Lieber Fidel - Maritas Geschichte
Im Fernsehen: Ein alter, bärtiger Mann beim Bad im Meer. Davor: Eine
kaum jüngere, etwas aufgedunsene, etwas zerzauste Frau. "Alter
Knacker, ich liebe Dich immer noch..." ruft sie der Gestalt auf dem
Bildschirm zu.
Eine rührende, eine gewöhnliche Liebesgeschichte?
Der Mann ist Fidel Castro. Die Frau ist Marita Illona Lorenz.
Maritas Bruder muss lachen, wenn er erzählt. Er konnte immer kaum
glauben, was er von seiner Schwester und ihrem abenteuerlichen Leben
so erfuhr; er kann es wohl immer noch nicht recht. Das ist gut
nachzufühlen: Man guckt diese Doku und wartet nur drauf, dass wer die
Stop-Taste drückt und sagt "War alles ein Scherz". Als Kind überlebt
Marita Lorenz das KZ, als 19-Jährige verliebt die Kapitänstochter
sich in Fidel Castro - und er sich in sie. Dann wird sie CIA-Agentin,
soll Castro töten, bringt es nicht über sich. Sie hat ein Kind mit
Fidels Erzfeind, General Marcos Pérez Jiménez. Aber mit der
Kennedy-Ermordung kann sie doch nicht auch noch was zu tun haben? Sie
hat. Und jetzt sitzt sie als Sozialhilfeempfängerin in New York und
will einmal noch nach Kuba, um ihren geliebten Fidel wiederzusehen...
begleitet von einem Filmteam aus Deutschland.
Es ist schade, dass der preisgekrönte TV-Journalist Wilfried
Huismann seinen Gesprächspartner so sehr vertraut, so wenig
nachbohrt. Da wird bei so vielem nur an der Oberfläche gekratzt, wird
gerade über die Zeit beim Geheimdienst so schnell sich zufrieden
gegeben mit Anekdötchen und Privatem, und selbst da meist mit der
erstbesten Aussage.
Klar ist der Stoff überreich für anderthalb Stunden, wäre jedes
Kapitel von Marita Lorenz' Leben einen eigenen Film wert, kann LIEBER
FIDEL prinzipiell nicht alles leisten, was man sich vielleicht
wünschen würde. Aber dann verschwendet Huismann auch noch die
kostbaren Minuten: Er hat kein Vertrauen in die Kraft der Geschichte
und der Gespräche und entfaltet filmisch eine panische, recht
beliebige Geschäftigkeit, stopft alles mit Archivaufnahmen,
nachgestellten Szenen, Musiknummern, Bildern, Bildern, Bildern gleich
welcher Herkunft voll. Da gibt's minutenlange Auftritte einer
kubanischen Band, gibt's zu Erklärungen über die politische Situation
Anfang der 60er eine Revuetänzerin zu sehen... Und jede noch so
kleine Stille wird in Soundtrack-Gedudel ertränkt: Nichts an
Interpretations-Arbeit soll das Publikum selbst leisten müssen, alles
will besonders anschaulich wirken, soll Vorstellung und Gefühl
anheizen und steuern. Das Resultat davon aber ist schlicht, dass
Huismann jeglichen Zugang zu den Wahrheiten hinter den Fakten
verstellt.
Letztere sind immerhin so bizarr, spannend, faszinierend, dass sie
den Film dennoch allemal sehenswert machen. Aber eben auch so bizarr,
spannend, faszinierend, dass sie eine bessere Dokumentation verdient
hätten.
Thomas Willmann
Dieser Text ist zuerst erschienen bei:
Lieber Fidel - Maritas Geschichte
D 2000 - 92 Minuten -
Regie: Wilfried Huismann
Kamera: Reinhard Gossmann
Drehbuch: Wilfried Huismann
Besetzung: Marita Lorenz u.a.