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Late
Show
In
Rossini
hat Helmut Dietl "seine" Leute vom Film reichlich gnadenlos, aber
auch etwas wohlfeil demontiert; in Late
Show
ist das Fernsehen dran. Stil und Methode sind einander dabei recht ähnlich:
zwei Handvoll Menschen, die einander umkreisen in Ketten von sexueller Ausbeutung,
ökonomischer Korruption, kreativem Größenwahn. Sie schwören
heilige Schwüre und brechen sie gleich wieder unter fadenscheinigen Betrugs-
und Selbstbetrugsmanövern; wenn sie Niederlagen erleben, stehen sie sogleich
wieder auf, bereit zur nächsten Schweinerei, und das einzige, was gegen
ihre Schweinereien hilft, sind noch größere Schweinereien; sie winseln
um Zuneigung, und wenn jemand dumm genug ist, sie ihnen zu gewähren, wird
der oder die das Opfer der nächsten Schweinerei; jedes Idyll erweist sich
als Illusion, und der einzige Mensch, von dem man anfangs glaubt, er könne
womöglich der perfiden Logik von Macht, Sex, Geld und Eitelkeit entgehen,
treibt es am Ende am schlimmsten.
Dietls
Trick ist es, diesen Ekelpaketen immer einen Rest von Sympathie zu lassen, sie
nicht einfach zu Karikaturen von Ekelpaketen zu machen. Seine Eleganz besteht
darin, in seiner Inszenierung das Melodramatische mit dem Klamottigen zu vernetzen,
die Verhöhnung mit der Zärtlichkeit, so daß eine Art emotionaler
Flash entsteht. Man ist dem Monster zu nah, um es zu verurteilen. Und es ist
zu monströs, um ihm Glück, Erlösung oder wenigstens eine Spur
der Selbsterkenntnis zu wünschen. Die Kette von Betrug und Verführung
setzt sich also beim Zuschauen fort.
Das
funktionierte bei Schtonk!
noch recht gut, weil schon die Fälschung der Hitler-Tagebücher selbst
eine brauchbare Satire auf den Medienwahn war, weniger gut in Rossini,
weil es da um eine geschlossene Gesellschaft ging, deren Relevanz und moralischer
Sinnbild-Nutzen für den Rest der Welt von eher bescheidenen Ausmaßen
scheint. Was Dietl zum Fernsehen zu sagen hat, läßt sich in einem
Satz zusammenfassen: ein paar skrupellose Zyniker machen Programm für eine
Masse von Grenzdebilen und werden dabei von noch viel skrupelloseren Geldleuten
verschaukelt. Das haben wir einerseits ja schon immer gewußt, wenn es
andererseits so einfach wäre, könnten wir uns getrost wichtigeren
Dingen zuwenden.
Aber
Dietl erzählt ja auch so etwas wie eine Geschichte dazu, und in der spielen
zwei echte Fernsehmenschen die Hauptrollen. Harald Schmidt ist der Programmdirektor
eines TV-Privatsenders in der Quotenkrise, Thomas Gottschalk der Moderator einer
intimen, echt authentischen Radioshow. Sie tragen ihr jeweiliges Image, sadistischer
Klassenprimus versus marktfähiger Sonnyboy, gekonnt zu Markte und beschreiben
dabei zugleich die Methode des Films: Das Klischee wird nicht unterlaufen, sondern
bis an die Ekelgrenze ausgereizt. Der Direktor will den Moderator zum neuen
Fernsehstar aufbauen, der ziert sich zuerst, wird immer wieder gelinkt, und
macht am Ende genau das, was man von ihm erwartet, ein Geschwür im Magen
und die Nase voller Kokain. Veronica Ferres ist seine Freundin, eine Schauspielerin,
die sich weigert, eine Sexszene zu spielen, beleidigt aufs Land zieht, um eine
Pferdezucht zu führen, später aber wieder Schauspielerin und gut Freund
mit ihrer Erzfeindin ist, der von Jasmin Tabatabai gespielten Assistentin, Konkurrentin
und Geliebten des Programmdirektors. Weiters kommen vor ein Finanzier, der seine
Geschäfte von einer komfortablen Alpenhütte aus führt (Otto Schenk),
eine korpulente Taxi-Fahrerin, die heillos in den Radiomoderator verliebt ist,
und ihn dann mit manipulierten Fotos zu erpressen versucht (Sabine Orléans),
ein windiger Journalist, der mit dem Aufstieg und Fall von Promis sein Geld
macht (Karl Markovics), der host der Mick Meyer Show (Dieter Pfaff), für
die es nichts gibt, was zu geschmacklos wäre, und daß Gaby Dohm in
einer Gastrolle die Ärztin spielt, die Gottschalk ein Face Lifting verpasst,
ist auch nur in Maßen komisch. Was Dietl mit seinen Figuren anstellt,
wird keinen Fernsehmenschen dieser Welt dazu bringen, kritisch über sich,
seinen Apparat oder sein Programm nachzudenken. Gelegentlich gibt es schon noch
komische Szenen, etwa wenn Schmidt akribisch die Stimme des Moderators daraufhin
untersucht, ob ihn seine Aussprache von Wörtern wie "Tiefkühltruhe"
nicht zu alt macht, wenn das Product placement gleich als Parodie des Product
placement erscheint, oder die Traumbilder der deutschen Heimatserien lustvoll
demontiert werden. Und der Art, wie Dietl seine Figuren miteinander in Beziehung
setzt und immer noch eine überraschende Volte parat hat, ist eine gewisse
boshafte Eleganz nicht abzusprechen. Aber weil das System mittlerweile so bekannt
ist, gibt es etwas, was es vordem in keinem Dietl-Film gab: Langeweile.
Als
Satire auf das Fernsehen funktioniert Late
Show
weit weniger als eine Folge der "Simpsons". Bleibt die Dietlsche Geschichte
von den eher weniger heiligen Monstern des Showbusiness. Und dieser Blick auf
Gesichter, als müsse noch jede Make-up-Schicht, jede geplatzte Ader im
Augapfel vorgeführt werden. Wenn Fernsehen den Blick der lieblosen Intimität
bedeutet, dann hat Dietls Film sein Objekt mühelos übertroffen. Ob
das neben Faszination und Abscheu auch Erkenntnis produziert, wage ich zu bezweifeln.
Aber
vielleicht hat Dietl nach Schtonk!
(die Presse), Rossini
(der Film) mit Late
Show
(das Fernsehen) nun eine Trilogie der Medienmonster und ihrer Kotzkultur beendet
und wendet sich etwas anderem zu. Etwas ganz anderem, hoffe ich.
P.S.
In der Münchner Pressevorführung saß ein Wesen hinter mir, das
bei allem, was entfernt nach einer Pointe aussah, in ein verzweifeltes Wiehern
ausbrach, gefolgt von einem kurzen Schnauben, das zu einem nicht enden wollenden
Röcheln überleitete. Schicken Münchner Filmkritiker nun statt
ihrer selbst angeschossene Brauereipferde in die Pressevorstellungen? Wundern
würde mich das nicht. Aber dann erklang das vertraute Düdeldidüp
eines Handy. Angeschossene Brauereipferde telefonieren doch nicht während
einer Pressevorstellung! Manchmal erkennt man Filme am besten an ihren Zuschauern.
Georg
Seeßlen
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in: epd Film 3/99 Kritik
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