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Kreuz
und queer
Schwule,
Lesben, Heteros in einem Liebesfilm von Rose Troche
Dass
das Leben im Allgemeinen schlechtes Fernsehen nachahmt, ist mittlerweile akzeptiert.
Manchmal verhält es sich aber umgekehrt, und dann schlagen sich veränderte
Lebensweisen in abgewandelten künstlerischen Formen nieder. So hat die
fortschreitende Auflösung lebenslanger Paarbeziehungen und die damit einhergehende
Vervielfältigung individueller Beziehungsaktivitäten einige Mutationen
des Liebesfilms hervorgebracht, die das Grundmuster der romantic
comedy
erweitern - etwa um die Soap oder um das, was wir hier den Romantischen-Gruppen-Film
nennen wollen.
Nun
hat der Romantische-Gruppen-Film wie auch die Soap, eine Affinität zur
Homosexualität. Einmal, weil die Buntheit des Lebens im RGF von der Vielfalt
der Lebensformen parasitär profitiert. Aber auch, weil Schwule, Lesben
und vor allem Bisexuelle mögliche Verwicklungen und Kombinationen auf atemberaubende
Weise potenzieren. Meistens bleiben diese Figuren dabei Beiwerk. Oder es handelt
sich gleich um einen Schwulen-/Lesbenfilm. Eher selten ist es, dass in eine
mehrheitlich homosexuelle Szenerie auch heterosexuelle Charaktere Aufnahme finden.
Die
Regisseurin Rose Troche hatte 1994 mit ihrem Debütfilm Go
Fish
einen Instant-Treffer in der Lesbenszene gelandet. Der einfallsreich inszenierte
Schwarzweiß-Film thematisierte neben der üblichen Liebesgeschichte
auch intelligent einige eingefahrene Szenetabus und -mechanismen. Go
Fish,
der bei uns nie regulär ins Kino kam, war einschließlich Montage
ein Autorinnenfilm. Das Buch zu Kreuz
und Queer,
das erste Filmprojekt der beiden Produzentinnen Ceci Dempsey und Dorothy Berwin,
schrieb Robert Farrar, Autor der Romanvorlage zu The
Man Who Knew Too Little (Agent Null Null Nix).
Eine Auftragsproduktion also. Farbe. Konventionell erzählt. Trotzdem scheinen
sich in diesem Romantischen-Gruppen-Film, der um eine schwule Londoner Männer-Mini-WG
samt Nachbarin, eine spiritualistische Männergruppe und diverse Ex-Beziehungen
verschiedener sexueller Orientierung kreist, die Talente glücklich verbündet
zu haben. Das Buch sprüht von sarkastischem Witz, die Typenpalette spielt
alle Klischees von der Tunte bis zum schönen Macho-Iren souverän durch,
und die Verwicklungen sind so aberwitzig konstruiert, dass wir sie sofort als
Vorbild für unser Leben akzeptieren würden. Immer wieder steht dabei
die Frage nach der Gültigkeit sexueller Zuordnungen im Raum, eine Frage,
die hier - trotz allen Humors - ernsthaft gestellt wird und einmal nicht nur
zum Vorwand für dramaturgische Volten dient.
Visuell
nicht aufregend, ist dieser Film eher sehenswert wegen dem, was er, als dem,
wie er es zeigt. Die intimen Einblicke in die geheimnisvolle Welt der Männergruppe
etwa, die zum Wilde-Kerle-Wochenende in den Stadtwald zieht, scheint mir im
Spielfilm eine Novität. Der Sprachwitz der britischen Originalfassung ist
allerdings, wie so oft, in der Synchronfassung durch aufgesetzte Humorismen
einigermaßen getrübt.
Silvia
Hallensleben
Dieser
Text ist zuerst erschienen in epd Film
Kreuz
und Queer
bedrooms
& hallways
Großbritannien
1998. R: Rose Troche. B: Robert Farrar. P: Dorothy Berwin, Ceci Dempsey. K:
Ashley Rowe. Sch: Chris Blunden. M:
Alfredo Troche. T:
Ian Voight. A: Richard Bridgland. Ko: Annie Symons. Pg: Pandora Cinema/ARP/BBC.
V: Arthaus. L: 96 Min. FSK: 12, ffr. DA: Kevin McKidd (Leo), Hugo Weaving (Jeremy),
Jennifer Ehle (Sally), Simon Callow (Keith), Harriet Walter (Sybil), Tom Hollander
(Darren), Julie Graham (Angie).
Start:
27.1.2000 (D)
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