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Katze
im Sack
Falsch und inbrünstig
singen
Florian Schwarz hat das Melodrama hart gekocht:
Sein Debütfilm "Katze im Sack" ist ein lakonisch-dunkles Stück
Kino
Drei Personen, eine Stadt, eine Bar, eine Nacht.
Die Handlungselemente von "Katze im Sack" bleiben übersichtlich,
vielleicht müssen sie das, die inneren Verhältnisse der Figuren sind
ohnehin verworren genug. Viel an Erklärung geliefert wird nicht, warum
das Liebes-, Trieb- und sonstige Leben der drei Nachtgestalten im Zentrum dieses
Films so auf den Hund gekommen ist. Was wir an Biografischem erfahren, ist spärlich.
Karl (Christoph Bach) kommt von irgendwo, vielleicht aus dem Gefängnis,
vielleicht vom Militär, klar wird immerhin so viel, dass er ein Übermaß
an Selbstbewusstsein vor sich herträgt, um eine Menge von Verletzlichkeit
in ihm zu schützen. Schwächen zugeben zu können, ist die Stärke
keines der Beteiligten. Doris (Jule Böwe) arbeitet schon zu lange als Bedienung,
muss die Zudringlichkeiten ihres Chefs und der schmierigen Tresengigolos einstecken
und teilt deshalb manchmal aus, was und wie es ihr gefällt. Am besten gefällt
ihr Brockmann (Walter Kreye), ein alternder Haudegen mit dem Lebensmut dessen,
der weiß, dass ihm nicht mehr viel bleibt vom Leben.
Nicht zufällig ist dieser Brockmann von Beruf
Security-Experte mit einem Hang zum Voyeurismus. Bekanntlich hat die Stadtverwaltung
von Leipzig, Schauplatz dieser auswegslosen Ménage à trois, Mitte
der Neunzigerjahre als eine der ersten in Deutschland die dauerhafte Videoüberwachung
öffentlichen Raumes eingeführt - vor allem mit dem Ziel, Drogendealer,
Bettler, Punks und sonstige unerwünschte Gestalten vom Vorplatz ihres frisch
renovierten Hauptbahnhofs fern zu halten. Der Glanz und die Düsternis:
Das traditionsreiche Bahnhofsgebäude in all seiner schmucken Einkaufsmeilenpracht
bildet den Hintergrund für Beginn und Ende des Films, dazwischen sucht
die Handlung all die Orte auf, die von den kalten Augen der Kameras nicht eingesehen
werden können: die schmutzigen Seitengassen, die schlecht beleuchteten
Straßen in Randlage, die Hinterhöfe voller Mülltonnen. Die Plätze,
die herausfallen aus dem Image der Stadt. Dort ist zwar weniger Helligkeit als
in den transparenten Glaskonstruktionen der offiziellen Repräsentationsarchitektur,
aber das wenige Licht brennt dafür umso intensiver. Dort schließen
die drei Wetten übers Verlieben ab, singen falsch, aber inbrünstig
in Karaokebars und lassen sich beim Sex filmen. Einen "Liebesfilm für
alle, die keine Liebesfilme mögen", nennt Regisseur Florian Schwarz
sein "Hardboiled Melodrama" um Sehnsucht, Verzweiflung und einsames
Sterben am Rinnstein.
Das gelingt ihm immer mit großer Optik (Kamera:
Philipp Sichler), durchweg mit einem sehenswerten Darstellerensemble und leider
nicht immer frei von Klischees. Dann steht der Film sich selbst im Weg in seinem
Bemühen, zu viel auf einmal zu sein: Film noir, Melodram und realistische
Schilderung zugleich, eine kleine Dosis Kälte der Herzen und ein gerütteltes
Maß romantischer Melancholie. Weniger wäre hier, wie so oft, wohl
mehr gewesen.
Seinem Namen macht der Nachwuchsfilmer Schwarz in
seinem Spielfilmdebüt (zugleich Abschlussfilm seines Regiestudiums an der
Filmakademie Ludwigsburg) jedenfalls alle Ehre: "Katze im Sack" ist
ein lakonisch-dunkles Stück Kino, ein nihilistisches Kammerspiel, das mit
seinen zufälligen Begegnungen alle zwischenmenschlichen Bindungen nur als
vergehende erscheinen lässt. Zuneigung ist nur auf Distanz möglich,
lautet die Botschaft, aber vielleicht ist der Abstand von Sitzbank zu Sitzbank
für die Dauer einer Zugfahrt genau der richtige.
Dietmar Kammerer
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: taz vom 14.4.2005
Katze
im Sack
Deutschland
2004 - Regie: Florian Schwarz - Darsteller: Jule Böwe, Christoph Bach,
Walter Kreye, David Scheller, Andrea Cleven, Dirk Borchardt, Thorsten Michaelis,
Laura Charlotte Syniawa, Olaf Burmeister, Marlene Marlow - FSK: ab 16 - Länge:
86 min. - Start: 14.4.2005
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