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Der letzte König von Schottland
Die Welt hat viele Gesichter von Idi Amin Dada kennengelernt, auch wenn allein das Bild des blutrünstigen Schlächters die Zeit überdauert hat. Woran man sich heute kaum noch erinnert, ist der General Amin als Mann des Volkes, der sich bei öffentlichen Auftritten tanzend unter “seine Leute” mischte. Oder der Staatsmann Amin, dessen Tiraden gegen den imperialistischen Westen Anfang der Siebziger Jahre auch in den Überresten der amerikanischen “Black Power”-Bewegung begeistert aufgenommen wurden. Nicht zu vergessen der charismatische Plauderer, der sich einmal lachend zum “letzten König von Schottland” ernannte – auch, um die Briten, seine ehemaligen Mitstreiter, zu provozieren.
Wie schwierig es ist, eine Person,
die die Bilder so beherrschte wie Amin (und von dem gleichzeitig ein unkalkulierbares
Bedrohungspotential ausging) mit Hilfe von Bildern zu fassen zu kriegen, musste
1974 auch Barbet Schroeder erfahren. Der französische Regisseur war damals
nach Uganda gereist, um eine Dokumentation über den zu dem Zeitpunkt international
bereits scharf kritisierten Diktator zu drehen, musste vor Ort aber erkennen,
dass er Amins Bauernschläue nicht gewachsen war. Sein Film „Général
Idi Amin Dada“ kam schließlich mit dem Zusatz „Autoportrait“ in die Kinos
- Selbstportait. Amin degradierte Schroeder zum Chronisten seines fortschreitenden
Wahns. Auch Forest Whitakers Oscar-gekrönte Darstellung von Idi Amin in
Kevin MacDonalds Spielfilmdebüt „Der letzte König von Schottland“
orientiert sich nur vage an der realen Figur; das Bild, das dabei von Amin entsteht,
ist ein relativ schmeichelhaftes. In Schroeders “Selbstportrait” war er noch
weniger gut weggekommen; seine Artikulationsfähigkeit war rudimentär
und sein Antisemitismus schwer erträglich.
Whitaker spielt diesen Amin
nun als lauten, charismatischen Verführer. Bei seinem ersten Auftritt,
wenn er vor die Bevölkerung tritt und eine bessere Zukunft ohne Korruption
und Hunger verspricht, springt er auf die Bühne wie ein Rockstar. Als später
der Präsidentenkonvoi durch die Hauptstadt Kampala rollt, läuft im
Hintergrund der funkige Afrobeat von Tony Allen. Und der Empfang im Regierungspalast
erinnert eher an ein Gelage; die Fassade diplomatischer Würden ist bloß
noch schöner Schein. Amin war berüchtigt für seine exzessiven
Privatpartys, auf denen reichlich Alkohol floss. Da macht nicht nur Nicholas
Garrigan, ein junger schottischer Arzt, der beim Weltreisespielen am Globus
mit seinem Finger am falschen Ort hängengeblieben ist, große Augen.
Den “Fängen der Macht”, die der deutsche Verleih gewohnt platt an den eingedeutschten
Originaltitel geklatscht hat, will er sich nicht entziehen. Er tauscht sein
schottisches Fußballtrikot gegen Amins Uniform, und das Teil sitzt sofort
- auch wenn es ihm wie ein Zelt am Körper schlabbert. Da geht er hin, der Idealismus der
reichen Bürgersöhne, und hinterher gleich noch die Moral.
“Der letzte König von Schottland”
basiert auf Giles Fodens gleichnamigem Roman über einen fiktiven jungen
Azt, den es auf der Flucht vor seinem repressiven Elternhaus nach Uganda verschlägt,
wo er eine Assistentenstelle in einer kleinen Krankenstation annimmt. Aber dieser
Nicholas Garrigan, gespielt von James McAvoy, ist kein Heiliger, nur ein verwöhnter,
gelangweilter Junge aus gutem Hause, auf der Suche nach exotischen Abenteuern.
Nach der Ankunft schläft er erstmal mit einer Afrikanerin. Als die Frau
des Stationsnarztes ihn fragt, was er in Afrika mache, weil er nicht wie jemand
aussehe, der dorthin gehöre, antwortet er, dass er etwas Gutes tun wolle.
Richtig überzeugend klingt das nicht. Gegen die Engländer verteigt
er Amins Regime als die erste afrikanische, auch wirtschaftlich erfolgreiche
Unabhängigkeitsbestrebung, aber so naiv ist er nicht. Das ölige Lächeln
eines wieselähnlichen englischen Diplomaten spricht Bände.
McAvoy legt genau die richtige
Verschmitztheit an den Tag für einen Jungen vom Lande, der glaubt, Afrika
würde nur auf ihn warten. Garrigan ist fasziniert von Amin, mit seinen
flapsigen Witzen, seinem väterlichen Habitus und den vier Ehefrauen. McAvoy
und Whitaker ergänzen sich perfekt: ein Duo Infernal. Der Teufel und sein
Adjutant. Denn eigentlich handelt “Der letzte König von Schottland” von
einem mephistophelischen Deal. Garrigan kauft sich ein neues Leben, ohne zu
ahnen, welchen Preis er dafür zu zahlen hat.
In “Im Herzen der Finsternis”,
dem Urtext der Kolonialliteratur, schildert Joseph Conrad die Konsequenzen des
Kolonialismus, entlarvt gleichzeitig aber auch die eigenen rassistischen Vorurteile,
die diese Politik bedingen. Viel hat sich seitdem am Blick auf Afrika nicht
geändert, auch nicht im Kino, wo “das afrikanische Leid” immer wieder durch
weiße Protagonisten erzählbar gemacht wird. Auch “Der letzte König
von Schottland” folgt diesem alten Reflex, ohne jedoch den rassistischen Mustern
auf den Leim zu gehen. Foden wie MacDonald verschweigen nicht, dass Amin ein
Ziehkind der Briten war, die sich mit ihm als politische Marionette ihren Einfluss
im wohlhabenden Uganda zu sichern erhofften. Aber die postkolonialen Strukturen
werden im Film weitgehend ausgeblendet. Whitakers Amin wirkt eher wie eine Art
Hannibal Lector - auch wenn die vom Westen lancierten Gerüchte, Amin wäre
ein Kannibale, natürlich reine Propaganda waren (die alten Rassismen aber
erneut bestätigten).
Das eigentlich Bedrohliche (und
für Garrigan zugleich Faszinierende) an Amin ist seine Macht und Stärke,
die im Film langsam paranoide Züge annehmen. Amin schien der festen Überzeugung,
dass der Westen ihn nicht wegen seiner Grausamkeiten verfolgte (300 000 Menschen
wurden Opfer seiner politischen Säuberungen; viele der Leichen endeten
als Krokodilfutter), sondern weil er einfach “zu gut” war. Seine politische
Macht ist immer auch sexuell konnotiert. Potentat kommt nicht von ungefähr
von Potenz. In “Général Idi Amin Dada“ liess er sich mit einem
Dutzend seiner Kinder filmen. Und der englischen Königin bot er einst einen
Besuch in Uganda an, falls die mal einen richtigen Mann brauchte.
In der besten, wahnsinnigsten
Szene des Films kehrt Garrigan in den Regierungspalast zurück und findet
dort im Halbdunkel (ähnlich wie Marlon Brando in “Apocalypse Now”) einen von Paranoia zerfressenen Amin vor, der sich gerade “Deep
Throat”, den Siebziger Jahre-Porno, ansieht. Mit dem Kollaps der Omnipotenz
kommen die infantilen Verhaltensmuster wieder zum Vorschein. “Sie sind ein Kind,” sagt Garrigan
einmal zu Amin,” das macht sie so gefährlich. “Der letzte König von
Schottland” legt nah, dass Amin tatsächlich unter Wahnvorstellungen litt.
Das “Herz der Finsternis” befindet sich nicht im afrikanischen Dschungel, sondern
in Amins Gemächern.
Andreas Busche
Dieser Text ist
zuerst erschienen im: fluter
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Der letzte König von Schottland - In den Fängen der
Macht
Großbritannien / Deutschland 2006 - Originaltitel: The Last King of Scotland - Regie: Kevin Macdonald - Darsteller: Forest Whitaker, James McAvoy, Gillian Anderson, Kerry Washington - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 16 - Länge: 123 min. - Start: 15.3.2007
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