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Lissi
und der wilde Kaiser
Bully Herbig
schließt seine Trilogie der Trivialmythen ab
Mit Lissi und der wilde Kaiser vollendet Bully Herbig
eine Trilogie, die man mit größtem Vergnügen und ohne schädliche
Nebenwirkungen genießen kann. Er hat seinen Stil noch einmal erweitert.
Nicht zuletzt, indem er die Form eines CGI-Animationsfilms wählte, der
in Stil und Technik vielleicht ein bisschen zu sehr am Vorbild Shrek ausgerichtet, aber definitiv konkurrenzfähig
auf dem internationalen Markt der digitalen Bewegungsbilder ist. Dazu gehören
die vergnüglich vorgeführten Standards, wie das Bewegen von textilen
Oberflächen oder des Haars – was in Lissi auch gleich wieder thematisiert wird, in der ja
auch historisch verbürgten Haar-Besessenheit der Heldin (im Übrigen
nicht die einzige Form-Inhalt-Pointe hier), und dazu gehören die Bewegungen
einer entfesselten virtuellen Kamera.
Die Story ist gemischt aus Märchenspiel, Sitcom,
Parodie auf die Sissi-Filme und Actionspaß: Fern im Himalaja schert
sich der Yeti weder um Hygiene noch um Moral. Nach seinem Lieblingssport, dem
Igelwerfen, gerät er indes in die Hölle oder doch nahe dran, und der
Teufel, in ständigem Streit mit seinem Echo, geht auf einen der typischen
Märchendeals ein: Der Yeti muss ihm die schönste Frau der Welt besorgen.
Und die ist natürlich die jugendliche Kaiserin Lissi, von ganzem Herzen
zugetan ihrem Kaiser Franzl, der sich am Hof mit seiner intriganten Mutter,
seinem Marschall und seiner sonstigen Entourage amüsiert, unter anderem
bei Palastgolf mit Mozartkugeln oder Alphornblasen unter Lissis Röcken.
Der Yeti entführt also Lissi, er wird verfolgt von zwei Jägern, dem
Kaiser, seiner Mutter und dem Marschall und allerlei Ungemach. Zwischendurch
muss Franzl an der Liebe seiner Lissi zweifeln, experimentiert die Kaisermutter
mit einem Liebestrank und finden die Flüchtenden Zuflucht auf dem Schloss
des Königs von Bayern, der, wie jeder Besucher einer Führung durch
Schloss Neuschwanstein weiß, unter höllischen Zahnschmerzen leidet.
Am Ende geht natürlich alles gut aus, Lissi und ihr Kaiser sind wieder
vereint, der König ist seine Zahnschmerzen
los, und der Yeti hat einen neuen Freund.
Lissi und der wilde Kaiser
macht rundherum glücklich, Kinder können sich an den Verfolgungsjagden
und den Slapstickeinlagen freuen, Nostalgiker über die Anspielungen auf
die alten Sissi-Filme,
einschließlich der Josef-Meinrad-Gestalt des Oberst Böckl, Jugendliche
können den einen oder anderen transgressiven Gag genießen. Dialekt-
und Typenzuschreibung funktionieren trefflich, alle Figuren haben ausgeprägten
Charakter. Man kann die Bildtechnik bewundern oder das Drehbuch, das so gekonnt
mit Erwartungen und Überraschungen spielt – Bully-Herbig-Fans bekommen
ohnehin von allem doppelte Portionen. Bayern lachen über bayerische Mythen
und Nicht-Bayern lachen über Bayern, Pointen und Effekte sind so dicht,
dass auch der kritischste Zuschauer keine Minute „aussteigt“, und sogar bei
der Farbgebung ist durchaus Bewunderung angesagt.
Es gibt also nichts auszusetzen an diesem Film? Naja,
vielleicht ist es gerade das Todsichere und Durchgearbeitete, das Harmonische
und Harmlose, was einen am Ende dann doch mit ein bisschen Unbehagen entlässt.
Es ist eben ein Film für alle und Yeti. Also für den Mainstream ebenso
wie für ein bisschen Außensicht. Märchen und Satire verhalten
sich so komplizenhaft, dass der Hauch von Bosheit, den sich der Film gelegentlich
leistet, immer nach außen und ins Unverbindliche abgeleitet wird. Anders
als in einem Zucker-Abrahams-Zucker-Film und sogar in einem Shrek-Film geht Lissi
und der wilde Kaiser keinem Klischee
seiner Vor-Bilder tiefer auf den Grund; alle politischen Implikationen werden
weiträumig umgangen, das Wesen des Sissi-Kults bleibt unangetastet, der Zusammenhang von
Familie, Macht und Sexualität satirisch verschont. Das ist eine Geschmacksfrage.
Großartige Zutaten. Gediegene Kochkunst. Nur beim Würzen fehlte es
den Köchen an Mut.
Georg Seeßlen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film 11/2007
Lissi
und der wilde Kaiser
Deutschland
2007. R, P: Michael Bully Herbig. B: Alfons Biedermann, Michael Bully Herbig.
Sch:
Christoph Hutterer, Marc Michel. M: Ralf Wengenmayr. A: Rainer Stock. Animation:
Peter Kaboth. Darsteller: (Stimmen) Michael "Bully" Herbig, Christian
Tramitz, Rick Kavanian, Lotte Ledl, Waldemar Kobus, Henni Nachtsheim, Gerd Knebel
- Pg: herbX. V: Constantin. L: 85 Min. FSK: 6, ff.
Start: 25.10.
(D, A, CH)
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