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Das Leben ist schön

(zwei Kritiken)

 

Eine Geste großer Liebe

 

Was kann, was darf das Kino, was kann, was darf die populäre Kultur über den faschistischen Massenmord und seine Opfer sagen, ohne blasphemisch, verharmlosend oder gar zynisch zu wirken? Mit jedem Film, von Charlie Chaplins »Der große Diktator« bis Spielbergs »Schindlers Liste«, stellt sich die Frage neu. Und richtig beantwortet kann sie dabei nie werden. Es bleibt, noch bei den besten dieser Arbeiten, immer auch Ratlosigkeit, verzweifelte Trauer darüber zurück, daß es für dieses Verbrechen an der Menschheit keine angemessenen Bilder geben kann.

 

Der Film beginnt mit jener unvergleichlichen Mischung aus Poesie, Komödie und Satire, die wir von Benigni kennen: Guido kommt im Jahr 1939 aus der toskanischen Provinz in die Stadt Arezzo. Sein Freund deklamiert, während sie in gemächlichem Tempo auf der Landstraße dahinfahren, ein Gedicht, und mitten aus den Textzeilen gerät er in die Beschreibung einer wirklichen Gefahr: Die Bremsen des Automobils versagen den Dienst. Die beiden geraten in einen Aufmarsch von Honoratioren. Guido will die Zuschauer warnen und verscheucht sie mit hochgerecktem Arm; das wird sogleich als faschistischer Gruß mißdeutet, der von der Menge begeistert erwidert wird. Kaum im Heuhaufen gelandet, fällt Guido ganz buchstäblich jene Prinzessin in die Arme, von der er einem kleinen Mädchen erzählt hat: es ist die junge Lehrerin Dora. Wie Guido seine Angebetete erobert und von ihrem Verlobten, dem faschistischen Aufsteiger, befreit, wie phantasievoll er seinen Beruf als Kellner ausübt, wie er, als Schulinspektor verkleidet, den Kindern den »wissenschaftlichen« Rassismus aus Rom ad absurdum führt und wie er schließlich doch zu seinem ersehnten Buchladen und zum Familienglück mit Dora und Sohn Giosuè kommt, das wird als warmherzige Komödie mit ein paar Slapstick-Einlagen hier, ein paar running gags dort erzählt. Zugleich tauchen an allen Ecken und Enden Warnungen auf. Guido kann oder will die Gefahr, in der er sich als Jude befindet, nicht sehen. Wir wissen mehr, und können ihm nicht helfen.

 

Vier Jahre sind vergangen. Guido hat seine Buchhandlung erhalten, er und sein Sohn Giosuè wollen etwas für die Mutter kaufen, aber vor dem Laden steht das Schild »Eintritt für Hunde und Juden verboten«. Schon hier erleben wir, wie Guido seinem Sohn mit lustigen Geschichten die wirkliche Situation zu verheimlichen versucht. Wenn dort der Eintritt für Juden und Hunde verboten ist, so woanders für Chinesen und Känguruhs, und ihre Buchhandlung wollen sie für Spinnen und Westgoten verbieten.

 

Kurz darauf werden Guido und Giosuè abgeholt und wie die anderen Juden des Ortes in die Viehwaggons zum Transport ins Konzentrationslager gebracht. Dora verlangt, daß sie mit ihnen in den Zug kommt. Das ist inszeniert als eine Geste großer Liebe. Aber Benigni zeigt auch ohne Dämonisierung die kalte Gründlichkeit der deutschen Soldaten. Weder sind diese Deutschen bei ihm Marionetten, noch sadistische Monster. Sie funktionieren einfach, freilich mit einem so dummen Stolz auf ihr Funktionieren, daß man ihnen nicht einen Augenblick vergeben möchte.

 

Der Zug fährt durch das Tor des Konzentrationslagers. Guido erklärt nun Giosuè mit immer neuen Einfällen, daß man sich in einem großen Spiel befinde, in dem es gelte, Punkte zu sammeln, und immer wenn der Junge verzagt, macht er ihm vor, daß man bei ihrem großartigen Punktestand nicht aufgeben dürfe. Guido trifft Dr. Lessing wieder, den er früher als Kellner bedient hat und der nun als KZ-Arzt fungiert. Lessing verspricht ihm, etwas für ihn zu tun, wenn er bei einem Abendessen den Kellner abgibt. Aber ihm geht es immer noch um seine Rätsel; er ist dem Wahnsinn näher als dem Mitleid. Der Augenblick von Guidos Erkenntnis, daß er von diesem Menschen keine Hilfe zu erwarten hat, ist die zugleich furchtbarste und präziseste des Films, eine Szene, die jede falsche Versöhnungshoffnung zunichte macht. Als die Kunde vom Heranrücken der amerikanischen Armee kommt, versucht Guido in dem Durcheinander der Lagerauflösung zu fliehen, bei der die Deutschen durch Massenerschießungen die Baracken leeren. Er wird gefangen und erschossen, fast beiläufig geschieht das. Giosuè dagegen sieht endlich vor sich, was ihm die ganze Zeit über als Geburtstagsgeschenk und als Spielgewinn versprochen war: einen Panzer.

 

»La vita e bella« erzählt nicht von einem möglichen Widerstand, aber immer wieder weitet sich der Kampf des Helden zu Signalen der Hoffnung für die anderen. Darin ist er »Jacob, dem Lügner« verwandt. Und als Guido erschossen wird, setzt das gleiche Motiv ein, das auch bei der Einfahrt des Zuges zu hören war. Es geht um den einzelnen, aber es geht nicht nur um den einen, der in der Kinophantasie zu retten gewesen wäre.

 

Nein, man wird nicht versöhnt durch diesen Film, nicht beruhigt und nicht entlastet. »La vita è bella« erzählt einen Traum, und er warnt uns zugleich vor dem Träumen.

 

Georg Seeßlen

 

Diese Kritik ist zuerst erschienen bei: strandgut.de

 

Das Leben ist schön

Darf die populäre Kultur, jenes Geflecht von Genres, Mythen und Bildern, dem wir seine Frivolität und Leichtfertigkeit, sein hemmungsloses Wildern und Wuchern in der äußeren und inneren Wirklichkeit nur verzeihen, weil es stets beteuert, ja nichts als "Unterhaltung" bieten zu wollen - darf dieses industrielle Sinnsystem, das sich so bedenkenlos auf den Markt wirft, sich anmaßen, auch vor dem Grauen dieses Jahrhunderts, dem deutschen Faschismus und dem Völkermord an den Juden nicht zurückzuschrecken? Darf man Kriminalfilme, Melodramen oder gar Komödien über den Holocaust drehen, die doch nichts anderes als Verharmlosung, Verdrängung, Blasphemie sein können? Anders herum gefragt: Wie armselig und töricht müßte diese populäre Kultur sein, in deren Bilderwelt wir alle leben und in der wir uns verständigen, wenn sie es nicht könnte oder dürfte?

Freilich, sie muß es mit ihren Mitteln tun, und die sind nicht nur ästhetisch, sondern auch moralisch und intellektuell begrenzt. Deshalb wird es notwendig sein, sich mit jedem Einzelfall auseinanderzusetzen; jeder Versuch, den Holocaust innerhalb der populären Kultur darzustellen, wirft die Frage nach der Darstellbarkeit neu auf. Und jeder, der mit den Mitteln der populären Kultur von etwas spricht, dem wahrhaft angemessen nur das entsetzte Schweigen wäre (ein Schweigen, das paradoxerweise freilich den Tätern, den Verdrängern und den Wiedergängern am meisten nutzt), der muß sich der Verantwortung bewußt sein, die er damit übernimmt.

 

Roberto Benigni hat eine der schwierigsten Formen gewählt, die es in diesem Zusammenhang gibt. Er hat eine märchenhafte Komödie über das Schicksal einer kleinen Familie gedreht, die Geschichte von einem gutmütigen Träumer, den er selbst spielt - ganz in der Tradition seiner vielen anderen gutmütigen Träumer in Filmen von Marco Ferreri, Federico Fellini und von ihm selbst -, und seiner Frau und seinem kleinen Sohn, die in ein deutsches Vernichtungslager verschleppt werden. Der Film beginnt mit jener unvergleichlichen Mischung aus Poesie, Komödie und Satire, die wir von Benigni kennen: Guido kommt mit seinem Freund Ferruccio, der einerseits Polsterer und andrerseits Poet ist, im Jahr 1939 aus der toskanischen Provinz in die Stadt Arezzo. Große Träume von Erfolg und Liebe im Kopf. Ferruccio deklamiert, während sie in gemächlichem Tempo auf der Landstraße dahinfahren, ein Gedicht, und mitten aus den Textzeilen gerät er in die Beschreibung einer wirklichen Gefahr: Die Bremsen des Automobils versagen den Dienst, und die beiden geraten in einen Aufmarsch der Honoratioren. Guido will die Zuschauer warnen und verscheucht sie mit hochgerecktem Arm; das wird sogleich als faschistischer Gruß mißdeutet, der von der Menge begeistert erwidert wird. Kaum im Heuhaufen gelandet, fällt Guido ganz buchstäblich jene Prinzessin in die Arme, von der er einem kleinen Mädchen gerade erzählt hat: es ist die junge Lehrerin Dora. Als er beim Haus seines Onkels ankommt, ist der gerade Opfer eines Überfalls geworden. In einem mit historischem Plunder vollgestopften Lager finden die beiden ein Zuhause; im Hotel des Onkels wird Guido als Kellner eingestellt. Daß sie nun ein freies Leben beginnen werden, darüber freut sich Guido beim Spaziergang über die Piazza; niemand versteht die Begeisterung der beiden, denn es brechen böse Zeiten an.

 

Wie Guido seine Angebetete erobert und von ihrem Verlobten, dem faschistischen Aufsteiger befreit, wie phantasievoll er seinen Kellnerberuf ausübt, wie er den Faschisten, meistens ohne es offensichtlich zu wollen, immer wieder eins auswischt, wie er, als Schulinspektor verkleidet, vor den Kindern den "wissenschaftlichen" Rassismus aus Rom ad absurdum führt und wie er schließlich doch zu seinem ersehnten Buchladen und zum Familienglück mit Dora und ihrem Sohn Giosus kommt, das wird als warmherzige Komödie mit ein paar Slapstick-Einlagen hier, ein paar running gags dort und immer wieder in der Benigni-Märchenpoetik erzählt. Diese Szenen sind vollgestopft mit liebenswerten kleinen Pointen, aber zugleich tauchen an allen Ecken und Enden Warnungen auf, zeigt sich die zähe, opportunistische Brutalität, die das Land verändert.

 

Guido kann oder will die Gefahr, in der er sich als Jude befindet, nicht sehen. Wir wissen mehr und können ihm nicht helfen. In seinem Blick sehen wir zunächst nicht eine faschistische Gefahr, sondern vor allem in ihrer Lächerlichkeit berückende Mitläufer und Wichtigtuer: den Möbelhändler, bei dem Ferrucio seine Arbeit aufnimmt und der seine Kinder Benito und Adolf genannt hat, den bürokratischen Bürgermeister, Doras Verlobten, dem Guido gleich versehentlich einen Blumentopf auf den Kopf wirft und Eier in den Hut praktiziert. Sogar die Musik zitiert noch die comedia all'italiana, aber auch sie beteiligt sich an den Warnungen. Immer heftiger werden die Anzeichen, daß sich in dieser campanilistischen Idylle der Terror einnistet: Die Direktorin, die das jüdische Kind in die letzte Bank verweist und es ausrechnen läßt, was den Staat behinderte Kinder oder Verrückte kosten; die Allgegenwärtigkeit zuerst der Schwarzhemden und dann der deutschen Soldaten. Auch Horst Buchholz' Gestalt des deutschen Arztes Dr. Lessing, der von Rätseln besessen ist, zeigt zunächst eher skurrile als bedrohliche Züge. Mit der Bemerkung, Guido sei der phantasievollste Kellner, den er je kennengelernt habe, verabschiedet er sich nach Berlin, gerade als Guido Dora aus der Faschistengesellschaft und auf jenem Pferd entführt, das man grün angepinselt und mit dem Schriftzug "Cavallo ebreo" versehen hat.

 

Diese Szene, in der die Kamera in der Faschistengesellschaft kreist, hat schon beides in sich: den Märchentraum vom "Mann mit dem Herzen eines Kindes", der sein Glück findet, und die gespenstische Inszenierung einer Gesellschaft, in der das Böse zur vollkommenen Normalität wird. In seiner traumhaften Komposition, der Fülle der Erzählkomponenten (von den zahllosen "Wundern", die natürlich keine sind, bis hin zu der Musik, die in der Entführungsszene vom faschistischen Laufmarsch zu angedeuteten Klezmer-Klängen wechselt) und der Präzision, mit der der Film die kommende Zerstörung seines Glücks vorbereitet, ist La vita e bella wohl schon das Beste, was Benigni bislang gemacht hat.

 

Mit einer Kamerafahrt auf den Wintergarten zu, in den die Liebenden verschwinden, und einer anschließenden Bewegung zurück auf Vater, Mutter und Kind sind vier Jahre vergangen. Guido fährt noch immer mit dem Fahrrad durch die Stadt, die sich verändert hat. Auf der Piazza stehen keine Leute mehr herum und reden, nur Soldaten sind im Hintergrund zu sehen, die Menschen haben es eilig und trachten einander nicht zu begegnen. Ganz dezent deutet Benigni es an: Das Sonnenlicht hat die Stadt verlassen. Guido hat seine Buchhandlung erhalten, er und sein Sohn Giosus wollen etwas für die Mutter kaufen, aber vor dem Laden steht das Schild "Eintritt für Hunde und Juden verboten". Schon hier sehen wir, wie Guido seinem Sohn mit lustigen Geschichten die wirkliche Situation zu verheimlichen versucht. Wenn dort der Eintritt für Juden und Hunde verboten ist, so woanders für Chinesen und Känguruhs, und ihren Buchhandel wollen sie für Spinnen und Westgoten verbieten.

 

Kurz darauf werden Guido und Giosus abgeholt und wie die anderen Juden des Ortes in die Viehwaggons zum Transport ins Konzentrationslager gebracht. Dora verlangt, daß sie mitkommen kann. Das ist inszeniert als eine Geste großer Liebe, aber Benigni benutzt sie auch, um ohne Dämonisierung die kalte Gründlichkeit der deutschen Soldaten zu zeigen. Weder sind diese Deutschen bei ihm Marionetten, noch sadistische Monster. Sie funktionieren einfach, freilich mit einem so dummen Stolz auf ihr Funktionieren, daß man ihnen nicht einen Augenblick vergeben möchte.

 

Der Zug fährt durch das Tor des Konzentrationslager, die Häftlinge werden unter ständigem Gebrüll zum Aussteigen gebracht. Es sind Bilder, die andere Bilder zitieren, die selber schon wußten, daß sie das wahre Ausmaß des Schreckens nicht wiedergeben würden. Guido erklärt nun Giosus mit immer neuen Einfällen, daß man sich in einem großen Spiel befinde, in dem es gelte, Punkte zu sammeln, und immer wenn der Junge verzagt, macht er ihm vor, daß man bei ihrem großartigen Punktestand nicht aufgeben dürfe. Dem Tod in der Gaskammer entgeht Giosus indes nur, weil er vor dem Duschen geflohen ist, so wie er es auch zu Hause tat. Nur die Mutter im anderen Trakt weiß, was das bedeutet. Nun wird Giosus in der Baracke verborgen; er darf auf keinen Fall entdeckt werden, sonst gebe es "Punktabzüge". Sogar als Giosus von einem Mann gehört hat, daß sie alle verbrannt und aus ihren Körpern Seife und Knöpfe gemacht werden, gelingt es Guido, dies als takische Lüge im Spiel hinzustellen. So etwas kann man doch nicht glauben! Guido trifft Dr. Lessing wieder, der nun als KZ-Arzt fungiert. Lessing verspricht ihm, etwas für ihn zu tun, wenn er bei einem Abendessen den Kellner macht. Als Giosus schließlich auch inmitten der wohlversorgten deutschen Kinder landet und sich verrät, kriegt Guido durch seinen Einfallsreichtum die Situation noch einmal in den Griff. Aber mit dieser wundersamen Rettung des Sohnes kurz vor der Befreiung des Lagers endet Guidos Glück. Dr. Lessing, noch immer nur mit seinen Rätseln beschäftigt, ist dem Wahnsinn näher als dem Mitleid. Der Augenblick, wenn Guido erkennt, daß er von diesem Menschen keine Hilfe zu erwarten hat, ist die zugleich furchtbarste und präziseste des Films, eine Szene, die jede falsche Versöhnung zunichte macht. Als die Kunde vom Heranrücken der amerikanischen Armee kommt, versucht Guido, in dem Durcheinander der Lagerauflösung zu fliehen, bei der die Deutschen durch Massenerschießungen die Baracken leeren. Er wird gefangen und erschossen, fast beiläufig geschieht das. Giosus dagegen sieht endlich vor sich, was ihm die ganze Zeit über als Geburtstagsgeschenk und als Spielgewinn versprochen war: einen Panzer.

 

Vieles von dem, was in der ersten Hälfte des Films spielerische Trickserei war, wird nun letzte Hoffnung fürs Überleben, und es erschließt sich im Nachhinein vieles von der verborgenen Bedeutung auch leichter Komödienszenen im ersten Teil. So hat Guido von seinem Freund Ferrucio eine sehr praxisnahe Anwendung von Schopenhauers "Welt als Wille und Vorstellung" gelernt, und Schopenhauer scheint nun zu helfen gegen deutsche Schäferhunde. Das "Deutsche" wird Guido in seiner furchtbaren Ambivalenz vor Augen geführt, es ist zugleich Kultur und Barbarei, es ist Literatur und Musik, und es ist die schnarrende Brüllsprache der KZ-Wächter und -Wächterinnen. La vita e bella erzählt nicht von einem möglichen Widerstand, aber immer wieder erweitert sich der Kampf des Helden zu Signalen der Hoffnung für die anderen. Darin ist er dem Roman und dem Film Jakob, der Lügner verwandt. Und als Guido erschossen wird, setzt das gleiche Musikmotiv ein, das auch bei der Einfahrt des Zuges zu hören war. Es geht um den einzelnen, aber es geht nicht nur um den einen, der in der Kinophantasie zu retten gewesen wäre.

 

Roberto Benigni hat das Kunststück fertiggebracht, ein Märchen zu erzählen, in einem Film, der nie vorgibt, etwas anderes zu sein als ein Märchen, in Bildern, die sich weniger aus der Rekonstruktion der Wirklichkeit als aus den vorhandenen Bildern entwickeln, aus Zitaten, Übermalungen, Stilisierungen, und gerade, weil er nicht vorgibt, den wahren Schrecken eines Konzentrationslagers beschreiben zu können, bleibt uns eben dies auch gegenwärtig: Es war viel schlimmer, es war schlimmer, als es irgendein Mensch, irgendein Bild, irgendeine Erzählung aushalten kann. Aber noch im Märchen ist kein Platz für die Verkleinerung des Schreckens und der Schuld, und wenn auch das Böse nur als Karikatur des Bösen und das Gute nur als das geträumte Gute vorkommen kann, so ist das eine doch so wenig verharmlost wie das andere verkitscht. Eine Auflösung in Sentimentalität findet ebenso wenig statt wie es eine Hoffnung auf Sinn und Gerechtigkeit gibt.

 

Nein, man wird nicht versöhnt durch diesen Film, nicht beruhigt und nicht entlastet. Daß den Sanftmütigen die Welt gehören könnte, hat Benigni in allen seinen Filmen gesagt, vorausgesetzt sie entwickeln eine Portion Unverschämtheit. Hier retten Sanftmut und Unverschämtheit ein Kind, retten, vielleicht, eine kleine Hoffnung. Das ist sehr viel, und viel zu wenig. Daher enthält der Film auch eine Selbstkritik an der Benigni-Figur. La vita e bella erzählt einen Traum, und er warnt uns zugleich vor dem Träumen.

 

Georg Seeßlen

 

Diese Kritik ist zuerst erschienen bei: epd film

 

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale weitere Kritiken

 

Das Leben ist schön

(La Vita È Bella)

von Roberto Begnini, I 1998, 124 Min.,

mit Roberto Begnini, Nicoletta Braschi

Drama.

Start: 12.11.98

 

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