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King
Kong
(2005)
Jacksons geniales
Remake
Die Produktionsfirma UIP wirbt für "King
Kong" mit der Zeile: "Das achte Weltwunder." Und dies stimmt
für Peter Jacksons Remake des Klassikers in zweierlei Hinsicht - nämlich
nicht nur für eine der größten Phantasiegestalten der Filmgeschichte,
eben jenen Riesengorilla, sondern auch für die Umsetzung durch Jackson
und vor allem die Bilder dieser Geschichte. "King Kong" verortet das
Kino (erneut nach der Ring-Trilogie), den Kinofilm (wieder) dort, wo er nach
Ansicht mancher Leute hingehört: in das Reich der Phantasie, der Mythen,
der epischen Erzählung (jedenfalls bedingt) und der Tradition all dessen.
Kong ist eine jener Ideen, fiktionalen Geschichten und erdachten phantastischen
Gestalten, die mit der Wirklichkeit des Alltags, der Historie und des Lebens
nichts, mit dem Kino aber alles zu tun haben. So wie in der Kunst ein Gemälde
wie die Mona Lisa, in der klassischen Musik z.B. Beethovens Fünfte oder
in der Literatur etwa der Faust (und vieles mehr) kulturgeschichtliche Traditionen
bilden und in der Breite wie Tiefe von Kulturen unauslöschliche Spuren
hinterlassen haben, gehört die Figur des Kong in der Filmgeschichte und
-kultur zu den einflussreichsten Figuren wie dessen Geschichte zu den unausrottbaren
Erzählungen. Und gerade weil es sich um eine erfundene, realitätsferne
und -fremde Figur handelt, ist diese Tradition so einflussreich und unzerstörbar.
Da verhält es sich mit Kong ebenso wie mit den Märchen der Brüder
Grimm.
Jackson muss dies nicht nur erkannt und gespürt
haben; er hat es in sein Remake der Geschichte, die viel mehr als ein Remake
ist, umgesetzt - und das, obwohl er sich in den wichtigsten Punkten fast schon
penibel an die ursprüngliche Geschichte hält (im Gegensatz zu anderen
Kong-Filmen, wie etwa dem japanischen Film "Die Rückkehr des King
Kong" von 1962 oder in dem amerikanischen Remake von 1976).
Jackson tat im übrigen
gut daran, die Geschichte im Amerika des Jahres 1933 zu belassen, anstatt sie
in die Gegenwart zu transponieren. Die digitale Technik ermöglichte einen
"Wiederaufbau" New Yorks aus dieser Zeit - man sieht u.a. den Time
Square - ebenso wie den "Bau" der phantastischen, von urzeitlichen,
zumeist phantasierten Tieren bevölkerten Insel Skull Island, ohne, um es
vorweg zu sagen, dass die schier unbegrenzten Möglichkeiten der CGI-Technik,
wiederum aus der WETA-Schmiede, wie schon in der Ring-Trilogie, jemals die Oberhand
gewinnen würden über die Geschichte oder die Personen. Jackson ist
ein Meister der gelungenen Verbindung zwischen Erzählung und technischen
Möglichkeiten; letztere dienen ersterer, nicht umgekehrt.
• I N H A L T •
Der erfolglose Filmproduzent Carl
Denham (Jack Black), der seinen Finanziers entkommen will, nachdem er deren
Geld in den Sand gesetzt hat und polizeiliche Verfolgung befürchten muss,
träumt von einem sensationellen Film. Er will nach Skull Island, einer
sagenumwobenen Insel in der Südsee, an deren Existenz er fest glaubt. Eine
alte Karte ist ein vager Anhaltspunkt. Er engagiert Kapitän Englehorn (Thomas
Kretschmann) und seine Crew, angeblich um in Singapur zu drehen. Durch einen
Trick gelingt es ihm, den Drehbuchautoren Driscoll (Adrien Brody) auf dem Schiff zurückzuhalten,
bis es ablegt. Zuvor traf Denham zufällig auf die junge, arbeitslose Schauspielerin
Ann Darrow (Naomi Watts), die er zur Mitfahrt überredet, nachdem seine
eigene Hauptdarstellerin sich weigert, mit auf Fahrt zu gehen. An Bord befinden
sich zudem die Crew Denhams und auch der eitle Darsteller Bruce Baxter (Kyle
Chandler) sowie Denhams Assistent Preston (Colin Hanks).
Erst als das Schiff schon etliche Wochen unterwegs
ist, verkündet Denham Kapitän Englehorn, er wolle gar nicht nach Singapur.
Und tatsächlich stößt man schließlich auf die von Nebel
umgebende geheimnisvolle Insel Skull Island, auf die Ureinwohner, die nicht
gerade friedlich gesinnt sind, und schließlich auch auf exotisch anmutende,
urzeitliche Tiere aller Art. Und auf Kong, den Herrscher der Insel, dem die
Einwohner regelmäßig Opfer darbringen. Sie entführen die blonde
Ann Darrow, um sie Kong zu opfern.
Der Rest der Geschichte ist bekannt
...
• I N S Z E N I E
R U N G •
"King Kong", dessen Visualisierung ein
für Peter Jackson lang gehegter Traum war, dessen Realisierung ihm allerdings
vor einigen Jahren schon einmal verweigert wurde, ist ein Film, der in drei
großen Teilen mit zunehmender Spannung inszeniert wurde: die Vorgeschichte
bis zur Ankunft auf Skull Island, die Ereignisse dort und die Ereignisse nach
der Rückkehr mit Kong in New York. Jeder dieser Teile hat ein eigenes Flair.
So zeigt Jackson im ersten Teil das New York der Depression, der Armut, die
auch vor den Theatern und Filmstätten nicht halt machen. Er zeigt einen
Filmproduzenten, der nicht nur einen Traum hat, sondern dessen Realisierung
auch mit allen möglichen Mitteln in egoistischer Manier verfolgt. Jack
Black war da als Schauspieler die richtige Wahl. Die Verschmitztheit, Gerissenheit
und der Egoismus dieser Figur werden von Black auf den Punkt gebracht.
Dann folgt der große Mittelteil, in dem Jackson
eine (digital bezaubernd und erstaunlich umgesetzte) Phantasieinsel zeigt, mit
Einwohnern, die eher wie fantastische Gestalten aus der Ring-Trilogie erscheinen
denn als wirkliche Südseebewohner, mit saurierähnlichen Tieren, Rieseninsekten
und anderen der Phantasie entsprungenen Lebewesen, die die Insel bevölkern.
Und last but not least einen Kong, der einem echten Gorilla nicht nur im Aussehen,
sondern auch im Verhalten so ähnlich ist, das man ihn fast für echt
halten könnte (mit Andy Serkis im Kostüm, digital aufbereitet). Zu
den schönsten und spannendsten Szenen dieses Mittelteils gehört z.B.
eine Szene, in der die Eindringlinge aus New York in einem schmalen Weg zwischen
steil herauf ragenden Felsen einen horrormäßigen Wettlauf mit Sauriern
überstehen müssen. Oder eine Szene, in der King Kong im Kampf mit
diesen Sauriern in einem Abgrund sich von Liane zu Liane hangelt und gleichzeitig
darauf achten muss, dass Ann nicht abstürzt. Grandios gemacht. Eine weitere
Szene zeigt die Eindringlinge in einer Schlucht im Kampf mit übergroßen
insektenähnlichen und anderen Tieren.
Der zentrale Punkt allerdings dieses mittleren Teils
des Films ist die Beziehung zwischen Kong und Ann, auf die Jackson sehr viel
Wert gelegt hat. Dazu gehört die langsame Annäherung der beiden, die
Verwunderung Kongs darüber, dass er sich irgendwie zu dieser weißen
Frau hingezogen fühlt, während Ann allmählich bewusst wird, dass
der Riese, der ihr da gegenübersteht, zwar ein gefährlicher König
des Urwalds ist, ihr aber nichts antun würde. Sie tanzt vor ihm, er kippt
sie einigermaßen behutsam um und lacht dabei - and so on.
In der ersten zentralen Szene des Films sitzt Kong
nach den kräftezehrenden Kämpfen auf einem Felsvorsprung, Ann steht
zunächst neben ihm, bis er seine riesige Hand öffnet und Ann sich
hineinsetzt. Beide schauen über die Insel hinaus aufs Meer, als die Sonne
langsam untergeht - ein Bild der Ruhe, des Friedens, sogar in gewisser Hinsicht
des Verstehens. Und es ist völlig unwichtig, dass in der Wirklichkeit Affen
kein Fleisch essen, nie so groß werden wie Kong und schon gar keine Liebe
zu Menschen entwickeln können, wie Anthropologen und Biologen immer wieder
- auch wenn mal wieder ein solcher Film in die Kinos kam - versichert haben.
Jackson inszeniert diesen Mittelteil des Films in
einem Wechsel von solchen ruhigen Szenen und fast schon actiongeladenen Verfolgungsjagden,
auch mit einer guten Portion Humor. Als Ann anfangs Kong noch entkommen kann,
flüchtet sie über die Insel und trifft auf ein gefährliches Untier
nach dem anderen. Diese Szenenfolgen sind einerseits Horror (für Ann) und
andererseits Komik (fürs Publikum) - eine fast schon dem Slapstick ähnliche
Episode, die einfach zum Lachen reizt.
Der letzte Teil (New York) steht im Zeichen der Tragik
für King Kong und kulminiert in der Szene auf dem Empire State Building,
wo es für kurze Zeit nochmals zur Begegnung zwischen Kong und Ann kommt,
zu einer nur wenige Sekunden dauernden Ruhe, als beide über die Stadt schauen
und Ann - wie in der Szene auf dem Felsen der Insel - sich an die Brust klopft
und so etwas sagt wie "Das ist schön", bevor Jagdflieger Kong
abschießen und sich die Pressemeute und Neugierige auf seiner Leiche des
Sieges brüsten.
Was mich an Jacksons Inszenierung im besonderen -
neben der grandiosen Umsetzung mittels CGI - faszinierte, gehört vielleicht
überhaupt zum Phantastischen an der Geschichte selbst. Es ist die krasse
Gegenüberstellung von Archaischem und Zivilisatorischem. Gerade unter der
Bedingung einer erfundenen und am Realitätsmaßstab orientiert "unrealistischen"
Erzählung kommen in Jacksons Inszenierung die Elemente dieses Gegensatzes
deutlich zum Ausdruck: das Ursprüngliche, Naturverhaftete, Archaische,
Gewaltige und nicht zuletzt in einem archaischen (nicht zivilisatorischen) Sinn
Gewalt-Tätige hier, die Verschlagenheit, Kälte, das Unverständnis,
Brutale und Egoistische, aber eben dem Archaischen Überlegene dort. Dazwischen
steht eine Frau, die nach und nach die Tragik erkennt, als beide dieser Welten
aufeinander stoßen, die Kong retten will und doch weiß, dass sie
machtlos ist.
Man könnte dies auch in der Hinsicht deuten,
dass die zivilisierten Menschen gegen ihre eigenen Ursprünge nicht nur
rebellieren, sondern sie vernichten wollen. Für Denham ist Kong nichts
weiter als eine gefährliche Attraktion, die man durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen
in den Griff bekommen könne. Dass er sich irrt, bedeutet nicht nur den
Tod Kongs, sondern auch der Illusion, dass sich der zivilisierte Mensch seiner
archaischen Ursprünge bewusst wird. Der kolonisierende und dadurch eben
auch tötende Mensch kann Skull Island nicht so belassen, wie es ist. Er
hat einen inneren Zwang, es zu erobern und dadurch zu zerstören.
Der Blick Kongs auf der Insel vom Felsen aus auf
das Meer und den Sonnenuntergang hingegen repräsentiert nicht nur eine
Phase der Ruhe, sondern auch die naturwüchsige, wenn auch unbewusste, nicht
durch Reflexion gewinnbare Übereinstimmung mit seiner Umgebung. Demgegenüber
steht die Unfähigkeit des zivilisatorischen Menschen, auf einer "höheren"
Ebene und Entwicklungsstufe, eine solche Übereinstimmung zu denken und
zu praktizieren. Das "Bindeglied" Ann, die weiße, blonde Frau
ist hier zum Scheitern verurteilt. Naomi Watts war ebenfalls eine optimale Besetzung
für die Rolle der Ann Darrow. Das zumeist "stille" Verstehen
zwischen ihrer Ann und Kong bringt diese Annäherung zweier Welten glänzend
zum Ausdruck.
Die ursprüngliche Geschichte geht davon aus,
dass Kong sich in irgendeiner Weise in diese weiße Frau verliebt. Aber
in Jacksons Inszenierung wird dies undeutlicher. Es ist eher eine unbestimmbare
Regung, ein für Kong neuartiges Erleben, eine Art undeutliche Anziehungskraft
durch das ihm Fremde, das plötzlich nicht mehr nur Nahrung, sondern etwas
Belebtes ist, die sein Verhältnis zu Ann bestimmt, ein tierisches Gefühl,
dem er einfach nachgibt und aufgrund dessen er Ann in jeder Hinsicht beschützt,
rettet usw. Und insofern liegt in beider Beziehung eher so etwas wie die sinnbildlichen
Zeigefinger von Archaischem, der Natur Verhaftetem hier und Zivilisatorischem
dort, die sich plötzlich berühren und dadurch auf ganz unterschiedliche
Weise neue Erfahrungen erzeugen.
So erhält das Phantastische, Groteske, Erfundene,
künstlich Erzeugte eben doch wieder einen Bezug zur Realität. Und
das macht tatsächliches großes, gutes Kino aus.
Wertung: 10 von 10 Punkten.
Prädikat: Besonders wertvoll.
Ulrich Behrens
Dieser Text ist zuerst erschienen
in:
Zu diesem Film gibt's im archiv mehrere Texte
King
Kong
(King
Kong)
Neuseeland,
USA, 2005, 187 Minuten
Regie:
Peter Jackson
Drehbuch:
Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, nach der Geschichte von Merian C.
Cooper und Edgar Wallace
Musik:
James
Kamera:
Andrew Lesnie
Schnitt:
Jamie Selkirk
Darsteller:
Naomi Watts (Ann Darrow), Jack Black (Carl Denham), Adrien Brody (Jack Driscoll),
Thomas Kretschmann (Kapitän Englehorn), Colin Hanks (Preston), Andy Serkis
(Kong / Lumpy), Evan Parke (Hayes), Jamie Bell (Jimmy), Lobo Chan (Choy), John
Summer (Herb), Craig Hall (Mike), Kyle Chandler (Bruce Baxter)
©
Ulrich Behrens 2005
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