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Kiss
Kiss, Bang Bang
Actionfans werden sich an Shane Black erinnern. Sein
Drehbuch zu LETHAL WEAPON (1987), im Prinzip die Vorlage für das Erfolgsrezept
der modernen Actionkomödie, machte Black mit Mitte 20 zum bestbezahlten
Autor Hollywoods. Danach geriet das Wunderkind ins Straucheln. THE
LAST BOY SCOUT (1991) mit Bruce Willis
– Black soll von Joel Silver 1,75 Millionen Dollar für das Skript erhalten
haben – blieb kommerziell hinter den Erwartungen. Das selbstironische Schwarzenegger-Vehikel
LAST ACTION
HERO (1993) wurde für seine
augenzwinkernde Grundhaltung an der Kinokasse regelrecht abgestraft. Und dann
kam Quentin Tarantino. Coolness buchstabierte sich im Große-Jungs-Kino
fortan anders. Black, von Selbstzweifeln und Schreibblockaden geplagt, verschwand
für 8 Jahre fast völlig von der Bildfläche.
In seinem gelungenen Comeback – die Regie hat er
diesmal gleich selbst übernommen – finden sich alle Zutaten der früheren
Drehbücher wieder: ein ungleiches männliches Duo, das sich aufgrund
widriger Umstände zusammenraufen muss, lakonische Gewaltausbrüche
und ein pointensicherer, zynischer Dialogwitz (der in der deutschen Fassung
leiden dürfte). Der harmlose Kleinganove Harry (Robert Downey Jr.) platzt
auf der Flucht vor der Polizei ins Casting eines Hollywood-Krimis und wird dank
seines unwillkürlichen method
actings umgehend für Probeaufnahmen
nach L.A. geschickt. "Gay" Perry (Val Kilmer), ein schwuler Privatdetektiv,
soll ihm dort authentische Einblicke ins Ermittlerleben gewähren. Auf einer
Party trifft Harry auf seine Jugendliebe Harmony Faith (Michelle Monaghan),
die sich als Schauspielerin in Werbespots durchschlägt. Zu dritt verstricken
sie sich in einen zunehmend undurchsichtigen Krimi-Plot um ein totes Partygirl,
das plötzlich unter Harrys Dusche liegt. Ein Video mit dem schönen
Titel "Lord of the Cock Rings", ein abgetrennter Finger, Russisch
Roulette vor einer Nervenklinik und Penisfolter sind weitere Stationen ihrer
absurden Odyssee.
Die Geschichte in Hollywood anzusiedeln bietet reichlich
Gelegenheit, ironische Seitenhiebe gegen das Business zu platzieren. Und die
Hauptrolle hat Black mit einem Schauspieler besetzt, der aus eigener Erfahrung
weiß, was es heißt, in dieser Stadt ins Straucheln zu geraten. Robert
Downey Jr., in bester Spiellaune, sexy und charmant, bringt seine private Star-Persona
ein und fungiert zugleich als Alter Ego des Autors. Als Harry darf er einen
Meta-Kommentator aus dem Off beisteuern, der einzelne Szenen und sogar die dramaturgischen
Qualitäten des Plots kritisiert. Das ist nicht nur außerordentlich
witzig, sondern überzeugt vor allem durch die Raffinesse, mit der Black
großen Vorbildern huldigt. Sein Drehbuch übernimmt Personal und Konstellationen
des Film Noir, und der Film beginnt mit einem wunderschönen, cooljazzigen
Vorspann, der in seiner grafischen Gestaltung an die Arbeiten von Saul Bass
erinnert. Sympathisch ist auch das Understatement der Inszenierung: Stunts und
Schusswechsel sind niemals over the
top, CGI sucht man vergeblich, und
der Tod bleibt trotz des bösen Humors eine schmerzhafte Angelegenheit.
Spätestens wenn gestorben wird, ist hier in der Regel Schluss mit lustig.
Leichte Bauchschmerzen verursachen allerdings andere
Black-typische Elemente, vor allem die nonchalant präsentierte Frauenfeindlichkeit:
Mit weiblichen Toten stellt Harry, zur Belustigung des Publikums, recht unappetitliche
Dinge an. Richtig böse sein kann man ihm dafür nicht. Selbst wenn
Harry der völlig aufgelösten Harmony beim Trösten in den Ausschnitt
starrt, bleibt er vor allem ein hoffnungsloser Romantiker. Wie Blacks frühere
Actionhelden ist Harry ein zynischer, aber grundsympathischer Loser. Neu ist
allerdings, dass dieser Held den Kopf einzieht, sobald es brenzlig wird. Auch
sonst sind die letzten Jahre am bewährten Erfolgsrezept nicht spurlos vorüber
gegangen. Die bei Joel Silver-Produktionen obligatorischen Schwulenwitze darf
der von Val Kilmer hinreißend gespielte schwule Sidekick immerhin gleich
selbst besorgen. Tiefenpsychologisch, wenn man denn unbedingt will, spielt KISS
KISS, BANG BANG zudem recht geschickt mit männlichen Kastrations- und Verlustängsten,
mit unterschwelligem Hass auf den Vater und dem Motiv der dysfunktionalen Familie.
Black hat eine modernisierte Autorenfilm-Version der klassischen Buddy-Actionkomödie
gedreht. Das ist doch was.
Klassische Buddy-Action
trifft Autorenfilm: Das Regiedebüt des ehemaligen Drehbuch-Wunderkinds
Shane Black ist eine originelle, vor Dialogwitz und schwarzem Humor sprühende
Verbeugung vor dem Film Noir und zugleich eine Abrechnung mit den exzentrischen
Seiten Hollywoods.
André Götz
Dieser Text ist
in gekürzter Form auch erschienen in: epd Film
Kiss
Kiss, Bang Bang
USA
2005 - Regie: Shane Black - Darsteller: Robert Downey Jr., Val Kilmer, Michelle
Monaghan, Corbin Bernsen, Dash Mihok, Larry Miller, Rockmond Dunbar, Shannyn
Sossamon - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 102
min. - Start: 20.10.2005
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