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The
Life and Death of Peter Sellers
Hollywood
is a State of Mind
Wenn
die Filmbranche einen ihrer Protagonisten porträtiert, ist die Perspektive
oft durch ein Verhältnis von Intimität und Distanz gekennzeichnet:
Intimität in der Annäherung an die porträtierten Figuren und
Umstände, von denen der Autor die kleinsten biographischen Details zu kennen
vorgibt; Distanz durch das Dokumentarische, das das Porträt authentisiert
und jedwede emotionale Beteiligung des Autors von sich weist. Bleibt dieses
Verhältnis wie im Fall von "The Life and Death of Peter Sellers"
in der Waage, ermöglicht es dem Betrachter bereits beim Zuschauen einen
Blick hinter die Funktionsmechanismen biographischen Filmerzählens.
Der
Film wirft ein Schlaglicht auf die Karriere Peter Sellers' ab den späten
50er Jahren und seinen großen Einstieg in die Filmbranche, der gleich
1960 mit der Verleihung des British Film Academy Award für seine Rolle
in "I'm All Right Jack" begann. Der erfolgsorientierte Sellers überwirft
sich mit seiner Frau Anne wegen einer nie zustandegekommenen Affäre mit
Sophia Loren und verläßt seine Familie. Er folgt Blake Edwards' Ruf
nach Hollywood, wo er mit "The Pink Panther" den Grundstein seines
Erfolges legt. Neben Engagements für Stanley Kubrick, der Sellers' Vielseitigkeit
zu nutzen weiß, zieht ihn eine Haßliebe immer wieder zu Edwards
zurück - was nicht zuletzt an der fatalen Rolle eines von Edwards bestochenen
Wahrsagers liegt, den Sellers wiederholt um Karriere-Tips bittet. Ruhm und Beliebtheit
(auch bei den Frauen) wächst stetig. Zusehends jedoch leidet Sellers unter
Minderwertigkeitskomplexen und Furcht vor Identitätslosigkeit, was nicht
nur seine Beziehungen ständig gefährdet, sondern auch schlechten Einfluß
auf seine Karriere nimmt.
Das
grundsätzliche Problem von Biopics, daß diese selten auf eine geschlossene
Darstellung von Erzählung und Figurenentwicklung zurückgreifen können,
wollen sie "realistisch" bleiben, wandelt Regisseur Stephen Hopkins
in einen Vorteil, indem er seinen Film beständig den eigenen Rahmen sprengen
läßt. "The Life and Death of Peter Sellers" ist nämlich
nicht nur der Versuch der Abbildung einer Lebensgeschichte, sondern gleichzeitig
auch ein Protokoll dieses Versuchs. So gibt es schon kurz nach Beginn des Films
eine erste Szene, in der der Vater Peters das Set verläßt und - an
das Publikum gewandt - sowohl seine Rolle als auch Peters Entwicklung kommentiert.
Diese Rahmenauflösungen gelangen im weiteren Verlauf des Films immer wieder
zum Einsatz - besonders dann, wenn die dargestellten Szenen aus dem Leben des
Protagonisten einer Fiktion zu -nahezukommen drohen und die Gefahr für
den Zuschauer, in der Erzählung zu versinken, am größten wird.
Versuche
der Authentisierung durch Rahmenauflösung - gleichsam als Unschuldigkeitsbeweis
durch Offenlegung der Produktionsmechanismen - hat es auch in Biopics immer
gegeben - eindrücklich im 2002 entstandenen Derrida-Dokumentarfilm. Doch
anders als bei "Derrida"
verfolgt das Verfahren hier eine erzählerische Strategie im Verbund mit
der Charakterentwicklung der Sellers-Figur. In dem Maße, wie dieser die
Konturen seiner eigenen Persönlichkeit verliert, verdoppeln die kommentierenden
Szenen das schauspielerische Moment in dessen Psyche. Sehr eindrücklich
wird dies, wenn Sellers eigene biographische Katastrophen nachspielt - bzw.
sich in Verkleidung in diese "Szenen" hineinbegibt - den daran beteiligten
Figuren ganz andere Sätze in den Mund legt und die Geschichte damit wieder
begradigt.
"The
Life and Death of Peter Sellers" wird von der Intelligenz seiner Inszenierung,
dem Spiel um Annäherung und Distanzierung vom Erzählgegenstand, vor
allem aber von der großartigen schauspielerischen Leistung Geoffrey Rushs
getragen. Gerade seine Mimesis trügt am meisten. Was man am Ende des Films
über Peter Sellers weiß, ist - wenn der Film funktioniert hat - vielleicht
unklarer als vorher.
Stefan
Höltgen
Dieser
Text ist zuerst erschienen im:
The
Life and Death of Peter Sellers
The
Life and Death of Peter Sellers. GB/USA
2004. R: Stephen Hopkins. B:
Christopher Markus, Stephen McFeely. K: Peter Levy. S: John Smith. M: Richard
Hartley. P: DeMann Entertainment. D: Geoffrey Rush, Charlize Theron, Emily Watson,
John Lithgow, Miriam Margolyes u.a. 122 Min. Warner ab 28.4.05
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