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Land
of the Dead
In
den Ruinen von Pittsburgh
Diese
Zombies sind gleicher als gleich: Mit "Land of the Dead" knüpft
George A. Romero an seine klassische Trilogie an, kann aber ihrem Vermächtnis
nicht gerecht werden. Immerhin: Die Grenze verläuft weiterhin nicht zwischen
Menschen und Untoten, sondern zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten
George
A. Romero scheint ein ähnliches Schicksal zu widerfahren wie George Lucas.
Verfolgt von den Geistern, die er rief, ist er dazu verdammt, ein Franchise,
das zu Anfängen seiner Karriere zurückreicht, bis ins hohe Alter auszuschlachten.
Mit dem einen Unterschied, dass die "Star Wars"-Filme George Lucas
immerhin ein kleines Imperium bescherten, während Romero wahrscheinlich
derjenige bleibt, der von seiner "Zombie"-Trilogie am wenigsten profitieren
konnte. Die letzte "Zombie"-Welle hat ihn gründlich übergangen.
Nun ist er nach fast 20-jähriger Abstinenz noch einmal aus dem Ruhestand
zurückgekehrt, um mit "Land of the Dead" seine vermeintlich abgeschlossene
Trilogie fortzuführen (auch das hat er mit Lucas gemein). Spätestens
Zack Snyders revisionistisches "Dawn
of the Dead"-Remake
muss Romero überzeugt haben, dass der "Zombie"-Film wieder eines
sozialen Gewissens bedarf.
Romero
hat über die Jahre zu seinen Untoten ein geradezu protektionistische Verhältnis
entwickelt - obwohl er es auch war, der 1968 mit "Die
Nacht der lebenden Toten"
die eiserne "Kopfschuss"-Regel eingeführt hatte, die mittlerweile
ins Reich der Populärmythen eingegangen ist. Romeros Zombies waren stets
mehr als eine apokalyptische Plage oder außerzivilisatorische Invasoren;
im Gegenteil, sie kamen mitten aus der Gesellschaft; ihr Habitus entlarvte ihre
Klassenzugehörigkeit. Auch in "Land of the Dead" ist die Zombiemeute
wieder aus allen gesellschaftlichen Milieus verschmolzen: ein Cheerleader-Mädchen,
ein Beil schwingender Schlachter-Zombie oder ein untoter mexikanischer Gärtner
verleihen der amorphen Masse ein demografisches Profil. Nirgendwo funktioniert
das amerikanische Ideal des Melting Pots besser als in Romeros Horrorfilmen.
Ob Ethnie, Klasse oder Geschlecht - seine Zombies sind gleicher als gleich.
Vielleicht
ist es genau das, was seine Zombies so bedrohlich erscheinen lässt. "Land
of the Dead", der Romeros gesellschaftliche Anti-Utopie aus "Dawn
of the Dead" (1978) und "Day of the Dead" (1985) auf die Spitze
treibt, spielt in einer postzivilisatorischen, strikt segregierten Welt, von
der Proletariat wie Zombies gleichermaßen ausgeschlossen sind. In den
Ruinen von Pittsburgh, Romeros alter Wirkungsstätte, kämpfen Privatmilizen,
Kleinganoven, Obdachlose und Zombies um die letzten Ressourcen, während
die Reichen es sich auf der anderen Seite des Flusses in einem hochmodernen
Wolkenkratzer, einer Mischung aus gated community und Shopping Mall, eingerichtet
haben. Hier regiert Kaufman (Dennis Hopper in seiner gewohnten Rolle als Soziopath)
über eine ausgewählte Spezies von Konsumenten; "Fiddler's Green",
so der Name der Zufluchtsstätte, ist keine Arche Noah, bloß eine
komprimierte Form von Kapitalismus.
Cholo
(John Leguizamo) ist das Bindeglied zwischen Kaufman und den Besitzlosen, die
Nacht für Nacht die Straßen nach Verwertbarem durchstreifen. Er gehört
zu einer Gruppe von Söldnern unter der Führung eines nachdenklichen
Rambo-Verschnitts (Simon Baker), die für Ordnung im rechtsfreien Teil Pittsburghs
sorgen. Cholo versorgt Kaufman mit Luxusgütern von der Straße, in
der Hoffnung, irgendwann in die High Society von Fiddler's Green aufgenommen
zu werden. Bis Kaufman ihn eines Nachts mit der Undurchlässigkeit seiner
Gesellschaftsordnung konfrontiert. Unter Waffengewalt wird Cholo an seinen angestammten
Platz verwiesen: zu den Plünderern, Obdachlosen, Huren - und Zombies.
Romeros
Bewusstsein für politische Veränderungen verleiht seinen Zombie-Filmen
eine sozialkritische Note über den reinen Gore-Wert hinaus. "Die Nacht
der lebenden Toten" entstand unverkennbar unter dem Eindruck des Vietnamkrieges
und der erstarkten Bürgerrechtsbewegungen. Romeros Held war ein Afroamerikaner,
der am Ende, als letzter Überlebender, von einem weißen Lynchmob
erschossen wurde. Die Konsumkritik in "Dawn
of the Dead",
wieder mit einem schwarzen Hauptdarsteller, lieferte einen satirischen Ausblick
auf die bevorstehende Reaganomics-Dekade, während "Day
of the Dead",
Romeros düsterster Zombie-Film, entstanden auf dem Höhepunkt von Reagans
Star-Wars-Programm, eine drastische Abrechnung mit der Militarisierung Amerikas
darstellte. Eine darwinistische Tendenz in Romeros liberaler Zombie-Metaphorik
(Unterprivilegierte, Klassenlose, Globalisierungsopfer) war dabei nie ganz von
der Hand zu weisen. So sehr Romero auch mit seinen Untoten sympathisierte, das
Recht des Stärkeren war in allen seinen Filmen bestimmend. Trotzdem macht
auch "Land of the Dead" unmissverständlich klar, dass die Grenze
bei Romero nicht zwischen Menschen und Zombies verläuft, sondern zwischen
Ausbeutern und Ausgebeuteten.
Bezeichnenderweise
hat Romero die Rolle Kaufmans mit Dennis Hopper besetzt, der Bush unterstützt.
Hoppers trockenes "Wir verhandeln nicht mit Terroristen!" gibt die
politische Linie vor, gegen die Romeros Filme seit nunmehr 37 Jahren opponieren.
Doch kann "Land of the Dead" auch nicht verhehlen, dass Romeros Politik
immer noch tief in den Achtzigerjahren verwurzelt ist. Das ist vielleicht die
größte Enttäuschung des Films. Die Idee eines Großkapitals,
das sich in seinen Wolkenkratzern verbarrikadiert hat, rangiert irgendwo zwischen
"Stirb
Langsam"-Japanophobie
(die amerikanische Urangst der Achtziger, dass japanische Konzerne die nationale
Wirtschaft untergraben) und läppischen B-Movies wie "Running Man".
Mit unsäglichen Dialogen aus der Actionfilm-C-Liga (Asia Argento hat wahrlich
Besseres verdient) und einem Faible für billige Explosionen rangiert "Land
of the Dead" in der Nähe von John Carpenters Spätwerk. Dem Vermächtnis
seiner Trilogie kann Romero damit nicht gerecht werden.
Doch
die Evolutionstheorie von "Land of the Dead", die direkt an die Zombie-Experimente
aus "Day of the Dead" anknüpft, eröffnet Romeros Zombie-Serie
auch neue Möglichkeiten. Romeros Untote sind lernfähig. Ein schwarzer
Zombie-Hüne (im Abspann nur Big Daddy genannt) ist so etwas wie Romeros
Integrationsfigur für eine neue Multikulti-Gesellschaft, in der die Ausgebeuteten
Kontrolle über die Ressourcen ausüben. Eine kannibalistische Kulturrevolution,
wie sie sich schon Godard in den Sechzigern ersonnen hatte, ist mit dem nächsten
Romero-Film wohl trotzdem nicht zu erwarten. Romero ist und bleibt ein unverbesserlicher
Pessimist.
Andreas
Busche
Dieser
Text ist zuerst erschienen in der taz
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der
filmzentrale mehrere Kritiken
Land
of the Dead
Kanada
/ Frankreich / USA 2005 - Originaltitel: George A. Romero's Land of the Dead
- Regie: George A. Romero - Darsteller: Simon Baker, John Leguizamo, Dennis
Hopper, Asia Argento, Robert Joy - FSK: keine Jugendfreigabe - Länge: 93
min. - Start: 1.9.2005
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