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King
Kong (1976)
Wenn am Schluss des Films der Phantasie-Affe Kong
(Rick Baker steckte in der Verkleidung) durch Maschinengewehrsalven aus den
Hubschraubern der Nationalgarde niedergestreckt wird, Kong am Boden des World
Trade Center mit geöffneten Augen liegt und seine letzten schweren Herzschläge
zu hören sind, dann stirbt hier nicht etwa eine Kinolegende. Das ganz bestimmt
nicht, wie man an einem weiteren Remake des King-Kong-Mythos 2005 sehen kann,
an Peter Jacksons Adaption des Stoffes. Nein, hier stirbt ein "ewiges"
Kunstprodukt des Kinos für etwas anderes, sozusagen als Demonstrationsobjekt,
als künstliches Opfer für eine Idee, und zwar eine ganz auf die Zeitumstände
zugeschnittene Idee. Wenn Jessica Lange als Dwan die Tränen von den Wangen
laufen und Jeff Bridges seine Mitmenschen als Schweine tituliert, als sie Kong
töten, dann geht es plakativ zu: Kong musste sterben, weil einer in jeder
Hinsicht egozentrischen Menschheit sozusagen das Hemd näher ist als die
Hose.
Kong steht in diesem Remake so eindeutig für
die (unberührte) Natur, die gegen ihren Willen (wenn man denn in dieser
Metapher sprechen will) ihrer Unschuld (natürlich durch Menschen) beraubt
wird, dass dem zeitgenössischen Publikum diese Botschaft kaum entgangen
sein dürfte. Warum?
Ein Schiff ist unterwegs in die Südsee. Ein
Schiff, dessen Besatzung unter Führung des Öl-Multi-Vertreters Wilson
(Charles Grodin) nur eines interessiert: Zuerst dort anzugelangen, wo man riesige
Mengen Öl vermutet. Man erinnere sich: Zur Zeit der Entstehung des Films
sprach man von der sog. "Ölkrise", einer Krise, die zum damaligen
Zeitpunkt in zweierlei Hinsicht von ganz unterschiedlichen Interessengruppen
als solche empfunden wurde. Die arabischen Staaten als Ölproduzenten demonstrierten
Macht, und damit auch ihre Verfügungsgewalt über ihre Ölvorkommen.
Die westlichen Industriestaaten sahen sich - nachdem sie jahrzehntelang fast
problemlos aus den arabischen Staaten den wertvollen Rohstoff geliefert bekamen
- einer Gegenmacht ausgesetzt, die sie nicht wollten. Aber noch andere Interessengruppen
traten auf, Menschen, die gegen den Raubbau an der Natur, gegen Umweltverschmutzung
und gegen das Sterben der Arten protestierten - Wachstumskritiker, aus denen
später in vielen Ländern Bürgerinitiativen und zuletzt die Grünen
entstanden.
Genau in diesem Kontext setzt Guillermins Interpretation
des Kong-Stoffes an - und bietet auch zugleich die Kontrahenten der Geschichte:
den mehr oder weniger skrupellosen Wilson und den Anthropologen und Primantenforscher
Jack Prescott (Jeff Bridges) mit zotteligen Haaren und Vollbart, der sich als
blinder Passagier auf das Schiff begibt, weil er von der Theorie einer bislang
unbekannten Insel im Pazifik ebenso überzeugt ist wie Wilson - wenn auch
aus ganz anderen Gründen.
Diese Insel soll sich hinter einem riesigen Nebelgebiet
verborgen halten, weshalb sie bislang unentdeckt geblieben ist. Prescott aber
weiß, dass auch andere, u.a. Weltumsegler früherer Jahrhunderte,
auf diese Insel gestoßen sein müssen, was er bestimmten ihrer Aufzeichnungen
entnommen hat.
Nun fehlt eigentlich nur noch eine, aber äußerst
wichtige Person für das weitere Geschehen, wenn nicht die wichtigste: eine
schöne Frau. Die finden Wilson und Prescott mitten im Pazifik in einem
Schlauchboot: die blonde Schönheit Dwan (Jessica Lange), eine angehende
Schauspielerin, wie sie sagt, die sich vor einer Explosion auf der Yacht, auf
der sie sich befand, mit dem Schlauchboot retten konnte. Retten konnte sie sich,
wie sie meint - welch Ironie der Geschichte -, weil sie keine Horrorfilme mag.
Denn während die anderen Yacht-Mitfahrer sich einen Film dieses Genres
unter Deck ansahen, weilte Dwan an Deck und konnte sich so retten.
Dass der Primatenforscher als Personifizierung des
Natur- und Artenschutzes und Wilson als typischer Vertreter des ungehemmten
Wirtschaftswachstums eingeführt werden, dürfte bis zu diesem Punkt
des Filmes niemanden mehr überraschen.
Natürlich findet man die geheimnisvolle Insel
und auch ihre bislang ebenso unbekannten dunkelhäutigen Einwohner, die
sich hinter meterhohen, aus Holzstämmen und Bambusrohr gefertigten Schutzmauern
verschanzt haben und - wie eine aus ca. zehn Besatzungsmitgliedern bestehende
Gruppe vom Schiff beobachten kann - bemalt tanzen, singen und trommeln. Prescott
vermutet eine Hochzeitszeremonie - bei der der Bräutigam allerdings noch
fehlt. Prescott weiß um Andeutungen aus den besagten Aufzeichnungen, die
auf einen Riesenaffen hindeuten, der auf der Insel leben soll, und genau in
diesem Affen - Kong - sieht er den Bräutigam. Wie recht
er doch hat.
Ganz im Sinne der Idee - Bedrohung der Natur, aber
auch des Menschen durch ungehemmtes Wirtschaftswachstum - zeigt Guillermin eine
phantastische, gewaltige Natur, durchzogen von Nebelschwaden (gedreht wurde
der Film auf der zu Hawaii gehörenden Insel Kaua'i). Und als Kontrast zeigt
er Wilson, der bereit ist, jeden Widerstand, sei es des ominösen Riesenaffen,
sei es der Einwohner der Insel, zu brechen, um an das begehrte Öl zu kommen.
Als die Einwohner der Insel Dwan des nachts entführen,
um sie Kong als Opfer darzubieten - eine Zeremonie, die in regelmäßigen
Abständen stattfindet, um Kong zu besänftigen - und Kong dieses Opfer
annimmt, macht sich ein Suchtrupp auf, um Kong und Dwan zu finden. Inzwischen
weiß Wilson von seinem Kollegen Bagley (Rene Auberjonois), dass es auf
der Insel kein Öl gibt bzw. erst in 10.000 Jahren gefördert werden
könnte. Wilson muss umsatteln: Um seine Reputation und seinen Job nicht
zu verlieren, entschließt er sich, statt nach Öl zu bohren, Kong
zu fangen und ihn in New York als Sensation zu präsentieren. Mittels einer
riesigen Grube, die man vor dem Zaun des Dorfes aushebt und tarnt, will man
Kong gefangen setzen.
Und Kong? Der ist derart fasziniert von der weißen
Frau Dwan, dass er sie behutsam, fast zärtlich behandelt, sie unter einen
Wasserfall hebt, sie ins Wasser fallen lässt und mit seinem Atem trocknet.
Was nun folgt, dürfte bekannt sein. Jack kann
Dwan während des Kampfes Kongs mit einer Riesenschlange befreien und mit
ihr flüchten. Kong läuft in die Falle und wird nach New York transportiert,
um als "Showstar" missbraucht zu werden. Der Rest ist bekannt.
So sehr die Botschaft des Films glasklar ist, so
mitunter klischeehaft und durch die Charaktere kaum mit Leben gefüllt ist
die Inszenierung selbst. Während einerseits v.a. die Aufnahmen von der
Insel sehr sehenswert sind und die Figur des Kong gut umgesetzt wurde, so blass
und plakativ verschwinden die menschlichen Figuren hinter Charaktermasken, die
allzu deutlich "hinter etwas" oder "für etwas" stehen.
Jeff Bridges hechtet durch den Film als natur- und Kong-schützender Anthropologe,
ohne zur Ruhe zu kommen, sprich: einen wirklichen Charakterkopf zu präsentieren.
Charles Grodin wirkt geradezu wie ein aus einem B-Movie entnommenes Abziehbild
eines skrupellosen Businessman. Dass seine Rolle, dieser Mr. Wilson, bereits
Erfolgsmeldungen Richtung New York absendet, obwohl er noch nicht einmal weiß,
ob auf der Insel Öl zu finden ist, wirkt mehr als unglaubwürdig. Und
Jessica Lange als blonde Schönheit wird in den Film eher als eine Art Joker
eingeführt, den man eben für den Fortgang der Geschichte benötigt.
Dass sie zudem als etwas einfältiges Blondchen, das nur Glamour und Glitter
als Möchtegern-Hollywood-Star im Sinn zu haben scheint, präsentiert
wird, diese Rolle dann aber durch das Mitgefühl mit Kong konterkariert
wird, wirkt an einigen Stellen sogar eher lächerlich. Ein wirklich glaubhaftes
Hin- und Hergerissensein kommt dabei kaum zustande.
Aber vielleicht ist das alles auch gar nicht so wichtig.
Denn die eigentliche Hauptfigur auch dieses Films ist Kong. Und dabei muss ich
eingestehen, dass diese Maske, hinter der sich Rick Baker verbarg, den Rest
der Crew, was Charakterdarstellung angeht, fast aussticht. Welche Ironie der
Geschichte! Die Verlorenheit Kongs angesichts des Eindringens der sog. "Zivilisation"
auf seiner Insel, seine körperliche Überlegenheit, die der zivilisatorischen
Finesse und Hinterhältigkeit nicht standhalten kann, seine tiefe, aber
vergebliche Zuneigung zu der weißen Schönheit, die er schützt
und gleichermaßen besitzen will, was letztlich unmöglich ist - dieses
Verhängnis kommt selbst in diesem Remake des Klassikers noch deutlich zum
Ausdruck.
Doch obwohl der Film gute zwei Stunden unterhalten
will, gelingt es Guillermin nicht, dieser verhängnisvollen Seite der Geschichte
eine ebenso glaubwürdige Charakterdarstellung der Hauptpersonen beizustellen.
Umso platter wirkt dann z.B. auch die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen
Prescott und Dwan. Umso platter wirkt auch die Darstellung der Inseleinwohner.
• D V D •
Sprachen: Deutsch (Dolby Digital
1.0, Mono) Englisch (Dolby Digital 2.0 Stereo, Stereo) Spanisch (Dolby Digital
1.0, Mono)
Untertitel: Deutsch, Englisch,
Niederländisch, Portugiesisch, Spanisch
Bildformat:
2.35:1
Dolby,
HiFi Sound, PAL, Widescreen, Anamorphic
Laufzeit: 129 Minuten
DVD Erscheinungstermin: 20. August
2002
Die von Kinowelt 2002 editierte
DVD enthält außer einem Trailer und einigen wenigen Bildern in einer
Fotogalerie: nichts an Bonusmaterial. Dass ist umso erstaunlicher und ärgerlicher,
als sich zur Geschichte des Phänomens King Kong doch eine Retrospektive
angeboten hätte.
Auch bezüglich des Bildes
ist Kritik angesagt. Während der Film anfangs mehr als zufriedenstellend
im Bild daherkommt, "verschwimmen" bei den Szenen in New York (während
des dunkel ist) so einige Genauigkeiten. Der Kontrast lässt merklich nach,
Blockrauschen und Nachzieheffekte beherrschen die Szenerie, und das gerade bei
diesen so entscheidenden Szenen des Films am Schluss. Schade drum.
Wertung: 6 von 10 Punkten.
Ulrich Behrens
Dieser Text ist
zuerst erschienen bei:
King
Kong
(King
Kong)
USA
1976, 134 Minuten
Regie:
John Guillermin
Drehbuch:
Lorenzo Semple Jr, 1933: James Ashmore Creelman, Ruth Rose, nach einer Idee
von Edgar Wallace und Merian C. Cooper
Musik:
John Barry
Kamera:
Richard H. Kline
Schnitt:
Ralph E. Winters
Darsteller:
Jeff Bridges (Jack Prescott), Charles Grodin (Fred Wilson), Jessica Lange (Dwan),
John Randolph (Kapitän Ross), Rene Auberjonois (Roy Bagley), Julius Harris
(Boan), Ed Lauter (Carnahan)
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