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Kippenberger
– Der Film
Jörg Kobels
Porträt des malenden und performenden Installationskünstlers
Der 1997 verstorbene Martin Kippenberger ist ein
Künstler aus einer nun auch schon wieder sehr anderen Zeit. Einer von denen,
die den Diskurs der ästhetischen Produktion zu öffnen versuchten,
hin zum Pop, hin zum Mainstream, hin zum Alltag, und die dabei mehr als die
Hände voll zu tun hatten, sich dann wieder vor der Vereinnahmung zu schützen.
Das unter anderem mag in der so gern zitierten Metapher von der Kerze, die an
beiden Seiten brennt, gemeint sein, vom persönlichen Verbrennen ganz abgesehen.
Das Leben war Kunst, und die Kunst wurde zum Leben, das Hohe und das Niedere
in der Kultur wurden, erbarmungslos hier und dort, miteinander kurzgeschlossen.
Und ob eines von Kippenbergers Werken oder einer seiner Auftritte, wenn das
zu trennen ist, große Kunst, eine kleine Alberei, eine geniale Verweigerung
oder ein triviales Statement wurde, das entschied sich zumeist erst im Nachhinein.
Es gehörte in jedem Fall dazu, und eben das war es wohl auch, was Martin
Kippenberger mit dem Gestus von Punk verband.
Die Frage, ob eine Kunstrevolte à la Kippenberger
nun „erfolgreich" war, oder ob sie „scheitern" musste, für sich
oder in Zusammenhang mit der Punk-Revolte, bleibt erst einmal dahingestellt.
Wir fangen ja gerade erst an, uns Gedanken darüber zu machen, und so was
dauert. In KIPPENBERGER - DER FILM von Jörg Kobel wird dieser Prozess begonnen
- etwa in den Statement-Beiträgen von Diedrich Diedrichsen oder Christoph
Schlingensief-, aber mehr noch lässt sich der Film auf das eigentliche
Medium, auf die Person des Künstlers in einer Art von Dauerperformance
ein, die weder für die Weggefährten noch für jene, die Kippenbergers
Kunstweg kreuzten, immer nur erfreulich gewesen sein mag. Der Kerl konnte, anders
gesagt, ziemlich bösartig sein, und anders als in den Künstlergenerationen
zuvor konnte es nicht die moralisch perfekt unterfütterte Bösartigkeit
der wahren Kunst gegen die verlogene Gesellschaft sein. Wenn man die Diskurse
öffnet, entsteht, das ist der Preis, eine Art von „schmutziger" Kunst.
Denn die Andy Warholsche Reinheit in diesem Gestus ist zwar zu bewundern, aber
nicht ohne weiteres zu imitieren: Kippenberger musste sich dort hineinwerfen,
wo Warhol die Rolle eines gleichsam unbeteiligten Mittelpunktes einnehmen konnte.
Und die öffentliche Meinung, davon spricht Schlingensief am Ende, kann
das schließlich nur als „Provokation", als etwas trashige Wiederholung
des alten Bürgerschreckspiels, zur Kenntnis nehmen.
Dass in diesem Kunstgestus mehr, ja vielleicht auch
sogar das genaue Gegenteil steckt, die Sehnsucht nach einem Dialog zwischen
Kunst und Alltag, nach Nicht-Distanz und Nicht-Elite, das macht der Film am
ehesten durch seine Form deutlich. Er enthält, natürlich, die traditionellen
Ingredienzien des Künstlerfilms: Zeitdokumente, Zitate der Kunstwerke,
Interviews mit Freunden, Lehrern, Verwandten und Geliebten, Statements von Kollegen
und Theoretikern, dazwischen freiere Passagen. Auf einen belehrenden Kommentar
verzichtet der Film, beinahe hätte ich gesagt: natürlich. Mehr noch
als auf die Zutaten kommt es in diesem Genre auf die Kunst der Komposition an,
und was das anbelangt, hat Kobel seinen eigenen Stil und eine Dramaturgie, die
bemerkenswert off-beat und sehr jenseits der gewohnten TV-Features ist. Was
nicht passt, wird hier auch nicht passend gemacht. Wenn man sich darauf einlässt,
bekommt selbst der Zuschauer ohne großes Vorwissen ein plastisches, vielschichtiges
und dramatisches Bild eines Künstlers, bei dem sich die ästhetische
Zeitgeschichte noch nicht entschlossen hat, ob er als Ausnahme oder als Symptom
behandelt werden wird. Einen Klassiker, so viel ist sicher, macht auch dieser
Film aus Martin Kippenberger nicht.
Georg Seeßlen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film 7/2006
Zur DVD: Außer einem offenbar von Kippenberger selbst erstellten Lebenslauf, in welchem biografische und künstlerische Daten und Fakten, die für noch mindestens einen zweiten Kippenberger-Film ausreichen würden, aufgezählt werden, gibt es als Zusatzmaterial auf der DVD nur einen "Bonusclip", der höchstens Hardcore-Kippenberger-Fans hinter dem Ofen hervorlocken wird. Aber das macht ja auch nichts, solange der Hauptfilm für genügend Qualität und Quantität bürgt.
Andreas Thomas, filmzentrale
Kippenberger
- Der Film
Deutschland/Österreich
2005. R und B: Jörg Kobel. K: Ralf M. Mendle, Vita Spieß. Sch: Barbette
Rosenbaum. M: Dürbeck & Dohmen. Pg: Barbarossafilm. V: Real Fiction.
L: 75 Min. Mit: Diedrich Diederichsen, Kasper König, Christoph Schlingensief,
Michel Würthle, Gisela Capitain und anderen.
Start:
15.6. 2006(D)
DVD-Ausstattung: Die DVD kommt am 13.7.2007 heraus bei: absolut Medien: www.absolutmedien.de |
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