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Little
Nikita
Ein
sehr hübscher, intelligent gemachter Agentenfilm, spannend und unterhaltsam,
der sich wohltuend von den genreüblichen Klischees unterscheidet und eine
Standardproblematik des US-Films, die Vater/SohnBeziehung, auf raffinierte Weise
einbezieht. Jeffrey N. Grant (River Phoenix), 17, glücklicher Mittelklassejunge,
wünscht sich nichts sehnlicher, als in die Air-Force-Academy aufgenommen
zu werden. Dem zuständigen Offizier (Sidney Poitier) gibt er eine Doppelbegründung,
nämlich 1. „Ich liebe mein Land", 2. „Ich liebe den Geschwindigkeitsrausch".
Der väterliche Offizier, ein Ex-FBI-Mann, hat seinerseits ein doppeltes
Interesse an dem jungen Mann; einerseits will er ihn dazu bringen, die eigenen
Eltern zu bespitzeln, welche vom FBI für untergetauchte KGB-Agenten gehalten
werden; andererseits wirbt er um die Zuneigung des Jungen. Infolgedessen quartiert
er sich zwecks besserer Observation sowie besserer Kontaktmöglichkeiten
als Nachbar der Familie Grant ein, wobei er sich vom Sonny Boy die Frage gefallen
lassen muß, ob er auf Kerle steht. Der Film hält das Thema in Balance,
indem er Jeffreys schöne Lehrerin, die Miß McLaughlin, ins Bett des
Hauptdarstellers Sidney Poitier schickt. Es bleibt bei den Doppelrollen. Poitier
pflegt den Rasen, putzt das Auto und pflegt die spießige Idylle um die
Wette mit Jeffreys Eltern, die als Prototyp der amerikanischen Bürger sich
abends herzlich vor dem heimischen TV-Schirm amüsieren.
Die
Kamera (Laszlo Kovacs) fängt hier wunderschöne, blitzblanke, ruhige
Bilder ein, herzlich und satirisch zugleich. Umso bösartiger bricht dann
die große Action in die Musterszene vom American Way of Life. Ein übler
Killer wird gejagt sowohl vom FBI als auch vom KGB. Jeffrey erfährt, was
das N in seinem Namen bedeutet: Nikita natürlich; schon hat ihn der Killer
gepackt. Da gehen FBI- und KGB-Agent auf die Knie, Seit an Seit, zücken
die Dienstpistolen und verteidigen gemeinsam den jungen Mann gegen den widerlichen
Gewaltverbrecher. Die Aktion glückt, FBI und KGB trennen sich an der mexikanischen
Grenze, friedlich und auf Wiedersehen.
Das
Drehbuch bringt mit beträchtlichem Geschick Bezüge in die Handlung,
die, für sich genommen wenig ergiebig, dadurch Dimensionen und Leben gewinnt.
Die Serien-Motive sind erhalten (Mord beim Wasserski, Mord bei der Delphin-Dressur
usw.), weit darüber hinaus schafft sich der Film jedoch ästhetischen
und politischen Hintergrund. Die sleeping agents werden als sleeping beauty
(zu deutsch: Dornröschen) verklärt, weshalb der Film sehr schöne
Szenen einer Ballettaufführung in einem repräsentativen Theater anbieten
kann.
Sinnreich
ist auch der Gedanke, politische Agenten ausgerechnet im Jahr 1968 untertauchen
zu lassen; das ist eine Elterngeneration, die zwanzig Jahre später jederzeit
wieder aktiviert werden kann, so daß sich mancher Junge fragen kann, ob
Mom or Dad ihn nicht auch als Nikita in die Welt gesetzt haben. Schließlich
ist die weltpolitische Dimension des Films nicht zu übersehen. FBI und
KGB als Verbündete des Jahres 1988 - im Film - weisen überdeutlich
auf die zukunftsorientierte Einschätzung einer US-Filmproduktion hin. Hierzu
ist zu sagen, daß der KGB-Agent im Film mit europäischen Luxusaccessoires
ausgestattet ist, wie sie in den USA gerade in Mode gekommen sind. Der KGB-Agent,
im upper-class-outfit, seriös, korrekt gekleidet, mit Hut, benutzt, wenn
es denn ein Auto sein muß, einen Spitzenmercedes. Ansonsten nimmt er,
was liebenswert ist, als Fetischist öffentlicher Verkehrsmittel ab Mexiko
Grenze den San Diego Trolley, was bedeutet - auf der Fahrt zurück -, daß
alle handelnden Personen krimi-klassisch in einem geschlossenen Raum versammelt
werden können.
Wir
lernen von diesem Film, daß alle amerikanischen Bürgerkinder, soweit
sie einen Nikita in sich haben oder gar so heißen, von der SU behütet
werden. „Russen schießen nicht auf ihre Kinder", verlautbart der
KGB-Agent in einer zentralen Szene. Daheim in seinem mexikanischen Hauptquartier
beherrscht ein Gorbatschowporträt die Szene.
Dietrich
Kuhlbrodt
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in: epd Film 6/88
Little
Nikita
USA
1987. R: Richard Benjamin. B: John Hill, Bo Goldman. K: Laszlo Kovacs. Sch:
Jacqueline Cambas. M: Marvin Hamlisch. T: Jerry Jost, Louis L. Edeman. A: Gene
Callahan. Ko: Patricia Norris. Pg: Columbia. P: Harry Gittes. V:
Columbia. L: 96 Min. FSK: 12, ffr. FBW.-
Besonders wertvoll. St: 19.5.1988. D: Sidney Poitier (Roy Parmenter), River
Phoenix (Jeffrey Grant), Richard Jenkins (Richard Grant), Caroline Kava (Elizabeth
Grant), Richard Bradford (Konstantin Karpov), Richard Lynch (Scuba).
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