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La
León
Etwas Mystisch-Archaisches liegt über den Sümpfen
des Paraná-Deltas, nicht weit von Buenos Aires, und doch fernab der Welt.
Es ist, als ob die Trauerweiden ähnliche Geschichten erzählen wie
die versehrten, versiegelten Gesichter der alten Männer. Es ist, als ob
alles auf Erlösung wartet, der geschundene Mensch; der schon beinah zum
Meer gewordene Fluss; in langer Dämmerung, im Schatten einer zu langen
Nacht, doch keiner scheint zu wissen, wann es Morgen wird.
Der Stimmung einer Flusslandschaft überlässt
Santiago Otheguy einen großen Teil seiner Filmerzählung „La León“.
In schönem und dunklem Schwarzweiß malt die Kamera ein schwermütiges
Porträt einer Landschaft und ihrer Bewohner, die viel Zeit und wenig Geld
haben.
Vielleicht ist „La Leon“ zum Teil die sumpfige Miniatur
einer jüngeren argentinischen Geschichte, verteilt auf einen jungen Schwulen,
der Bruder, Vater und väterlichen Freund verloren hat und plötzlich
erwachsen werden muss, einen Fähreninhaber mit faschistoidem Machtbedürfnis,
einen alten Deutschen, der die Dorfkneipe besitzt, zugewanderte Fremde, die
versuchen, in den Wäldern ihr Auskommen zu finden. In einer Mischung aus
dunklem Traum und harter Realität entwirft Regisseur nicht nur ein bei
aller Abgekehrtheit liebevolles und vielleicht auch repräsentatives Abbild
eines Argentinien der Postdiktatur und der Arbeitslosigkeit, er phantasiert darüber hinaus auch die kleine
Utopie einer freieren und toleranteren Welt.
Doch was ich hier schreibe, klingt
bei genauem Hinsehen schon ein wenig nach irgendwie „poetischem“ Kino, nach
sozial engagiertem aber auch sensiblem Ethnofilm und Kino der Außenseiter,
oder? Früher wäre ich vor so annoncierten Filmen geflüchtet.
Das Komische ist nur, ich habe es überhaupt nicht bereut, ihn gesehen zu
haben. Liegt es daran, das er mich irgendwie an Jarmuschs "Dead Man" erinnert?
Ich weiß es wirklich nicht. Wahrscheinlich ist "La
León" ja beides: altmodisch lehr- und
parabelhaft in seinem Ansinnen und hochmodern in seiner Sprache ...
Andreas Thomas
La
León
Argentinien
/ Frankreich 2006 - Regie: Santiago Otheguy - Darsteller: Jorge Román,
Daniel Valenzuela, José Muñoz, Daniel Sosa, Ana Maria Montalvo,
Hernan Sosa, Alfredo Norberto Rivas, Juan Carlos Rivas, Mirta Rivas, Alfredo
Rivas - Länge: 85 min. - Start: 15.11.2007
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