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L.A.
Crash
„Million
Dollar Baby“-Autor Paul Haggis unternimmt
in seinem Spielfilmdebüt den Versuch, den mal latenten, mal offensichtlichen
Rassismus in Alltags- und Stresssituationen fragmentartig zu verweben, in mehreren
Einzelepisoden porträtiert er Menschen in der Metropole Los Angeles, Menschen
schwarzer und weißer Hautfarbe, Mexikaner, Chinesen, Puertoricaner, und
lässt ihre Schicksale einander tangieren. Korrupte weiße Polizisten,
die ihrer rassistischen Gesinnung tagtäglich Luft machen, irakische Ladenbesitzer,
die mexikanische Schlosser beschuldigen und angreifen, farbige Regisseure, die
sich diskriminieren und beschneiden lassen, Staatsanwälte, Ermittler, Straßenjungs,
Haggis beleuchtet all diese Figuren in ihrem ganz persönlichen Lebenselend,
um sie am Ende der Erlösung zu übergeben.
Der Ansatz mag ambitionierter Natur sein, den immer
wiederkehrenden, Titel gebenden, Autocrash betrachtet der Film als Metapher
für den Crash der Kulturen, wie Menschen verschiedenster ethnischer Herkunft
aneinander stoßen, sich verspotten, beschimpfen, mit Vorurteilen begegnen.
Autounfälle- oder Überfälle sind bei Haggis ein beständiges
Symbol für die entlarvende Äußerung von Rassismus in all seinen
Ausprägungen, als Scheingrund für den Hass, als Exempel für dessen
unmaskierte Darstellung. Die scheinbar fatalen Differenzen zwischen den Kulturen
und Rassen, die sind in „Crash“ also eine Anhäufung von Unfällen,
doch ohne Polemik möchte der Film seine These nicht formulieren. Tatsächlich
betreibt Haggis eine folgenschwere Ursachenforschung, an deren Ende er sich
mit belehrenden, überambitionierten Lösungsvorschlägen leider
grandios verzettelt.
Denn bei aller Mühe, die sorgfältig entwickelten
Stränge in einen Zusammenhang zu bringen, krankt der Film an seinen plump
aufbereiteten Ansprachen, die er vor dem Zuschauer hält und ihn dabei einer
aufdringlich moralinen Lehrstunde aussetzt. Auf die anfänglich abschreckenden,
den automatischen Antirassismus des Publikums heraufbeschwörenden Sequenzen
voller Gewalt in Wort und Tat folgen alsbald Zufälle und überkonstruierte
Begegnungen der Figuren, die ausschließlich Läuterung und Selbsterkenntnis
mit aussöhnender Vergebung koppeln und floskelartige Weisheiten predigen,
anstatt den ungemütlichen Weg differenzierter Konfrontation zu gehen. Nicht
Ohnmacht, nicht Unlösbarkeit finden hier Erwähnung, sondern vielmehr
die bemüht unbemühte Erforschung der Ursachen des Rassismusproblems,
die in verkalkuliertem Populismus mündet.
Haggis unterstützt seine Zuschauer eifrig dabei,
sich entweder gewissenstark bestätigt zu sehen, oder andernfalls einer
lauten Anklage beizuwohnen – ohne seine Gedanken einer tiefgründigen Analyse
zu unterziehen. Fraglicherweise ist Rassismus in „Crash“ letztlich nur ein Konstrukt
aus individuell zusammengesetztem Lebensunmut, sowohl die wohlhabende Anwaltsfrau,
die ihre Haushälterin demütigt, als auch der Streifenpolizist, der
eine junge Frau sexuell belästigt, enttarnen sich als Opfer ihrer Frustration,
ihre privaten Probleme und Unglückszustände machen aus ihnen offenbar
die Monster des Alltags, als die sie gezeichnet werden. Diese massiv verkürzte
wie simple These scheitert schon an ihrer Blindheit gegenüber der Realität,
in dem sie das Problem verharmlost und als vereinfacht lösbar darstellt
– schließlich müssen alle Rassisten offenbar nur ein wenig Selbstreflexion
durchleben, um ihren Hass als ungerechtfertigt zu erkennen.
Der Crash ist dabei nicht nur Auslöser für
dieses ungehemmte Deutlichmachen von blankem Rassismus, sondern Beginn einer
Ereigniskette, die gleichsam auch wieder zur befreienden Versöhnung führt
(Matt Dillon rettet die zuvor missbrauchte Frau aus den Flammen ihres Autowracks).
Die dafür entwickelte Bild- und Motivwahl fällt ähnlich grob
aus, erdrückende Ethno-Gesänge stören die sensiblen Momente des
Drehbuchs, während die Kamera das Geschehen allzu majestätisch ablichtet.
Die emotional überkandidelte Schlussmontage ist mit süßlichen
Popsongs unterlegt und verzichtet auch nicht auf visuelle kathartische Effekte,
wenn wallendes Feuer und flockiger Schnee als verschmelzende Elemente die Reinigung
der Figuren bebildern. Die profane Offensichtlichkeit in Haggis’ Inszenierung
ist bedauerlich vor allem für die durchweg brillanten Leistungen seines
Ensembles, dessen talentierte Schauspieler sich auf verlorenem Posten befinden.
Rajko Burchardt
Dieser Text ist
zuerst erschienen im From Beyond-Filmblog
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
L.A.
Crash
USA
2004 - Originaltitel: Crash - Regie: Paul Haggis - Darsteller: Sandra Bullock,
Don Cheadle, Matt Dillon, Brendan Fraser, Jennifer Esposito, Ryan Phillippe,
Thandie Newton, Chris ,Ludacris’ Bridges, Larenz Tate, Shaun Toub - FSK: ab
12 - Länge: 113 min. - Start: 4.8.2005
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