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Die
letzte Rache
Gerissen
Im Film von 1982 hinkt ein deutsches Mädchen,
ganz wie im legendären "M
– Eine Stadt sucht einen Mörder"
fünfzig Jahre zuvor, auf dem Himmel-und-Hölle-Muster herum, auf der
Straße. Sie wird angesprochen von einem schönen, gescheiten und kräftigen
Jungen. Nein, sie wird angesungen, und die tolle Musiknummer hat den zurückgenommenen
Charme von Andreas Dorau, neuer Star der achtziger Jahre - und Darsteller in
der "letzten Rache". Übrigens wird die Frage "Kann ich mit
Dir gehen?" strophenweise verneint. Schön? Gescheit? Kräftig?
"Du bist es nicht". Bis, ja, bis es klappt: "Ich küß’
Dich, Du bist gerissen".
Wenn die ganze "letzte Rache"
schön, gescheit und kräftig funktioniert, dann, weil sie zum Lieben
gerissen ist. - Schön frech, wie die Filmmacher das, was sie am Film liebten,
sich zu eigen machten und zur Brust nahmen. „Das Cabinet des Dr. Caligari“? Der
deutsche Filmexpressionismus der zwanziger Jahre? Die kubistisch entgleisende
Stadtarchitektur von "Metropolis"? Die prononcierende Sprache von Zwischentiteln, gar der
Mimen der ersten Tonfilme? - All das und viel mehr, weil abgezogen und überführt
in die eigene Welt von Punks, Avantgardekünstlern, Performance- und Musikgruppen
der frühen Achtziger. Die Anarchistische Gummizelle war an der "letzten
Rache" beteiligt, und das Cineastengut möbliert jetzt eine Wohngemeinschaft.
Sagen wir schnell dazu, dass die Kamera, die Bauten,
die Schauspieler, die Musik topp professionell sind, aber eben immer gut drauf
und schräg und frech. Der "Welt-Kenner" lässt große
Worte ab, der sexy Gewichtheber aber hat die Hose offen, weil "die Kraft
ist meine Stärke". Drei singende Fischköpfe kommentieren die
Handlung wie der Chor das antike Drama. Das ändert nichts daran, dass ganz
im Stil der Moorsoldaten ein irrer Chor das "Wir sitzen im Gefängnis
und arbeiten schwer / hack, die große Plag / hack, den ganzen Tag"
zum Besten gibt.
1982 war das ZDF („Das kleine Fernsehspiel“) noch
neugierig auf Rezipienten, die aktiv werden und ihren eigenen Film machen. Ich
sag’s aber jetzt lieber unakademisch und in eigener Sache. Wir haben 2006 und
ich bin wieder verliebt. In "Die letzte Rache".
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist auch erschienen
im Booklet der im Sommer 2006 neu bei www.monitorpop.de veröffentlichten DVD von
„Die letzte Rache“
Die
letzte Rache
BR
Deutschland - 1982 - 85 min. – schwarzweiß - Experimentalfilm, Märchenfilm,
Science-Fiction-Film - Verleih: Lerm-Film - Erstaufführung: 4.11.1982 ZDF
- Produktionsfirma: Lerm-Film
Regie:
Rainer Kirberg
Buch:
Rainer Kirberg
Kamera:
Hans-Peter Böffgen
Musik:
Der Plan
Schnitt:
Rainer Kirberg
Darsteller:
Gerhard
Kittler (Herrscher)
Paul
Adler (Sohn)
Anke
Giesecke (Tochter)
Erwin
Leder (Weltkenner)
Volker
Niederfahrenhorst (Wissenschaftler)
Josef
Ostendorf (Kommissar)
Frank
Fenstermacher (Assistent)
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