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Die
Körperfresser kommen
Wer
einschläft, ist verloren
Als
1956 Don Siegels Interpretation des Romans von Jack Finney über die Außerirdischen,
die sich langsam der Menschheit bemächtigen, in die Kinos kam, interpretierten
einige den Film als Kritik an der McCarthy-Ära, an der Verfolgung Andersdenkender
durch deren Beschuldigung als Kommunisten, an zunehmender Konformität und
am Verlust von Individualität. Aber auch eine entgegengesetzte Lesart war
durchaus möglich: Die Aliens als filmische Stellvertreter von Kommunismus,
die die Emotionalität und Individualität von Menschen zerstören
wollten. Kevin McCarthy und Dana Wynter spielten damals die Hauptrollen in „Invasion
of the Body Snatchers”.
Zwei
Remakes folgten: 1978 durch Philip Kaufman und 1994 durch Abel Ferrara.
Inhalt
Eine
zarte, wohlriechende Blume, gefunden, mitgenommen. Tausende und Abertausende
fallen, fast unbemerkt, vom Himmel, wie ein göttliches Geschenk. Die Biologin
Elizabeth Driscoll (Brooke Adams) hebt sie auf, nimmt sie mit nach Hause, zeigt
sie ihrem Freund Geoffrey Howell (Art Hindle), der sich jedoch kaum dafür
interessiert. Sie stellt die Blume in ein Glas Wasser neben sich auf den Nachttisch.
Zur gleichen Zeit verlässt ein Beamter der Gesundheitsbehörde, Matthew
Bennell (Donald Sutherland), ein französisches Restaurant, in dem er –
ausgerechnet er – eine Ratte beobachtet hatte, und stellt fest, dass irgend
jemand die Frontscheibe seines Wagens zerstört hat.
Am
nächsten Morgen ist Geoffrey verändert. Er redet nicht mit Elizabeth,
räumt Glasscherben weg, bringt den Müll hinunter und verschwindet.
Am Abend habe er ein Treffen, sagt er. Und Elizabeth ist verwundert, denn eigentlich
wollten sie zum Basketballspiel. Sie erzählt Matthew, dass Geoffrey nicht
mehr der sei, der er einmal war, dass er keine Emotionen mehr zu haben scheine.
Wenig
später erzählt der Besitzer einer chinesischen Wäscherei in San
Francisco, wo wir uns befinden, Matthew, der dort regelmäßig seine
Wäsche abgibt, etwas ähnliches über seine Frau wie Elizabeth
über Geoffrey. Einen Freund Matthews, der Psychiater Dr. David Kibner (Leonard
Nimoy), der gerade sein neuestes Buch vorstellt, bittet eine Mrs. Hendley (Lelia
Goldoni) um Hilfe, weil ihr Mann sich angeblich völlig verändert habe.
Ja, sie behauptet, der neben ihr sei nicht ihr Mann.
Dr.
Kibner nimmt dies alles nicht besonders ernst, denn er glaubt nicht an irgend
etwas Außergewöhnliches oder Übersinnliches. Er meint, es handle
sich um Ängste, seelische Probleme oder ähnliches.
Elizabeth
hat Angst, ist verzweifelt. Und Matthew muss feststellen, dass sich der Wäschereibesitzer,
der über die Veränderung seiner Frau beunruhigt war, sich plötzlich
selbst verändert hat. Als er die Behörden einschaltet, muss er feststellen,
dass sich auch dort einige(s) verändert hat ...
Inszenierung
Natürlich
merkt man rasch, was in San Francisco vor sich geht. Der Stoff taugt nicht für
allzu lang unter Verschluss gehaltene Geheimnisse. Eine fremde Spezies hat sich
über die Blumen auf der Erde festgesetzt, um dort eine neue Existenz zu
gründen. Aus den Blumen entwickeln sich Humanduplikate, die jeweils einem
bestimmten Menschen ähnlich sehen. Während ein Mensch schläft,
dringen diese Duplikate mit Hilfe ihrer Tentakel in den menschlichen Körper,
saugen alles aus ihm heraus. Von einem Menschen bleibt nichts als eine leere
Hülle. In der Gestalt dieses Menschen, aber mit einer eigenen Mentalität
bevölkern die Außerirdischen immer weitere Landstriche.
Ihre
Mentalität ist kurz beschrieben: Gefühllosigkeit, Kälte, Machtwillen,
Skrupellosigkeit. Kaufman zeigt uns eine ganz normale Großstadt mit ganz
normalen Menschen, in die die Aliens zunächst fast unmerklich, dann aber
umso beängstigender eindringen. Überall finden sich die Kapseln, aus
denen sich die Duplikate pellen. Michael Chapmans Bilder entfalten – in einer
Großstadt! – eine klaustrophobische Atmosphäre. Einer nach dem anderen
wird ersetzt. Zum Schluss bleiben nur Matthew, Elizabeth, Jack und Nancy, zwei
Freunde Matthews. Besonders gut gelungen ist eine Szene, in der Matthew nachts
im Garten sitzt, einschläft und „sein Alien” drauf und dran ist, sich seiner
zu bemächtigen.
Kaufman
zeigt aber auch die Ausweglosigkeit der Situation. Tatsächlich „kippt”
der Film ab einem bestimmten Punkt in diese Hoffnungslosigkeit. Oder anders
formuliert: Ab einem bestimmten Zeitpunkt weiß man, dass die restlichen
Menschen keine Chance haben, ihrem Schicksal zu entgehen. Die Aliens benötigen
keine Waffen, sie sind ihre eigene Waffe, gegen die die verbleibenden Menschen
keine Gegenwehr entwickeln können – bis zum fast schon berühmt gewordenen
Fingerzeig und Schrei Matthews.
Brooke
Adams liefert eine Glanzleistung in diesem Film als verzweifelte, aber dennoch
entschlossen gegen die drohende emotionslose Welt ankämpfende Biologin.
Donald Sutherland spielt routiniert, aber überzeugend einen Mann, der bis
zum bitteren Ende kämpft. Leonard Nimoy erweist sich (fernab seiner wohl
berühmtesten Rolle als Spock) einmal mehr als Charakterdarsteller, hier
in der Rolle eines Psychiaters, dessen Charakter vor und nach der Verwandlung
kaum zu unterscheiden ist.
Fazit
Insgesamt
ein (immer mal wieder) sehenswerter Film zwischen Sciencefiction und Horror
und eines der wenige Remakes, die dem Original in fast nichts nachstehen.
Wertung:
9,5 von 10 Punkten.
Ulrich
Behrens
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Die
Körperfresser kommen
(Invasion
of the Body Snatchers)
USA
1978, 115 Minuten
Regie:
Philip Kaufman
Drehbuch:
W. D. Richter, nach dem Roman von Jack Finney
Musik:
Denny Zeitlin
Director
of Photography: Michael Chapman
Schnitt:
Douglas Stewart
Produktionsdesign:
Charles Rosen
Darsteller:
Donald Sutherland (Matthew Bennell), Brooke Adams (Elizabeth Driscoll), Jeff
Goldblum (Jack Bellicec), Veronica Cartwright (Nancy Bellicec), Leonard Nimoy
(Dr. David Kibner), Art Hindle (Dr. Geoffrey Howell), Lelia Goldoni (Katherine
Hendley)
Internet
Movie Database:
http://german.imdb.com/title/tt0077745
©
Ulrich Behrens 2004
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