Das Leben ist eine Baustelle
Voll in Ravioli
Der neue Trend: Proll-Comedy
Das Leben ist eine Baustelle ist eine Produktion der Firma "X-Filme
creative pool", in der sich die Berliner Regisseure Wolfgang Becker, Tom
Tykwer und Dani Levy mit dem Produzenten Stefan Arndt zusammengetan haben.
Die drei verstehen sich als Gegenbewegung zum Beziehungskomödien-Boom. Und so
spielt Das Leben ist eine Baustelle nicht in bürgerlich gelackten
Wohngemeinschaften oder lichtdurchfluteten Münchner Penthouse-Appartments,
Wolfgang Becker taucht ab ins Proll-Milieu, dort wo man noch in gerippten
Unterhemden frühstückt.
Jan Nebel (Jürgen Vogel) ist Metzger und verliert zu Beginn des Films seinen
schlechtbezahlten Job im Schlachthof. Seine Ex-Freundin eröffnet ihm, daß sie
HIV-infiziert ist und er sich möglicherweise angesteckt hat. Auf dem
Nachhause-Weg gerät er in eine dieser originalgetreu nachgestellten
Kreuzberger Straßenschlachten und haut versehentlich einen Zivilfahnder um.
Auf der Flucht vor knüppelnden Polizeieinheiten lernt er die schöne Vera
kennen. Nützt ihm aber nichts, denn er wird geschnappt und sie nicht. Ein
paar Tage Knast und eine saftige Geldstrafe runden das Verlierer-Schicksal
ab.
Später trifft er Vera (Christiane Paul) natürlich wieder, in einem
Einkaufszentrum. Wie das Leben so spielt. Die Liebesgeschichte beginnt als
eines der wenigen kontinuierlichen Handlungselemente in diesem Film.
Zwischenzeitlich stirbt Jans Vater einen einsamen Tod. Der Fernseher läuft
noch und sein Kopf ist in einen Teller Ravioli gesunken. Das ist zwar
irgendwie schlimm, aber wenigstens kann Jan die Wohnung des Alten übernehmen.
Kurz nachdem der Sarg heruntergetragen wurde, renoviert er mit seinem neuen
Freund Buddy, den wir in der Eile vergaßen zu erwähnen, die gemeinsame
Wohnung.
Buddy ist ein alter Rock'n'Roll-Fan mit Tolle und dicker Brille. Außerdem
Vorsitzender des Spree-Teddy-Vereins und zuständig für die originellen
Einlagen in diesem Film. Für die Rolle hat Wolfgang Becker Ricky Tomlinson,
den man aus einigen Ken Loach-Filmen kennt, ausgeliehen. Noch was vergessen?
Jans Schwester Lilo (Martina Gedeck), die in ihrer Wohnung billige Dessous
verkauft, und der fette Schwager Harry (Armin Rohde), der nachts als
Sicherheitsdienstler sein Brot verdient. Und dann noch jene griechische
Emigrantin, die auf der Suche nach ihrem Bruder durch die kalte Stadt irrt.
Jan und Buddy nehmen sie auf und landen nacheinander beide mit ihr im Bett -
eine seltsame, sprachlos lächelnde Nebenfigur.
Wolfgang Becker hat seinen Film weit über das zulässige Höchstgewicht
vollgepackt und hakt die aufgeworfenen Probleme im Schnellverfahren ab. Nur
keine schlechte Stimmung aufkommen lassen, heißt die Devise, und da sind wir
wieder beim deutschen Komödien-Problem. So sehr der Film sozialen Realismus
für sich reklamiert, ein wenig schielt man eben doch nach dem Publikum, das
bei den Beziehungskomödien die Kassen klingeln läßt.
Jürgen Vogel nimmt man den melancholischen Subproletarier ja noch ab. Wenn
Christiane Paul (Workaholic) sich allerdings als flippige Lebenskünstlerin
versucht, sieht sie immer nur nach dem aus, was sie ist: eine schauspielernde
Medizinstudentin. Der Druck, auf Gedeih und Verderb nicht nur realistisch,
sondern auch komisch wirken zu wollen, führt in Das Leben ist eine Baustelle
dazu, daß weder das eine noch das andere glaubhaft vertreten werden kann.
Tragikomik ist eine Kunst, die eben nicht allein in der schlichten
Aneinanderreihung von lustigen und traurigen Szenen besteht. Das zumindest
könnte Regisseur Wolfgang Becker von seinem erklärten Vorbild Ken Loach noch
lernen.
Martin Schwickert
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