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Der
Krieg des Charlie Wilson
Patriotismus
und lose Sitten
Die Politsatire "Der Krieg des Charlie Wilson"
zeigt, wie ein texanischer Demokrat die Mudschaheddin aufrüstete - und
so die letzte Schlacht des Kalten Kriegs gewann.
Es scheint länger her, als es in Wahrheit ist:
Vor den Nachrichtenbildern von sowjetischen Truppen, die aus Afghanistan abziehen,
prosten sich US-Amerikaner zu. Mit diesen Szenen bringt Mike Nichols gleich
zu Anfang seiner Politsatire "Der Krieg des Charlie Wilson" die guten
alten Zeiten des Kalten Kriegs in Erinnerung. Die Mudschaheddin waren die Helden
der Stunde, und von den Taliban war noch nicht die Rede. Unwillkürlich
erwartet man, dass der Film von diesen glorreichen Zeiten in die bittere Gegenwart
schwenkt, aber weit gefehlt: Es geht noch weiter zurück, bis in jene ferne
Epoche um das Jahr 1980 herum, als die Welt noch nicht mal so genau wusste,
wo Kabul eigentlich liegt, geschweige denn, was Mudschaheddin sind.
Damals also sitzt Titelgestalt Charlie Wilson, gespielt
von Tom Hanks, im Whirlpool, umgeben von nackten Damen, in der Hand einen Drink.
Dann fällt sein Blick auf einen Fernsehschirm, wo ein mit Turban bekleideter
Dan Rather aus dem fernen Land berichtet, in das soeben die Sowjets einmarschiert
sind. Gleich am nächsten Tag, diesen Eindruck erweckt zumindest der Film,
geht der Kongressabgeordnete Wilson in sein Büro, checkt die Tickermeldungen
und erhöht den Etat für verdeckte Waffenhilfe nach Afghanistan auf
5 Millionen Dollar. So macht Charlie Wilson diesen Krieg zu dem seinen. Ein
paar Hinterzimmergespräche und Drinks später sind es schon 50 Millionen.
Und nach weiteren Treffen in dunklen Bars in Israel und mit finsteren Herrschern
in Pakistan bringt er es am Ende auf gut 1 Milliarde Dollar.
Im Prinzip erzählt der Film eine wahre Geschichte.
Als Quelle gibt er George Criles Wilson-Biografie an, aus der die Welt zum ersten
Mal erfahren konnte, dass nicht etwa der republikanische Präsident Reagan
die "letzte heiße Schlacht des Kalten Kriegs" gewann, sondern
ein demokratischer Abgeordneter aus Texas, bekennender Whiskytrinker und Schürzenjäger.
In Wahrheit ist es dieser scheinbare Gegensatz von Patriotismus und losen Sitten,
für den sich Regisseur Mike Nichols und seinen Drehbuchautor Aaron Sorkin
vor allem interessieren. Ihr Film setzt sich weniger mit den fatalen Folgen
des Afghanistankriegs auseinander, als er vielmehr einen Politikstil feiert,
wie es ihn heute, in Zeiten der allgegenwärtigen Political Correctness,
nicht mehr gibt.
Tom Hanks spielt diesen Wilson als Ideal jenes US-Amerikaners,
den das westliche Nachkriegseuropa einst anhimmelte: einen Mann mit viel Witz
und lockeren Umgangsformen, der die alteuropäischen Benimmtraditionen steif
und undemokratisch erscheinen ließ. Wegen seiner besonderen Toleranz und
Großzügigkeit sah man über eine Engstirnigkeit gerne hinweg:
seinen sturen Antikommunismus.
Das Seltsame an "Der Krieg des Charlie Wilson"
ist, dass in dieser Komödie fast ausschließlich positive Helden auftreten.
Abgesehen von den russischen Piloten natürlich, die der Film mit viel Häme
vom Himmel holt. Da gibt es die schöne, rechte Lobbyistin Joanne Herring
(Julia Roberts), die auf ihre Weise - im Bett mit Wilson - zeigt, dass sie eine
liberale Seite hat. Und es gibt den hässlichen CIA-Agenten Gust Avrakotos,
den Philip Seymour Hoffman so sympathisch wie nie geben darf. "Sie sind
nicht gerade James Bond", scherzt Wilson bei ihrer ersten Begegnung. "Und
Sie kein Thomas Jefferson", schnauzt Gust zurück. Es ist der Beginn
einer wunderbaren Freundschaft, wie könnte es anders sein. Die Lichtgestalt
schlechthin aber ist natürlich Wilson selbst: ein Abgeordneter, der seine
Mitarbeiterinnen hemmungslos nach dem Aussehen aussucht, ganz nach der Devise:
"Wie man tippt, kann man ihnen beibringen, wie sie sich Titten wachsen
lassen, nicht." So satirisch, wie das aufs Erste klingt, ist es im Übrigen
gar nicht gemeint. Denn als eigentliches Hauptanliegen des Films entpuppt sich
ganz im Ernst: den amerikanischen Liberalismus - nicht zu verwechseln mit unseren
"Liberalen" - ins rechte Licht zu rücken.
Als das Wesen dieser wunderbaren Tradition betrachtet
Drehbuchautor Aaron Sorkin, wie er schon in der Serie "West Wing"
gezeigt hat, die Fähigkeit zu schmutzigen kleinen Kompromissen, die von
Witze reißenden, lebenslustigen Schlaubergern ausgeheckt werden. Die Würze
des Films liegt denn auch weniger in der Handlung als in Dialogzeilen wie diesen:
"Warum sagt der Kongress das eine und tut etwas anderes?" - "Aus
Tradition, hauptsächlich." Wobei Wilsons Antwort als Scherz daherkommt
und doch tiefstes Vertrauen in das Funktionieren der US-amerikanischen Demokratie
ausdrückt.
Barbara Schweizerhof
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: taz
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Der
Krieg des Charlie Wilson
USA
2007 - Originaltitel: Charlie Wilson's War - Regie: Mike Nichols - Darsteller:
Tom Hanks, Julia Roberts, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Ned Beatty, Emily
Blunt, Rachel Nichols - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge:
102 min. - Start: 7.2.2008
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