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Die
List der Frauen
„Nun
schließ' die Augen und hör gut zu..." So fangen gewöhnlicherweise
Märchen an. Und auch dieser Film ist ein Märchen, das - in der innerfilmischen
Welt - eine Mutter im heutigen Marokko ihrer Tochter zur Belehrung über
den Umgang mit dem anderen Geschlecht - List gegen Manneskraft - erzählt.
Doch eigentlich ist es die marokkanische Autorin und Regisseurin Farida Benlyazid,
die uns nach dieser kurzen Rahmen-Intro entführt ins Reich der Sultane,
Großwesire und Gespielinnen, der opulenten Paläste und versteckten
Oasen. Ein andalusisches Volksmädchen soll die Vorlage zu dieser Geschichte
sein. Doch auch einer Scheherazade würde sie gut anstehen. Nur sollten
wir die Augen lieber weit aufmachen, denn es gibt viel zu sehen.
Ein
Sultanspalast. Ein Prinz, der Sultanssohn. Und die schöne Kaufmannstochter
von nebenan, deren vorwitziges Näschen auf dem Balkon in den Basilikumsprossen
schnuppert, ohne sich allzu viel dabei zu denken. So sieht es jedenfalls aus.
Und der Prinz steht, von ihrem Liebreiz gebannt, tagtäglich hinter den
Schlagläden seines Palastes.
Der
Prinz ist eitel, und er liebt viele Frauen, doch an Lalla Aicha hat er den Verstand
verloren. Für klug hält er sich trotzdem. Doch die Kaufmannstochter
ist trotz soviel Anmut keineswegs auf den Kopf oder gar auf den Mund gefallen.
Wieviele Blätter denn wohl das Basilikumsträuchlein habe, will der
Prinz von ihr wissen. Wieviele Sterne denn bitteschön am Firmament prangen,
wieviel Fische im Meer schwimmen und wieviel Worte im Koran sind, kontert sie
en retour.
Punkt
eins also geht klar an Aicha. Die folgenden auch. Und fürderhin quält
den Prinzen nicht nur das unerfüllte Begehren, sondern auch eine grässliche,
fast sogar philosophische Frage: Ob etwa auch unter dem Busen intelligentes
Leben existiert? Aicha wäre eigentlich der praktische Beweis dafür.
Doch der Prinz, ganz Macho, will das nicht glauben. Also befragt er, wie das
ein eingermaßen kluger Prinz tut, die Ratgeber. Ob ihm deren Antwort nicht
gefällt? Jedenfalls hält er erst um Aichas Hand an und sperrt sie
dann in ein Verlies, wo sie solange bleiben soll, bis sie höchstpersönlich
eingesteht, dass die List der Männer die der Frauen übersteigt. Aicha
ist nicht nur klug, sondern auch stur. Und, soviel sei verraten, die List der
Frauen gewinnt.
Mit
rationaler Logik kommt man diesem Film nicht bei. „Es war einmal, und es war
auch nicht", lautet auch das Motto. Schließlich ist auch der letztliche
Sieg der Weiber trotz vieler Königinnen nicht ganz mit der historischen
Realität konform. Doch so simpel ist es nicht mit der Wahrheit. Schon in
ihrem letzten, umstrittenen Film UNE PORTE SUR LE CIEL (1988) hatte Farida Benlyazid,
die einzige marokkanische Spielfilm-Regisseurin, einen weiblich gewendeten Islam
propagiert. Jetzt nutzt sie die von ihr propagierte Weiberlist als Filmemacherin
selbst: Auch ihr Märchen versteckt hinter der durchaus ernst gemeinten
moralischen Erzählung eine an Bilderlust und -witz überschäumende
Hymne an Phantasie und Sinnlichkeit. Ein feministisch-islamisches Techtelmechtel
jenseits propagierter Prüderie, das, im Sinne etwa der Islam-Interpretationen
von Fatima Merrisimi, auch den Schleier umdeutet in ein Instrument, das die
Frau nicht nur versteckt, sondern ihr gerade auch den (versteckten) Blick erlaubt.
In
der Geschliffenheit seines dialogischen Schlagabtausches erinnert dieser Film
manchmal an alte amerikanische Screwball-Comedys. Mit seinen bunten Tableaus
aus original alt-marokkanischen Kostümen, Kissen und Teppichen (siehe Dankesliste
im Abspann) kommt er so prächtig daher, als könnte es irgendeiner
Tausendundzweiten Nacht entsprungen sein. Verwegen werden dabei im Erzählgalopp
Jahre und Handlungssprünge übergangen. Freundliche Mauerlöcher
klaffen im rechten Moment auf. Kinder sind plötzlich da.
Man
sollte über solche Unwahrscheinlichkeiten nicht allzuviel nachdenken, sondern
einfach nur dasitzen und staunen und sich freuen.
Doch
eine Frage bleibt: Warum findet der Prinz eine Gurke in seinem Bett?
Silvia
Hallensleben
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Die
List der Frauen
KEÏD ENSA - LE CONTE DE LA FILLE AU BASILIC Marokko/Tunesien/Schweiz/Frankreich 1999. R und B: Farida Benlyazid. K: Serge Palatsi. Sch: Kathena Attia. M: Mohamed Charraf. T: Faouzi Thabet. Ko: Larbi Lyacoubi, Ayda Diouri. Pg: Tingitania Films/Touza Productions/Waka Films/Cepheide Productions. V: Neue Visionen. L: 90 Min. DEA: Berlinale 1999. St: 23.9.1999. D: Samira Akariou (Lalla Aicha), Rachid EI Ouali (Prinz), Fatma Bensavdane (Dada Mbarka), Abderrahim Bayga (Bilal), Amina Alaoui (Lallamina), Hammadi Amor (Hadj Madani).
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