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Leg
dich nicht mit Zohan an
Anarchie
ist kein Zustand
In "Leg dich nicht mit Zohan an"
wird aus einem israelischen Superagenten ein frauenliebender Figaro. US-Komiker
Adam Sandler zeigt jüdischen Witz und Infantilismus.
Das hätte sich der jüdische
Witz auch nicht träumen lassen, dass er einmal die Gestalt des Komikers
Adam Sandler annehmen würde. Für seine sophistication, seine neurotischen Seiten und seine
komplizierten Beziehungen zum Unbewussten ist der jüdische Witz berühmt
- nichts davon taucht in der Komik des Adam Sandler auf. Er stellt immer naive
und kindliche Figuren dar, die, wenn nicht gar infantil, immer direkt und höchstens
arg arglos sind. Und sie sind oft jüdisch; so heftig wie in seinem neuen
Film "Leg dich nicht mit Zohan an" ritt Sandler auf dieser Tatsache
noch nie herum.
So überdreht wie auf uninteressante
Weise geschmacklos und auch mal homophob waren meist die Scherze der frühen
Jahre. Seit Ende der Achtziger schrieb Sandler Sketche für die legendäre
Comedy-Show "Saturday Night Live" und trat bald selbst auf. Sein erster
großer Erfolg war der auf YouTube viel gesehene "Chanukah Song",
ein Trostlied fürs weihnachtslose Judentum. 1995 dann der Abschied von
"SNL", erste Versuche auf der großen Leinwand, wo Sandler dann
mit Riesenerfolgen wie "Happy Gilmore" (1996) bis zu "Chuck und
Larry" (2007) jeweils deutlich über hundert Millionen Dollar einspielte.
Er gründete die Firma "Happy
Madison", die seitdem seine eigenen und gelegentlich auch andere Filme
produziert. Das Kind im Mann aber blieb sein Rollenfach, selbst in der exzentrischen
Komödie "Punch
Drunk Love" (2002),
für die Meisterregisseur Paul Thomas Anderson dem Schauspieler die Figur
eines von der Liebe übermannten Jungunternehmers auf den Leib schrieb.
Schon die Stimme Sandlers neigt zum Quengeligen; es ist die Stimme eines Mannes,
der nie sich einfach so ins von ihm Erwartete fügt, erst recht aber nicht
souverän über den Dingen steht. Seinem Widerstand fehlt das Programm;
Sandler-Figuren handeln immer kurzsichtig, sie gehorchen Impulsen und entwerfen
nicht Strategien. Sie sind nie anti-, immer nur a-intellektuell, auch wenn seine
Komik oft in Populismus zu kippen droht.
Es fehlt ihnen, stellt Winona Ryder als
Reporterin, die ihn aufs Kreuz gelegt hat, in "Mr Deeds" (2002) fest,
an der "ironischen Distanz" zur Welt. Die Beobachtung zweiter Ordnung
ist nicht der Sandler-Figur Ding. Sie ist ganz Tun und Wollen und darin Kind.
Das hat eine psychologische und eine geografische Komponente. Auf den ersten
Blick ist Sandler der Vertreter des amerikanischen Kernlands, dessen Werte,
wenn auch nicht dessen Engstirnigkeit, er durchaus verkörpert. Das New
York, in dem viele seiner Filme spielen, wird durch den Sandler-Charakter für
den Mittleren Westen oft erst erträglich. Er macht New-York-Filme für
Nicht-New-Yorker. Das gilt auch und erst recht für die 9/11-Aufarbeitung
"Reign Over Me" (2006), Sandlers nur bedingt erträglichen Wechsel
ins ernste Fach. Der Held des Films, Charlie Fineman, hat Frau und Kind beim
Terroranschlag verloren, will das aber nicht wahrhaben, igelt sich ein und verleugnet
die Wirklichkeit. Ein hochneurotischer Akt, aber Sandler gibt Fineman als verletztes,
gekränktes Kind, das sich vorzugsweise nachts mit einem Motorroller durch
Manhattan bewegt. Das schlagende Dingsymbol für einen, der nicht erwachsen
werden will: ein Roller, aber motorisiert.
Das ist die eine Seite. In den meisten
Filmen blitzt auch die andere auf: das anarchische Potenzial des Infantilen.
Das sich in der Weigerung offenbart, nach den Regeln der Erwachsenen zu spielen.
In der Liebe zum Lustprinzip, einem Hedonismus, der in den Händen des reinen
Toren niemand anders als der Sandler-Figur zum Karriere-Nachteil ausschlägt.
Da liegt eine Nähe zum Universum des im Moment erfolgreichsten aller Hollywood-Komödien-Produzenten
Judd Apatow. Dessen Helden - in "Jungfrau (40), männlich sucht …"
(2005) oder "Knocked Up" (2007) - sind nicht ewige Kinder, sondern
ewige Jungs. Eigensinnig festgefroren in der Adoleszenz; also neurotischer,
also verklemmter, also sehr viel mehr befangen in Wunscherfüllungsfantasien.
Frauen haben im Sandler-Infantilismus wie im Apatow-Pubertismus in erster Linie
Erlösungsfunktion. Wenn die Träume wahr werden, und das müssen
sie in der Komödie, sind die schönen Frauen die Gestalt, die sie annehmen.
(Nun kann man die Unfähigkeit und den Unwillen, erwachsen zu werden, natürlich
ebenso typisch männlich finden wie die Form der Low-brow-Komödie,
in der Hollywood seit einigen Jahren so atemberaubend exzelliert. Die Frage,
warum es derzeit keinen gleichwertigen weiblichen Entwurf eines komödiantischen
Anarchismus gibt, ist damit noch nicht unbedingt beantwortet.)
In "Leg dich nicht mit Zohan an"
kommt es jetzt zur Vereinigung des Sandler- und des Apatow-Universums. Sandler
wendet das jüdische Moment diesmal in Richtung Nahostpolitik. Von der Apatow-Seite
wächst sich das Wunscherfüllungsszenario zur Superheldenstory aus.
Das Ergebnis ist spektakulär. Die Sandler-Apatow-Kollaboration - die im
nächsten Jahr unter der Regie Apatows mit "Funny People" fortgesetzt
wird - produziert den israelischen Agenten "the Zohan" als omnipotenten
Mann, der allzeit bereit ist. Sein palästinensischer Gegenspieler ist "The
Phantom" (gespielt von Sandler-Regular John Turturro) und Zohan hält
ihn in Schach. Jedoch erfährt er das superagentische Wirken, das dem Film
Anlass zu allerlei krudem Körper-Slapstick gibt, als entfremdete Arbeit.
Zohan träumt von einem Leben als Friseur. Der legendäre New Yorker
Hair-Stylist Paul Mitchell ist sein Idol, "seidig-glatt" sein Lieblingswort.
Also inszeniert the Zohan seinen Tod und
schmuggelt sich als Luftfracht nach New York, einzig das Paul-Mitchell-Muster-Buch
aus den Achtzigerjahren im Gepäck. Was folgt, ist der amerikanische Aufstiegstraum:
vom israelischen Superagenten zum Friseur im palästinensischen Salon. Der
weitere Verlauf ist reich an brillanten, bescheuerten und brillant bescheuerten
Pointen. Heraus kommt ein sehr eigenwilliger Entwurf von Völkerverständigung
und auch von Metrosexualität. Zohans Spezialität wird die Rundum-Beglückung
älterer Kundinnen; erst frisiert er sie in der Vorderstube, dann vögelt
er sie nebenan ohne Hintergedanken, dass die Wand wackelt. Es ist dieser Dauersex
aber auch nur eine als Omnipotenzfantasie getarnte Form typisch Sandlerscher
Unschuld. Noch die schmutzigste Zote kommt bei ihm aus Kindermund und im Sex
demonstriert er nicht mehr und nicht weniger, als dass er der Welt freundlich
zugetan ist.
Entschiedener als zuvor treibt "Leg
dich nicht mit Zohan an" die Sandler-Infantilität in pure Anarchie.
Im Guten wie im Bösen scheint in jedem Moment alles möglich. Die Katze
als Fußball. Freihändige Liegestütze. Sex mit der Vermieterin,
die seine Mutter sein könnte. Die Liebe zu einer Palästinenserin.
Der totale Unernst ist der Zustand, den die Low-brow-Komödie - nicht anders
als am anderen Ende des Spektrums die Screwball-Komödie mit all ihrer sophistication
- sehr ernsthaft anstrebt. Erst im Zustand totalen Unernsts wird möglich,
was im hyperkorrekten Gegenwartshollywood sonst gar nicht geht: ganz schlechte
Scherze über Israelis und Palästinenser. Die Kopulation des Unvereinbaren
in Sex und Witz. Zotige Bemerkungen über Michelle Obama und Cindy McCain.
Eine Mariah Carey, die sich unmöglich macht. Das Bekenntnis zu Fetischismen
aller Art. Die Achtzigerjahre als Stilideal.
Ungelöst bleibt nur das zentrale
Problem der Komödie: Sie muss ausgehen, und auch noch gut. Die Anarchie
ist kein Dauerzustand. Alles endet immer mit Ehe, Erwachsenwerden, Friede, Freude,
Friseursalon. Das Begehren und die Anarchie werden stillgestellt und entbinden
ein utopisches Moment als ihr Ende. Es hat dieses Ende nur regelmäßig
und leider auch in "Leg dich nicht mit Zohan an" eine verdammte Ähnlichkeit
mit dem Schlechten, das schon besteht.
Ekkehard Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in der taz
Leg
dich nicht mit Zohan an
USA 2008 - Originaltitel: You Don't Mess with the Zohan - Regie: Dennis Dugan - Darsteller: Adam Sandler, John Turturro, Emmanuelle Chriqui, Nick Swardson, Lainie Kazan, Rob Schneider, Ido Mosseri, Dave Matthews - FSK: ab 6 - Länge: 112 min. - Start: 14.8.2008
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