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Klassenleben
Normalität
lernen
Begabte
Kinder, behinderte Kinder, eine Schulklasse. Ein Klassenmodell. Die Normalität
könnte beinahe normaler nicht sein. Zwölfjährige sehen sich konfrontiert
mit dem Lernen; die einen üben Kommaregeln, die anderen das Lesen. Weit
ab von diesen Differenzen erfahren sie alle, die Verschiedenheiten zwischen
Menschen ein Stück weit aufzuheben. Aber sie lernen nicht die Unbefangenheit,
die in einer sich immer differenzierter entwickelnden Zeit verloren zu gehen
scheint. Stattdessen werden in einer Entwicklungsphase, in der Berührungsängste
und Vorurteile noch weitgehend unausgeprägt sind, diese gar nicht erst
geschürt.
Siegert
schafft es, die unterschiedlichen Beziehungen einer in ihrer Zusammensetzung
bis heute ungewöhnlichen Schulklasse authentisch wiederzugeben; nichts
wirkt aufgesetzt, alles ohne Maske. Er verzichtet konsequent darauf, sich den
sozialen Strukturen der Protagonisten zu nähern. Somit kann er zwar eine
emotionale Ebene nur in Ansätzen entwickeln; im Gegenzug gelingt ihm gerade
deshalb der Zugang zu der Atmosphäre der Klasse. Dem steht allerdings eine
eher grob anmutende Tonebene entgegen. Sanftes Klavierspiel, wenn auch zeitlich
entkoppelt, steht im Kontrast zu technisierten Rhythmen, ABBA gibt sich ein
Stelldichein. All dies spiegelt zwar die Vielfalt der Schüler wider, forciert
jedoch mehr die Wahrnehmung der Differenzen denn der Integrität.
"Klassenleben"
ist daher eine inhaltsreiche, in ihrer Wirkung teils widersprüchliche Dokumentation
der Realität, die in sich selbst an ihre Grenze stößt; ein Filmdokument,
das nicht einfach gesellschaftliche Probleme, sondern vielmehr einen möglichen
Umbruch darstellt. Mit einer zurückhaltenden, gefühlvollen Bildsprache
zeigt Siegert offene, mitunter bis heute belächelte Lernmethoden. Inwieweit
damit eine breitere Masse erreicht werden kann, bleibt aufgrund der allgemeinen
Kenntnis der Sachlage fraglich, wenn auch wünschenswert.
Wie
bereits "Berlin Babylon" unter Architekten, so wird "Klassenleben"
unter Pädagogen großen Zuspruch erfahren und vielleicht den ein oder
anderen Fremden für ein Thema sensibilisieren, das allmählich immer
ernsthafter und bewußter diskutiert wird.
Christian
Lailach
Dieser Text ist zuerst erschienen im Schnitt
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Klassenleben
Deutschland
2005, 87 min., 35 mm, 1:1,66, Dolby Digital
Buch
und Regie: Hubertus Siegert
Kamera:
Armin Fausten, Schnitt: Bernd Euscher
Produzent:
Hubertus Siegert
Darsteller:
Schülerinnen und Schüler der Klasse 5d der Fläming-Schule (2004),
Klassenlehrerin: Gudrun Haase
Start
1.9.2005
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