genieße dein Symptom
wie dich selbst.
Das Glanzstück aber ist kein neues
Vieh, sondern eine neue Erkenntnis: Raptoren können denken und miteinander
kommunizieren. "Sie sind schlauer als Affen!", entdeckt Grant. Nur
führt das nicht zu zivilisationskritischen Exkursen über die eigene
Spezies und "das Andere" wie etwa in der Alien-Reihe, stattdessen einfach zu neuem Rabatz
und zu Zitaten aus dem Computerspiel Nanosaur. Saurier-Eier werden gejagt und
müssen heimgeholt werden. Spektakulär eingeführte Flugsaurier
geben ebenfalls Anlass, Computerspiel-Momente auf die Leinwand zu heben und
damit der Zielgruppe ein Extra anzubieten.
Es ist ein bisschen, als ginge es bei
diesem dritten Teil um eine sehr zügige, manchmal dreist stumpfe Grundversorgung
in Sachen Jurassic Park, um eine Art Sensationskino-Methadon-Programm,
mit dem nichts riskiert sein will. Nach knapp 90 Minuten ist das Geschäft
abgewickelt. Wir haben unsere Dosis - mehr war nicht versprochen, mehr wurde
nicht geboten. Was Jurassic
Park III aber bei all
seiner Kürze und offensiven "Oberflächlichkeit" von aufgeblasenem
Müll wie Tomb
Raider unterscheidet,
ist, dass er funktioniert, wie er will, und sich dessen bewusst ist. Und weil
Jurassic Park III im Gegensatz zu Tomb
Raider nicht nur weiß,
woher er kommt und wohin er will, sondern das auch ungerührt transparent
macht, eignet er sich bestens als Anschauungsmaterial zum Verhältnis zwischen
dem derzeitigen "Kino der Attraktionen" und seinem Publikum.
Jan Distelmeyer
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: Die Zeit 32/2001
Jurassic
Park III
USA
2001 - Regie: Joe Johnston - Darsteller: Sam Neill, William H. Macy, Téa
Leoni, Alessandro Nivola, Trevor Morgan, Michael Jeter, John Diehl, Bruce A.
Young, Laura Dern, Taylor Nichols, Mark Harelik, Julio Oscar Mechoso - Länge:
92 min. - Start: 2.8.2001
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