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Lolita
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x Lolita
Von
Nabokov über Kubrick zu Lyne
1
Es ist ein fatales System von Übermalungen und Bezügen,
das Filme wie Adrian Lynes LOLITA nicht für sich selbst, sondern immer
nur im Vergleich zu anderem, zur Literatur, zu einem anderen Film, zu einer
aufgebrochenen Wunde im Fleisch der sexuellen Ökonomie, zu einer medialen
Verhandlung öffentlicher Moral sprechen lassen kann. Eigentlich gibt es
nur zwei Möglichkeiten, auf einen solchen Film zu reagieren, nämlich
in der Halbnaheinstellung auf seine eigenen Bilder, oder im Panoramaschwenk
über eine bizarre Landschaft der Mythen und Phantasien.
Man könnte also alle seine Abbildungen, Imitationen,
Korrekturen und Beziehungen ausblenden, um nur von dem Film selbst zu sprechen,
so wie wir bei einem Genrefilm nur wenig Interesse für die literarische
Vorlage und fast gar keine dafür entwickeln, welche sozialen und moralischen
Widersprüche er möglicherweise vertiefen oder beschleunigen könnte.
Dann könnte man sagen, daß LOLITA Adrian Lynes bislang bester Film
ist, was ihn indes noch lange zu keinem Meisterstück macht, und daß
er hinter das kleine Genre der Jeremy-Irons-Filme (Mann in der Lebenskrise verliebt
sich in junge Frau, die Liaison zersetzt seine Familie, seine Karriere, seinen
sozialen Ort, und am Ende ist der Held mehr oder weniger tot) so etwas wie einen
passablen Schlußpunkt setzen könnte.
In Lynes Film funktioniert freilich, anders als in Wayne
Wangs Irons-Film CHINESE BOX, die Projektion dieser Genregeschichte auf einen
konkreten sozialen Ort, genau gesagt auf ein provinzielles Amerika der Nachkriegszeit.
Die locations sind zu einer romantisch-satirischen Reise durch die
USA der fünfziger Jahre arrangiert, und auch der Regisseur ist offensichtlich
dort am inspiriertesten, wo er seine so kompakte wie berechenbare Geschichte
an nostalgischen americana bricht, mehr noch dort, wo er die tragische Geschichte
mit unerwartet ironischen, ja komischen Aspekten bereichert. Wohl gemerkt: Es
handelt sich um eine Tragödie, und aus ihr kein Melodram gemacht zu haben,
ist schon ein kleines Verdienst des Regisseurs.
Die andere Art, sich diesem Film zu nähern, die
schwierigere und vielleicht auch ein bißchen ungerechtere, ist, sich auf
das System der Übermalungen und Beziehungen einzulassen. Dann geht es nicht
nur um Lynes Film, sondern auch um Vladimir Nabokovs Roman, um einen erotischen
Mythos (nebst Erinnerungen an die Wirklichkeit der sexuellen Ökonomie des
Kapitalismus in den Vereinigten Staaten und anderswo), um den grandiosen Film
von Stanley Kubrick (der gerade auf Video wieder veröffentlich wurde) und
schließlich um die Verhandlung jener Schuld, die sich im Mythos aufheben
möchte. Denn in „Lolita" geht es um nichts anderes als um einen alten
Mann, der ein elfjähriges Mädchen mißbraucht, erpreßt
und erniedrigt.
2
Vladimir Nabokovs Roman „Lolita" ist eine Aufzeichnung
aus dem Gefängnis. Diese Perspektive, die keine der beiden Verfilmungen
übernimmt, unterlegt dem Geschehen den Ton verzweifelter Klaustrophobie.
Das Begehren und die Schuld kreisen end- und ausweglos umeinander. Und schon
bevor man sich auf die gerade in ihrer Mehrdeutigkeit so präzise Sprache
des Autors eingestimmt hat, weiß man schon, daß da ein Mann zur
Selbstrechtfertigung und zugleich zur Selbstbefriedigung lügt. Der Literaturprofessor
Humbert Humbert, ein europäischer Immigrant im Amerika der ausklingenden
vierziger Jahre, ist seit einem Jugenderlebnis der unerreichbaren, „dämonischen"
erotischen Faszination des Mädchens zwischen neun und 14 verfallen, deren
furchtbare Anziehungskraft, wie Humbert meint, nur „Künstler und Wahnsinnige"
erkennen. Als Humbert auf Dolores („Lolita") Haze trifft, scheint sich
sein Ideal vollständig zu erfüllen. Um ihr
nahe zu sein, heiratet er ihre verwitwete, ein wenig
vulgäre Mutter Charlotte. Als die bemerkt, was sich zwischen ihrem neuen
Mann und ihrer Tochter abspielt, bricht sie mit Humbert, kommt jedoch gleich
darauf bei einem Verkehrsunfall ums Leben - ein dummer Zufall, der Humbert vor
den Mühen bewahrt, seine Frau selbst umzubringen. Nun holt sich Humbert
das Kind aus dem Sommercamp; Lolita gibt sich Humberts Begehren hin, aber seine
hörige Liebe ist ihr schnell Mittel zum Zweck: Sie erpreßt ihn, so
wie er sie immer wieder mit Drohungen gefügig macht.
Um vermeintlichen oder tatsächlichen Nachstellungen
zu entgehen, begibt sich Humbert Humbert mit ihr auf eine lange Reise quer durch
die USA. Nach einem Jahr von Lehrtätigkeit und Seßhaftigkelt fühlt
er sich wieder verfolgt, und die Reise beginnt erneut. Der Verfolger nimmt nach
und nach Gestalt an: Quilty, der „dekadente" Bühnenautor; und es wird
klar, daß dieser längst mit Lolita Kontakt aufgenommen und ihre Entführung/Befreiung
geplant hat. Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus bleibt Lolita spurlos verschwunden,
alle Nachforschungen verlaufen ergebnislos. Erst drei Jahre später erreicht
Humbert wieder eine Nachricht von ihr: Sie ist verheiratet, erwartet ein Kind,
und sie braucht Geld. Nach einer letzten Begegnung macht sich Humbert auf, den
vermeintlichen Peiniger Clare Quilty zu richten. Im fiktiven Vorwort eines „Herausgebers"
vom Humberts Lebensbeichte heißt es, Humbert sei vor Beginn seines Mordprozesses
an Herzversagen und Lolita bei der Geburt ihres Kindes gestorben.
Zunächst schildert Nabokov in seinem Roman aus dem
Jahr 1954 die Verwandlung des Begehrens in eine Manie. Humbert Humberts Sehnsucht
nach den „Nymphettes" ist eine erotische Verrücktheit, aber zugleich
ist es eine fast schon mathematische, kalte, von furchtbarer Planung bestimmte
Manie, die weder das eigene Glück, noch gar das der begehrten Kindfrauen
umfaßt. Deshalb treibt es ihn in die Waisenhäuser und Erziehungheime,
wo er die Objekte seiner Begierde „straffrei anstarren" kann. Humbert träumt
sich diese Nymphen zu den Komplizen seiner Wolllust, indem er einen Teil seiner
Schuld auf sie projiziert.
Es ist durchaus möglich, daß sich die Fremdheit
des äußeren oder inneren Exilanten in dieser Manie spiegelt, die
das Objekt der Begierde konstruieren muß, weil das Subjekt in der erotischen
Mythologie einer Gesellschaft nicht zu Hause ist. Der entfremdetste aller Männer,
der exilierte Intellektuelle, der aus den Mythen und Territorien gefallene,
alternde Mann, begehrt sein scheinbares Gegenteil, das Mädchen. In der
Tiefenstruktur des Stoffes geht es also um eine Wechselbeziehung von Fremdheit
und Begehren.
Doch diese Struktur ist nun freilich gleichsam unendlich
perspektivisch zu verändern; das Begehren des „falschen" Objekts will
die Fremdheit zugleich überwinden und erklären und verstärkt
sie dadurch noch. Humbert Humbert kommt nicht nur über das Kindliche in
seiner Annäherung an die Frau nicht hinaus, er kommt über das Kindliche
an Amerika nicht heraus. Darin übrigens unterscheiden sich Kubrick und
Lyne in ihren Film-Versionen radikal: Während Kubricks Held gerade die
- kalten - Zeichen der Kindlichkeit begehrt, wird Lynes Humbert Humbert beständig
von ihnen provoziert. Kubricks Held, zumindest darin näher am Roman, sehnt
sich nach dem Kind in der Frau, Lynes Held dagegen sehnt sich nach der Frau
in dem Kind.
Und das ergibt ein neues Problem: „Lolita" ist nämlich
vielleicht gar nicht so sehr eine literarische Figur von Obsession und Entfremdung
- sie ist auch ein amerikanischer Mythos. Das Mädchen steht im Zentrum
aller sozialen Gewalt: Zu ihrem Schutz ist beinahe alles erlaubt, und es in
Frage zu stellen, läßt den Mythos implodieren. Es ist zugleich Rechtfertigung
und Problem des patriarchalen Mannes, der ständig hin- und hergerissen
ist zwischen seinem Begehren und seinem Impuls, an ihrer Unschuld ins Unermeßliche
zu „wachsen".
Dieses Begehren ist weder „natürlich“ noch ..dämonisch",
es ist vielmehr konsequenter Ausdruck einer radikalen Abwehr der Frau. Jeder
Satz von Humbert Humberts Lebensbericht, jedes Kapitel in der Rekonstruktion
seines Mythos, spricht von seinem Haß auf die Frau, die er stets schneller
abzuwerten versucht, als diese in der Lage ist, ihn zu enttäuschen. Nicht
zufällig steht ganz am Anfang die Schilderung der grotesken Situation,
in der Humberts Ehefrau ihre Liebschaft mit einem zaristischen Taxifahrer in
Paris offenbart. „Und Humbert der Schreckliche beriet sich mit Humbert dem Kleinen,
ob Humbert Humbert sie oder ihren Liebhaber ermorden solle oder beide oder keinen."
- Erwähnte ich schon, daß „Lolita" eines der komischsten Bücher
der Weltliteratur ist?
Die Untreue der Frau im alten Europa also treibt Professor
Humbert in die Neue Welt, in der er seine Manie für die Nymphettes ausbildet,
die neben vielem anderen auch die heftigsten Bilder der amerikanischen Kultur
benutzen, all die unterschwelligen Symbole, die sich eine puritanische Gesellschaft
für ihre unterdrückten Wünsche schafft: die Hula-Hoop-Reifen,
die die Becken zum Kreisen bringen, die Lollipops und Sonnenbrillen in Herzform.
Humbert Humbert ist in eine Kultur gekommen, in der kleine Mädchen sich
kleiden und sich geben wie erwachsene Frauen. Seine Empfindung ist nicht codiert
auf dieses semantische Imitationsspiel: Er nimmt die Zeichen beim Wort.
Der Mythos der Kindfrau und der ewigen Reise ist freilich
auch tief in die Western-Zivilisation eingeschrieben. Jeder einsame Cowboy sucht
das Mädchen, das allein in der Lage wäre, auf die vollständige
Zivilisierung (die vollständige Kastration) des Mannes zu verzichten. Aber
auch nur sie verspricht, keine unerfüllbaren Ansprüche an den Mann
zu stellen. Es ist der Puritaner-Kapitalismus, der den Mythos von „Lolita"
hervorbringen muß. Und Humbert Humbert versucht lange, ihn zu erfüllen,
ohne ihn zu zerstören: „Das Kind wittert nichts."
Doch dieser Mythos ist nicht nur aus dem Blickwinkel
Humbert Humberts zu lesen, des Mannes, der seinem eingekerkerten, seriellen
Begehren verfallen ist, sondern auch aus der Perspektive von Lolita, die ihr
Gegenüber nicht minder als Doppelgestalt wahrnimmt: als Liebhaber und als
Vater (oder auch: als Objekt der Ausbeutung und Subjekt des Schutzes). In dieser
Perspektive scheint sie keineswegs als die berechnende Kindfrau, die sich den
ihr hörigen Mann zum willigen Werkzeug macht, sondern im Gegenteil als
das verängstigte, gepeinigte Mädchen, das alle ihre Fähigkeiten
mobilisieren muß, um die Gefangenschaft in den Händen eines larmoyanten
Sadisten zu überleben. Auch Lolita muß an der Unauflöslichkeit
dieses Widerspruchs zugrunde gehen. Nabokov spricht ihre Qual und ihren Ekel
nur allzu deutlich aus, und es ist offenkundig nicht so sehr eine Frage des
Textes als eine Frage der gesellschaftlichen Lesart, daß man die Tragödie
des lüsternen alten Mannes, und nicht die Tragödie des mißbrauchten
Kindes darin gesehen hat.
„Lolita" ist nicht nur die Geschichte eines alternden
Mannes, der einer Kindfrau verfällt, sondern es ist auch die Geschichte
eines Mädchens, das in seiner Suche nach dem Mann an ein wahres Ungeheuer
gerät: an Humbert Humbert, der seine Angst, für sein falsches Begehren
bestraft zu werden, unbarmherzig an sein menschliches Objekt weitergibt und
Lolita unter vielem anderen damit an sich bindet, daß er droht, sie in
ein Erziehungsheim zu geben. Dieses männliche Ungeheuer, das das Schlimmste
von beidem, vom Vater und vom Liebhaber vereint, eine Gestalt reiner Hoffnungslosigkeit,
tritt gleich zweimal an die Stelle eines anderen, verschwindenden Mannes: an
die Stelle des verschwundenen Vaters und an die Stelle von Charlie, Dolores'
erstem Lover. Aber der Ursupator wird selbst von einem Double gejagt, vom nächsten
Stadium der Ausbeutung.
Befreien möchte sich Humbert im Mord an Quilty (dem
Gespenst seiner Schuld) von der Widernatur seines Begehrens, vom dekadenten,
homosexuellen und zuhälterischen anderen, der ihm freilich viel ähnlicher
ist als er wahrhaben will. Beide leben in einer künstlichen Welt, in der
sie ihr Interesse auf ein je „drittes Geschlecht" richten, wie Humbert
einmal die Nymphettes bezeichnet. So wird, zumindest im Roman, ziemlich deutlich,
daß die Manie für die Nymphe noch einen ganz anderen Aspekt hat,
nämlich Humberts Flucht vor der eigenen Homosexualität. Männer
und Frauen, die er nur in abwertenden Bildern voller Sarkasmus und Ekel beschreiben
kann, voller Mordlust, scheinen sich gegen ihn verschworen zu haben. Nur die
Nymphe, dieses dritte Geschlecht, soll sein exklusiver Besitz sein, vor der
Welt verborgen und gegen eine Weiblichkeit gerichtet, die ihn verstoßen
hat. Selbst noch in seiner Gerichtsverhandlung beleidigt er die Frauen unter
den Geschworenen, indem er sie als „Sehr frigide" statt „verehrte Damen"
anredet - es hat sich also nichts in ihm geklärt.
Dolores schließlich ist, weil sie die Erfüllung
der erotischen Manie scheint, gerade ihre Zerstörung. Sie entheiligt die
Manie, weil sie den Mythos der Unschuld entlarvt, ja sie ist nicht einmal mehr
Jungfrau, aber zugleich verlangt sie Humbert einen Transformationsprozeß
ab. Am Ende, als Lolita ganz und gar aus ihrem Mythos getreten ist, ist Humbert
endgültig davon überzeugt, daß er sie liebt. Beide Filme glauben
ihm dabei bedingungslos, mit der Konsequenz, diesem lächerlichen Mann die
Tragödie zu überlassen.
Aber von welcher Art diese Liebe war und ist, schildert
Nabokov mit boshafter Beiläufigkeit im 33. und letzten Kapitel des ersten
Teils von „Lolita". „Im fröhlichen Lepingville kaufte ich ihr vier
Comic-Hefte, eine Schachtel Süßzeug, eine Schachtel Binden, zwei
Colas, ein Manikür-Etui, einen Reisewecker mit Leuchtziffern, einen Ring
mit einem echten Topas, einen Tennisschläger, Rollschuhe mit hohen weißen
Schnürstiefeln, einen Feldstecher, ein Kofferradio, Kaugummi, eine Regenhaut,
eine Sonnenbrille, noch ein paar Kleidungsstücke - Charmis, Shorts, alle
möglichen Sommerfummel. Im Hotel hatten wir getrennte Zimmer, aber mitten
in der Nacht kam sie schluchzend zu mir, und sehr sanft machten wir es wieder
gut. Verstehen Sie, sie hatte sonst ja auch niemanden, zu dem sie hätte
gehen können."
Immerhin ist Humbert Humbert am Ende amerikanischer Mann
genug, um anders als in Europa tatsächlich zum Mord zu schreiten. Er muß
sich von seinem polymorph perversen Widerschein in Clare Quilty (in diesem Namen
spukt ja, neben der guilt als Schuld, auch der quill, der „Federkiel" eines Autors, und nicht zuletzt
der quilt als das Zusammengesetzte) befreien, und dessen Vorname
hat nicht nur einen weiblichen Klang, sondern auch eine Klarheit, die für
Humbert Humbert, den schon in sich Verdoppelten, nicht zu haben ist und der
zu allem Übel mit einem „affektierten britischen Akzent“ spricht. Der Hinweis,
daß es sich bei Quilty ja um einen „praktisch impotenten" Theaterautor
handelt, bleibt bei Lyne unklar, während es bei Kubrick Anlaß eines
makabren Rollenspiels wird. Eine Rivalität der Autoren also (des Lyrikers
und des Dramatikers) gibt dem Todesspiel eine irrwitzige literarische Komponente,
und am Ende wälzen sich die beiden nicht nur mehr oder minder nackt am
Boden, sondern Humbert zwingt Quilty auch, laut sein Gedicht zu lesen, das zugleich
sein Todesurteil ist und das endet: „Für alles was du tatest, für
alles was ich nicht tat mußt du sterben."
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Daß der Roman schlechterdings unverfilmbar ist,
liegt nicht nur an seinem gewagten Thema, es ist vielmehr die literarische Methode,
die sich nicht ins Filmbild übertragen läßt. Von Nabokovs Erzähler
wissen wir nämlich bald, daß wir ihm nicht trauen dürfen, er
maskiert sich, führt uns und vielleicht sich selbst in die Irre. Ihn verrät
nur seine Sprache. Das Filmbild, zumindest in der linearen Erzählweise,
kann solche Irritation nicht erzeugen - mehr noch: Nur jemand, der seinen Helden
so durchschaut wie Nabokov, könnte in einem „Erzählfilm" Zweifel
an der „objektiven" Wahrheit der Erzählung aufkommen lassen. Nicht
umsonst hat Nabokov einmal erklärt, „Lolita" gebe seine frühe
Liebesgeschichte mit der englischen Sprache wieder.
Trotzdem schrieb er zur ersten Verfilmung seines Romans
selbst ein detailliertes Drehbuch, das, so heißt es, für einen etwa
siebenstündigen Film gereicht hätte. Zusammen mit dem Regisseur Stanley
Kubrick überarbeitete der Autor das Script, doch auch von dieser Neufassung
ging, so heißt es, weniger als ein Viertel in den fertigen Film in. Die
englische Produktion LOLITA (1961) entspricht also eher Kubricks Lektüre
des Romans vor dem Hintergrund einer zögerlich sich ihren eigenen Wünschen
und Ängsten öffnenden Gesellschaft als einer filmischen Relektüre
Nabokovs.
Es ist kein Zufall, daß David Lynch Kubricks LOLITA
als seinen Lieblingsfilm bezeichnet hat: Auf den Spuren von Humbert Humbert
und Lolita Haze kommt der Regisseur - schwarz/weiß und Breitwand, das
heißt: hyperreal - in eine amerikanische Provinz, in der der Keim zu Lumberton
und Twin Peaks gelegt ist. Anders aIs Lynes Film geht Kubricks Arbeit weder
psychologisch noch mythisch wirklich auf. Denn wenigstens insofern bleibt der
Regisseur seiner literarischen Vorlage treu, daß er von Anbeginn an ein
Spiel der Täuschungen durchführt, wenngleich er wahrhaft radikal die
Rollen von Täuschern und Getäuschten auf den Kopf stellt.
Kubricks LOLITA ist wahrhaft eine „Aufführung",
nicht nur, weil die Schulaufführung eine Schlüsselrolle spielt und
Peter Sellers einmal mehr seine Verkleidungskünste einsetzt. Schon Humberts
Mord an Quilty, den Kubrick an den Beginn stellt, ist eine theatralische Inszenierung,
und deutlicher als bei Lyne wird bei Kubrick die Richtung der Passion von Humbert:
die Tötung der Frau (der Weiblichkeit) im Zeichen der Nymphette, Humberts
Kugeln treffen Quilty durch das Gemälde einer Frau hindurch.
Quiltys Aufspaltung und Rollenspiele als immer neue Doubles
von Humbert ist der Schlüssel zu einer Satire auf Amerika. Auf den ersten
Blick hat er sozusagen die Fronten klargestellt, die falsche, die Humbert-Leseart
des Textes übernommen, freilich um den Preis, daß seine Lolita (Sue
Lyon) nur noch Reste von Kindlichkeit an sich hat, von denen wir nicht einmal
wissen, wie weit sie gespielt sind. So ist ihre Tragödie von vornherein
ausgeblendet, und Humbert Humberts Nymphen-Mythos scheint eine reine Schimäre,
die sich folgerichtig auch in einem System der Täuschungen und Verdoppelungen
auflöst. James Mason, Kapitän Nemo und Fliegender Holländer,
ist auch hier auf einer romantischen Weltfluchtreise: Seine Lolita ist eine
Begleiterin, die ihn immer wieder in die Wirklichkeit zieht, das scheint Strafe
genug.
Doch aus dem Hintergrund greift da immer dieser Quilty
in mannigfachen Verkleidungen ein und taucht immer als eine Person, die Angst
und Schuldgefühle auslöst, auf, als Psychologe, als Polizist, als
Beamter: der Abgesandte eines fernen Über-Ichs, eine männliche Seele,
die nicht erwachsen werden, die nicht erwachen will, aber vielleicht auch einer,
der, wie so häufig bei Kubrick, heimlich die Fäden zieht, das Spiel
manipuliert, es zum Teil erst erfindet. Und je mehr dieses Thema in den Vordergrund
rückt, desto weniger hat Kubricks Film eigentlich noch mit Nabokovs Text
zu tun. Nicht wer oder was Lolita ist, hat in diesem Zusammenhang Bedeutung,
sondern nur, daß Humberts Beziehung zu ihr etwas Verbotenes hat, daß
sie nicht geheuer ist. Und wie so oft bei Kubrick geht auch mit Humbert Humbert
eine Verwandlung vor; er wird zu einem nur noch mechanisch funktionierenden
Double seiner selbst. Kubrick hat mit dem Mord an Quilty begonnen, um Spannung
zu erzeugen. Dadurch aber gerät Lolita sozusagen durch eine narrative Klammer
in neuerliche Gefangenschaft, als wäre sie nur der McGuffin für einen
Kampf eines Mannes mit seinem Doppelgänger.
Kubricks LOLITA, bei seiner Erstaufführung von kaum
einer Kritik angenommen, ist ein philosophischer Essay in Bildern. Natürlich
ergibt Sue Lyon nicht das Bild einer Nymphette, wie sie Nabokov beschreibt.
Dadurch rückt Humberts Manie in den Hintergrund, im Vordergrund dagegen
steht eine sehr detaillierte Schilderung der Beziehungen von Kaufen, Drohen
und Begehren in der amerikanischen Zeichenwelt.
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Lyne hat einen etwas anderen Zugang zum Thema. Humbert
Humberts Abrechnung mit Quilty am Schluß zum Beispiel ist eine Art blutige
Groteske, die ihresgleichen sucht und tatsächlich der Geschichte eine ganz
eigene Wendung gibt - sie ist, endlich, näher an Nabokov denn an Kubrick,
wenngleich weit entfernt von der Splatter-Komik des Autors: „Ich konnte mich
nicht überwinden, ihn anzurühren, mich zu vergewissern, daß
er wirklich tot war. Er sah danach aus: Ein Viertel seines Gesichts war weg,
und zwei Fliegen brummten darüber, außer sich bei der Witterung eines
unglaublichen Glücks." Andererseits ist man selbst dort noch schnell
bei den Vergleichen: Was Stanley Kubrick in einem einzigen Bild ausdrückt
- Humbert Humberts Schüsse auf Quilty durch das Gemälde einer Frau
hindurch - dazu braucht es bei Lyne reichlich Zeit und Symbolspiel.
Schon deshalb wahrscheinlich beginnt er nicht mit dem
Mord, sondern mit dem (vorweggenommenen) Sterben Humberts. Sexualität,
sagt Rachel Abramowitz zu Lynes Werk, ist für ihn kein Akt der Intimität,
sondern ein gnadenloser Kampf der Geschlechter. 9 I/2 WOCHEN, EINE VERHÄNGNISVOLLE
AFFÄRE und EIN UNMORALISCHES ANGEBOT - es ist immer die Frage nach der
sexuellen Gewalt und Korruption, nicht nur in den Narrationen, sondern in den
„skandalösen" Bildern. Und auch LOLITA leidet unter diesem reaktionären
Geist und fällt damit weit hinter Nabokovs Text, aber auch hinter Kubricks
sarkastische Satire zurück. Der Film ist so unwissend, daß er seinem
Helden jedes Wort zu glauben scheint, daß er nicht anders sehen kann als
durch dessen Augen. Lyne, dieser Tropf, hat nicht Nabokov, sondern Humbert Humbert
verfilmt.
Unbeirrbar erzählt er, anders als Kubrick und anders
gewiß als Nabokov, eine Liebesgeschichte, bei der die Manie allenfalls
marginale Bedeutung hat. Die Gewalt in dieser Geschichte gehört nur so
dazu. Der Film betont vielmehr den klassischen Mythos der verlorenen Liebe:
Humbert liebte als Junge Annabelle, die so früh sterben mußte, und
erschafft sich in den Nymphettes immer wieder neu das Bild der toten Geliebten.
So als wäre Lolita zur jungen Statue eines unter der Last seiner Gier bebenden
Pygmalion versteinert. Eine ausgesprochen romantische Phantasie, die nichts
mit der sexuellen Kälte bei Kubrick zu tun hat. Und Lolita ist nicht nur
die begehrende Begehrte in der Manie, sondern auch die Wiederkehr der verbotenen
Liebe. Lolita hat sein Begehren angenommen, bevor sie ihn zum Abschied küßt,
als sie ausgerechnet zum Lake Climax in die Ferien fährt. Zurücknehmen
kann sie das in Lynes Welt nicht mehr.
5
Kommen wir darum herum, LOLITA und ihre Übermalungen
mit dem in Beziehung zu setzen, was als „Kinderpornographie" neuester Ausdruck
des Bösen in der spätkapitalistischen Gesellschaft
scheint? Daß Nabokovs „Lolita" einem Untergenre
der Pornographie den Namen gegeben hat, ist dem Autor nicht anzulasten (der
schon die erste Veröffentlichung des Werks bei Olympia Press in Paris als
„Mißgriff“ empfand), aber auch nicht ungeschehen zu machen.
„Kinderpornographie" beschäftigt uns, einmal
abgesehen von den medizinischen, forensischen und kriminalistischen Aspekten
(und weil der Schmerz der Kinder gegen die Vernunft, gegen die Natur, gegen
Gott spricht), weil sie auf eine besonders heftige und besonders brutale Art
die Diskurse von Macht und Sexualität zusammenbringt. Wie jede Krankheit,
so ist auch jedes Verbrechen, das für eine Zeit besonders in Gerede kommt
(selbst wenn es nicht in Wirklichkeit zunimmt), vor allem als Metapher wirksam. Es ist Ausdruck
der sexuellen Ausbeutung in einer deregulierten Gesellschaft, gleichsam letzte
Bastion von Scham und Schuld in einem Zusammenhang, der zugleich von Scham und
Schuld entfernt scheint, und mit der Körperlichkeit und dem Bild der Körperlichkeit
immer weniger umzugehen versteht.
Der Mythos der kindlichen Unschuld wird, paradoxerweise,
in der bürgerlichen Gesellschaft durch seine Schändung rekonstruiert,
so wie alle Zustände von Natürlichkeit zuvor in der kolonialistischen
Mythologie nur durch ihre Schändung rekonstruiert werden konnten. Und die
Furcht vor der allfälligen „Kinderpornographie" entspricht nicht nur
der Angst vor der unkontrollierten Kraft des barbarischen (vornehmlich, aber
keineswegs ausschließlich: des männlichen) Begehrens, sondern auch
der vor der moralischen Grenzenlosigkeit der spätkapitalistischen
Bereicherungsethik.
Die sich konservativ verstehende Kritik, stellvertretend
etwa Norman Podhoretz’ Aufsatz in „Commentary", der die Diskussion vom
Film erneut auf das Buch lenkte, versteht den Stoff gerade deswegen als „Verführung",
weil er künstlerisch so gelungen sei. Einmal davon abgesehen,
ob in Nabokovs Roman wirklich so etwas wie eine Verführung zur Pädophilie
auszumachen ist (und ob es so etwas überhaupt geben kann), geht diese Konstruktion
von einer gesellschaftlichen (zumindest männlichen) Gesamtschuld aus. Der
Impuls der Pädophilie müßte in diesem Modell allgemein verbreitet
und nur durch Verbot und Zensur gezügelt sein. Wenn wir indes diesen Gedanken
zu Ende denken, so müßte letztlich jedes erotische Bild, jede erotische
Phantasie ob ihres Potentials an Verführung gefährlich und zu verbieten
sein. Mit anderen Worten: Der seltsame Konflikt um „Lolita" betrifft nicht
nur die Konstruktion oder Rekonstruktion öffentlicher Repräsentanz
von Moral, sondern auch das Verhältnis zwischen Bild und Wirklichkeit.
Wir haben offensichtlich nicht nur, wie die „FAZ" formuliert, „Lolita"
früher „robuster" lesen können, wir haben auch noch einfacher
zu unterscheiden gewußt zwischen den Sinnbildern der Kunst, den Abbildern
der Medien und den Zeichen der Wirklichkeit. Vielleicht ist uns diese Wirklichkeit
ja auch schon so weit entzogen, daß wir gar nicht mehr anders können,
als unsere Strafgerichte und Bußprozessionen stellvertretend vor literarischen
und cineastischen Bilder abzuhalten.
Der Mythos der Kindfrau funktioniert einerseits paradoxerweise
nur in einer Gesellschaft, die aus politischen und ökonomischen Gründen
keine mythische Lösung für den Wandel anzubieten hat. In ihm schließt
sich auf sonderbare Weise der Kreis zwischen Barbarei und Dekadenz, zwischen
Natur und Entfremdung. Andererseits ist er selbst ganz offensichtlich Ausdruck
der Krise, er taucht in den Zerfallphasen der Zivilisation auf (und ist im übrigen
nur unvollkommen in der „sauberen" faschistischen Phantasie vom „Mädel"
verborgen). Die Großartigkeit von Nabokovs Roman begründet sich unter
anderem darin, daß viel mehr als in Lewis Carrolls „Alice" und Wedekinds
,;Lulu" die Revolte im Mythos beschrieben wird. „Lolita" offeriert
keine Lösung, sie ist keine Erklärung - und tückischerweise -:
Sie ist nicht einmal ein Geheimnis. Aber wir wissen am Ende des Romans sehr
viel über den Autor, über Humbert Humbert, über die Innenausstattung
sexueller Macht.
In den sechziger und siebziger Jahren war die Vorstellung
von der Kindfrau in sich gewiß unschuldiger, Melanie Griffith, die in
Lynes Film die Mutter Lolitas spielt, hatte als 14jährige in Arthur Penns
NIGHT MOVE eine Nacktszene, die heute keinen Code mehr passieren könnte.
Doch auch weniger deutlich hat sich der Film immer wieder mit der „Nymphe"
beschäftigt, nicht bloß in den Softsex-Filmen des Fotografen David
Hamilton. Louis Malle zeigte Brooke Shields in PRETTY BABY als kindliche Hure.
Ansonsten geht es um das Drama, wie in TAXI DRIVER (Jodie Foster) oder CAPE FEAR (Juliette Lewis), um ein vampirisches Verkleiden (nekrophilen)
Begehrens wie in INTERVIEW WITH THE VAMPIRE.
Und Verkleidung steckt auch in Lynes Film mehr als ihm
guttut. Unter dem Eindruck des „US Child Pornography Prevention Act" von
1996, das jede Andeutung von erotischer Anziehung zwischen Kindern und Erwachsenen
verbietet, hat er den Film immer wieder bearbeitet. Es verschwindet dabei freilich
nicht nur das Skandalöse und die Ambiguität, es verschwindet (beinahe)
gleich ein ganzes Thema, nämlich das Nebeneinander von Kind und Frau in
einer Gestalt, versinnbildlicht etwa in der geschnittenen Szene, in der Lolita
zugleich sexuelle Ekstase und das Vergnügen an der Comic-Seite der Zeitung
ausdrückt. Eben diese „radikale" Gegenüberstellung freilich hätte
erst die Ambivalenz der Erzählung wiedergegeben, die Frage nämlich,
über welche von beiden Seiten Humbert phantasiert/lügt. So nähert
sich der Film, gerade indem er sie zu vermeiden versucht, einer neuen Mythisierung,
indem er gerade jene Szenen schneidet, in denen der Mythos auseinanderbricht;
die Widersprüche grausam und komisch zugleich Fragen stellen. Auch die
liebevolle Zeichnung der amerikanischen Provinz, diese sanften Töne und
schönen, melancholischen Bauten und Natur, lassen die Geschichte beinahe
versinken in einer wohligen Nostalgie, auch sie scheinen den Skandal, die Herausforderung
verkleiden zu wollen. Eine Herbstphantasie.
Aus einem durchaus ironischen Versuch über die Sprechbarkeit
von Verhältnissen wird bei Lyne eine bittere Romanze. Sein Film führt,
wenn man so will, den Stoff in die Mainstream-Mythologie zurück. Lynes
Obsession ist die Frage nach Macht und Besitz in einer Beziehung, die sich auf
eine simple Dialektik reduziert: Lolita und Humbert besitzen einander gleich
stark, aber auf völlig unterschiedliche Weise. Wieder einmal, wie in 9
1/2 WOCHEN oder EINE VERHÄNGNISVOLLE AFFÄRE, ist die Liebe die Konstruktion
eines Gefängnisses, einer bedingungslosen Abhängigkeit, und in LOLITA
macht Humbert das Mädchen zu seiner Gefangenen, weil er fühlt, daß
er ihr Gefangener ist. Wie in allen seinen Filmen konstruiert Lyne auch hier
eine Mitschuld des Zuschauers, der Lolita mit Humbert Humberts Augen sieht:
gierig und schuldbewußt. Wenn sein Humbert den anderen, den wirklich bösen
Kinderschänder tötet, dann tötet er damit nicht nur den einen
Teil seiner selbst, sondern er opfert auch den Schurken, um nicht die wahren
Objekte seiner Aggression zu treffen: Lolita, die ganz normal schwanger von
einem ganz normalen Mann ist, in einem ganz normal schäbigen Heim lebt,
zukunfts- und traumlos.
Lyne hat mit seinen Filmen wie 9 1/2 WOCHEN, EINE VERHÄNGNISVOLLE
AFFÄRE oder EIN UNMORALISCHES ANGEBOT sozusagen die Mainstream-Moral versucht
und immer wieder bestätigt, nun ist er im Zentrum der Versuchung selbst.
Daß er in den USA keinen Verleih fand, auch nachdem der Film nach Deutschland,
Frankreich, Italien und Großbritannien verkauft war, spricht davon, daß
sich in den Machtzentren auch der Traumfabrik moralische Obsessionen mittlerweile
verbreiten wie ein Virus.
Daß LOLITA für die Hollywood-Mogule ein Stolperstein
wird - wenn vielleicht auch nicht in der Größenordnung von Michael
Ciminos HEAVEN'S GATE -, ist eigentlich schon sicher, selbst dann, wenn der
Film schließlich noch einen Verleiher finden sollte, der ihn immerhin
an der Peripherie des amerikanischen Mainstream-Kinos vermarkten könnte.
Er löste zum einen einen vermutlich nicht vollkommen unberechtigten Warnschrei
vor der Reaktion der moralischen Mehrheit aus. Man könnte vermuten, daß
die rechtspopulistischen Politiker geradezu auf eine Gelegenheit wie diese warteten,
um erneut einen Kreuzzug gegen das sündige und „liberale" Hollywood
zu führen, nicht zuletzt, um eine auch ökonomische Einflußmöglichkeit
zu bekommen. Zum anderen erscheint es fast aussichtslos, daß ein Film
mit 50 Millionen Dollar Produktionskosten seinen Einsatz im beschränkten
Zirkel der „Arthouse"-Kinos wird einspielen können. Aber letztendlich
fehlt auch das Vertrauen in den Film selbst. Wenn Hollywood an den Erfolg des
Films glauben würde, dann würde es auch einen Weg finden, ihn profitabel
zu vermarkten. So aber scheint es, daß man die Verantwortung erst einmal
nach Europa verschieben möchte. Schließlich durchsuchte im Juli 1997
die Polizei Videotheken, um Kassetten von Volker Schlöndorffs DIE BLECHTROMMEL zu beschlagnahmen. Am Ende mag neben solchen allzu offensichtlich
hinterwäldlerischen Manövern der Fall LOLITA so etwas wie ein strategisches
Opfer werden, um die große Konsensmaschine Kino nicht zu gefährden.
Und wie es bei solchen Fällen zumeist der Fall ist, trifft es das falsche
Objekt: Lynes Film ist nicht obszön, nicht besonders verführerisch
und vermutlich kein bißchen gefährlich. Aber er ist ziemlich dumm.
Und Lolitas Film ist noch nicht gedreht. Ihr Text ist
noch nicht geschrieben.
Georg Seeßlen, 1998
Dieser Text ist zuerst erschienen in:
Zu "Lolita" gibt's im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Lolita - England - 1961 - 153 min. – schwarzweiß; Literaturverfilmung, Drama; FSK: ab 18; nicht feiertagsfrei; Verleih: MGM/Die
Lupe; Erstaufführung: 21.6.1962
Produktion: James B. Harris; Regie: Stanley Kubrick;
Buch: Vladimir Nabokov; Vorlage: nach seinem gleichnamigen Roman; Kamera: Oswald
Morris; Musik: Nelson Riddle, Bob Harris (Titelmusik); Schnitt: Anthony Harvey
Darsteller:
James Mason (Humbert Humbert), Shelley Winters (Charlotte
Haze), Sue Lyon (Dolores Haze, gen. "Lolita"), Peter Sellers (Clare
Quilty), Lois Maxwell (Schwester Mary Lord)
Lolita - USA/Frankreich 1997. R: Adrian Lyne. B: Stephan Schiff
(nach dem Roman von Vladimir Nabokov). P: Mario Kassar, Joel B. Michaels. K: Howard Atherton.
Sch: Julie Monroe, David Bremner. M: Ennio Morricone, Stephan R. Goldman. T: Charles Wilborn.
A: Jon Hutman, W. Steven Dramhbam. KO: Judianna Makovsky. Sp: Jeffrey A. Okun.
Pg: AMLF. U: Tobis. L: 137 Min. FBW: wertvoll. St: 1.1.1998. D: Dominique
Swain (Lolita), Jeremy Irons (Humbert Humbert), Melanie Griffith (Charlotte
Haze), Frank Langella (Clare Quilty), Suzanne Shepherd (Miss Pratt), Keith Reddin
(Reverend Rigger), Erin J. Dean (Mona), Joan Glover (Miss LeBone).
Nabokovs Roman „Lolita" ist im Rowohlt Verlag erschienen
und auch als Taschenbuch lieferbar.
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