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Looney
Tunes: Back In Action
Joe
Dante lehnte Ende der 80er Jahre das Angebot ab, bei "Falsches Spiel mit
Roger Rabbit" Regie zu führen. Seine Begründung: "Ich bin
an realen Menschen interessiert, auch wenn mir das keiner glaubt."
Jetzt
hat er "Looney Tunes: Back In Action" inszeniert. Der ist, wie "Falsches
Spiel mit Roger Rabbit" eine Mischung aus Spiel- und Zeichentrickfilm,
in der die Figuren aus beiden Ebenen interagieren: Ein später, inhaltlich
beliebiger Gewinnler der Innovationen eines - als Mischung aus Cartoon und Film
Noir konzipiert - atmosphärisch wesentlich dichteren Films und tricktechnischen
Meilensteins, könnte man durchaus berechtigt sagen. Noch dazu ein Auftragswerk,
wie es heißt, zur Promotion einer DVD-Neuveröffentlichung der klassischen
"Looney Tunes"-Cartoons mit Bugs Bunny, Daffy Duck und Co. Und seit
"Space Jam" weiß man ja, dass sich die Erben der Warner Bros.
nicht schämen vor schaumgebremst familienfreundlichem Ausverkauf des anarchischen
Cartoon-Erbes. Also, ich habe Angst um Joe Dante gehabt, als ich im Kino seinen
Namen am Ende des "Looney Tunes"-Trailers gesehen hab.
Hatte
Dante, dessen großer Karriere-Moment - das Erschaffen der finanziell erfolgreichen
wie popkulturell durchsetzungsfähigen "Gremlins" - inzwischen
auch schon fast 20 Jahre zurückliegt, sich also nach dem ökonomisch
für ihn eher mäßig erfolgreichen letzten Jahrzehnt in das Fatum
eines Friedkin oder Frankenheimer gefügt: zu machtlos, um die Stoffe seiner
Filme selbst bestimmen zu können, zu kraftlos, um den Auftragswerken die
eigenen Obsessionen wirklich noch aufzuzäumen, und mit vergangenen Hits
als ewiger Hypothek?
Homer,
Dante, Marx und Bugs - Tradition der Subversion
Nein.
"Looney Tunes: Back In Action" ist ein Triumph Dantes. Kein Meisterwerk,
wohlgemerkt. Dieser Mann dreht keine Meisterwerke, und für gewöhnlich
merkt man das schon in den ersten paar Minuten seiner Filme. Es würde seinen
Interessen zuwider laufen. Dante ist ein begnadeter Organisator von Chaos, ein
Eskalations- und Zerstörungskünstler. In der Exposition (die das Chaos
vorbereitet) und in der Charakterisierung der Hauptfiguren (die das Chaos auslösen
und/oder bekämpfen), wirken Dantes Pinselstriche oft zu grob, sein Humor
hysterisch. Erst im Anarchischen findet Dantes Film-Universum zu seiner Ordnung,
in der Aushebelung gesellschaftlicher Regeln, und (parallel dazu) in der vorübergehenden
Aufhebung einer konventionellen Narration zugunsten von absurden Momenten. Diese
wiederum ergeben für sich einen eigenen, komplexen und persönlichen
Text.
Was
sich aus diesem zuerst einmal herauslesen lässt, sind die filmischen Ahnen
Dantes, denen er - neben dem allgemeinen Fundus der Filmgeschichte, dessen Ikonographie
er sich grundsätzlich eher hämisch zueigen macht - sein ganzes Werk
hindurch durchaus liebevoll Tribut abstattet. Da wäre auf der einen Seite
einmal der Horrorfilm, den der frühere Roger-Corman-Schüler vor allem
in seinen trashigen Spielarten schätzt, und dessen Einfluss in Dantes Werk
von kleinen Zitaten über die Stoffwahl bis hin zur Besetzung reicht (auch
"Looney Tunes" ist mit früheren B-Movie-Darstellern durchsetzt,
die zu Dantes Stammbesetzung zählen). Und auf der anderern Seite ziehen
sich Anspielungen an und Filmausschnitte aus den klassischen "Looney Tunes"-Cartoons
durch sein Werk (z.B. "Gremlins", "Explorers" und besonders
Dantes Segment des Gemeinschaftsprojekts "Twilight Zone - The Movie").
Und
tatsächlich kann man durch die Filmgeschichte hindurch die Linie eines
spezifisch amerikanischen Surrealismus der Übermalung filmischer Standardsituationen
ausfindig machen, die sich von den Marx Brothers-Filmen der 30er über die
"Looney Tunes"-Cartoons der 40er und 50er Jahre und die Filme Frank
Tashlins in den 50ern und 60ern bis zum Werk von Dante oder auch die Komödien
Tim Burton (in "Beetlejuice" oder "Mars Attacks!") und postmodernen
Cartoons wie "The Simpsons" oder den (qualitativ wechselhaften) Erben
der Looney Tunes, den "Tiny Toons" und "Animaniacs" zieht.
Freilich, insofern ist Joe Dantes Beziehung zum Golden Age der Cartoons eine
sehr persönliche. Aber wieso hat er dann nicht gleich "Falsches Spiel
mit Roger Rabbit" gedreht, und wieso diese Begründung mit den "realen
Menschen", wenn doch seine Haupt- und Identifikationsfiguren oft so ausgesprochen
blasse Figuren sind? (Wer kann sich - nur zur Probe - nach "Gremlins II"
schon an Zach Galligan, wer nach "Small Soldiers" an Gregory Smith
erinnern?)
Was
vom Menschen übrigblieb
Wenn
Dante sagt, er erzähle von "realen Menschen", dann sollte man
das Wort "real" betonen. Denn dass mit Zerstörungs- bei Dante
immer gleich Zitierwut einhergeht, ist ebenso wenig die gemütliche Konvention
eines harmlosen postmodernen Spaßmachers, wie das Faktum, dass er in der
konsequenten Steigerung seines surrealen Humors (ähnlich wie die Marx Brothers
mit ihrem Meisterwerk "Duck Soup") immer wieder beim Krieg landet:
Vom US-Militär gezüchtete "Piranhas" werden versehentlich
auf Amerikaner losgelassen, verantwortungslos programmierte Spielzeugsoldaten
("Small Soldiers") machen eine geruhsame Vorstadt zum Kriegsschauplatz,
ein pensionierter Vietnam-Veteran führt eine Horde gelangweilter Proleten,
die von ihrer fernsehgesteuerten Imagination beflügelt werden, in einen
Feldzug gegen neue, verdächtige Nachbarn aus dem Ausland ("The ´burbs"),
und in Dantes wohl melancholischstem und bitterstem Film bricht wegen eines
kleinen Streits um die Unterbringung von Immigranten gar in den USA der "Second
Civil War" aus.
Die
Zerstörung in Dantes Filmen ist nie Schicksal, immer von Menschen verschuldet
und symptomatisch für die Gesellschaft, über die das Grauen hereinbricht.
Dante beschreibt - und ihm ist es ernst damit - skrupellos geldgieriges Großunternehmertum,
eine bedrohliche, unaufhaltsame Rüstungsmaschinerie, unseren dekadenten,
irrwitzig verkünstlichten Konsumwahnsinn - und vor allem, als Leitmedium,
das die Bevölkerung - auch Politiker und Unternehmer selbst - auf diese
"Werte" einschwört, die Unterhaltungsindustrie. Er nimmt den
im Alltag nur latent wirksamen Wahnsinn der USA, bzw. der westlichen Welt zur
Hand und entfesselt ihn, bis uns unser eigener Terror das Fürchten lehrt.
Das
Vokabular dazu entwendet er dem Fundus und den Erzählstrukturen des Hollywood-Films.
Denn nicht zuletzt an seinen Zitaten macht er Missstände manifest: Wie
lächerlich wirkt z.B. amerikanischer Militär-Chauvinismus, wenn rauhbeinige
Spielzeugsoldaten auf der erbarmungslosen Jagd nach harmlosen liebenswerten
Freaks markige Sprüche aus "Das dreckige Dutzend" zitieren. Dante
erzählt nicht so gerne von Menschen in seinen Filmen. Lieber erzählt
er, was Film und Fernsehen aus Menschen machen.
Postcards
from the Edge
"Falsches
Spiel mit Roger Rabbit" und "Looney Tunes: Back In Action" erzählen
beide von Hollywood. Aber "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" erzählt
vom Bild eines verdorbenen Hollywood der 40er und 50er, wie es in vielen klassischen
Noir-Filmen ("The Bad And The Beautiful", "Sunset Boulevard")
vermittelt wird. "Looney Tunes: Back In Action" dagegen erzählt
vor allem sich selbst als Hollywood-Film.
Es
beginnt ja auch alles in Hollywood, und zwar ausgesprochen trivial: Weil man
in Cartoons keinen Verlierer mehr zu brauchen glaubt, wird Daffy Duck von den
Warner Bros. entlassen, und mit ihm gleich ein Wächter (Brendan Fraser)
des Studiogeländes. Als sich die Entlassung Daffys als Fehlentscheidung
herausstellt, macht sich Bugs Bunny zusammen mit der Produktionsleiterin der
Comedy-Abteilung (Jenna Elfman) auf den Weg, um ihn wieder zu holen. Aber der
ist da schon in ein haarsträubendes Abenteuer um einen geheimnisvollen
Diamanten verstrickt, gemeinsam mit dem Wächter, dessen Vater (Timothy
Dalton) sich nämlich als als Geheimagentendarsteller getarnter Geheimagent
entpuppt. Und ihr Kontrahent ist der größenwahnsinnige Chef des ACME-Konzerns
(Steve Martin). Ganz logisch.
Was
folgt, ist eine Reise um die Welt - und mitten ins Herz der Künstlichkeit
des amerikanischen Kommerzfilms, die Joe Dante bewusst ausstellt. Nur selten
mit echtem Ekel, wie die Las Vegas-Sequenz mit ihrem hohlen Gebraucht-Glamour,
der in einer elenden Hitparaden-Tanznummer mit Heather Locklear als gealtertem
Britney-Verschnitt seinen Tiefpunkt findet. Meistens regiert eine lockere Stimmung
der fröhlichen Unglaubwürdigkeit das Geschehen. Die birgt in der Steigerung
- im Unterschied z.B. zu den Filmen von Abrahams und den Zucker-Brüdern
- durchaus ihre Schönheiten (z.B. einem hinreißend klischeebesessenen
Paris-Kolorit), und nach einer Weile greift sie auch auf das Schauspiel der
beiden menschlichen Wegbegleiter über und galvanisiert jedes Klischee,
jede dramatische Geste ganz mühelos mit liebevoller Ironie.
Deshalb
lässt Dantes Zerstörungswut wohl nur ein Kasino in Las Vegas in Trümmern
zurück, während sie die meisten anderen Schauplätze nur in "Looney
Tunes"-typisch kleinen Dosen verwüstet. Schließlich ist ja jene
Filmwelt, aus der Dante schon immer so fachkundig zitiert hat, für ihn
nicht nur Fluch, sondern auch - und dieser Widerspruch zieht sich durch Dantes
gesamtes Schaffen - eine Wahlheimat, wenn man nur die Bilder, die Fantasien
auf seiner Seite hat, anstatt sie zertrümmern zu müssen. So schnell,
einfallsreich und vollgestopft mit nutzlosem Film-Wissen war seit dem visionären
"Gremlins II" kein Dante-Film mehr. Wahrscheinlich gar keine Komödie.
Product
Placement als V-Effekt
Aber
der Wahnsinn hat Methode. Welche, das kann man nicht verdeutlichen, ohne Beispiele
zu nennen, weshalb ab hier strengste SPOILER-Warnung gilt.
In
anderen Filmen unterbricht Dante die konventionelle Handlung zugunsten absurder
Komik - brillant verbildlicht in dem Intermezzo in "Gremlins II",
in dem die Gremlins auf einmal den Film selbst reißen lassen und Leinwand
bzw. Fernseh-Bildschirm übernehmen. In "Looney Tunes: Back In Action"
demontiert er das Narrative offensiv: Er zeigt die Gesetzmäßigkeiten,
die wirklich bestimmen, was auf der Leinwand zu sehen ist. Kaschiertes, Getarntes
drängt hier an die Oberfläche.
Bugs
Bunny und Anhang schleppen sich durch die Wüste. Plötzlich sehen sie
in der Nähe einen Wal-Mart-Supermarkt. Bugs: "Ist das eine Fata Morgana
oder ein weiterer unverschämter Akt von Product Placement?" Darauf
der Wächter zur Produktionsleiterin: "Waren das etwa sie?" "Naja,
heutzutage merken die Leute das gar nicht mehr", erwidert sie entschuldigend,
worauf sich die Helden als Dank für ihre Werbedienste dort billig versorgen
dürfen.
Mag
sein, Joe Dante hat den selbstreflexiven Humor weder erfunden noch gepachtet,
aber er verleiht ihm mit seiner Konsequenz Sinn. Wo die "Scream"-Trilogie
mit dem Regelwerk des eigenen Genres schattenboxt, da geht "Looney Tunes"
an die Substanz.
Man
stelle sich nur die ACME-Chefetage vor, wo der als Oberschurke hemmungslos outrierende
(aber bisweilen ebenfalls darin ironische) Steve Martin vor dem Firmenvorstand
seine Pläne erläutert. Die Schilder der Vorstandsmitglieder beschreiben
ihre Funktionen - für den Film. "Rhetorical Questions" steht
da bei dem zu lesen, der als fragender Stichwortgeber agieren muss, bei anderen
dementsprechend "Stating the Obvious" oder "Bad Ideas".
Hochgezüchteter
Hollywood-Illusionismus, weiter getrieben, bis man am anderen Ende schon wieder
bei Brecht ankommt.
In
einer Cafeteria in Hollywood sitzen Schweinchen Dick und Speedy Gonzales und
unterhalten sich, wie der Zwang zu politischer Korrektheit ihre Karrieren behindert
hat. Sowas muss man sich gar nicht ausdenken: Schweinchen Dick wurde wegen seiner
Zurschaustellung eines Sprachfehlers tatsächlich schon kritisiert, die
Hispano-Maus Speedy als "racially offensive" gar großteils aus
dem Programm von Cartoon Network verbannt.
"Looney
Tunes: Back In Action" ist umgeben von einer semi-permeablen Wand: Die
Realität über Film als Geschäft und Handwerk dringt hinein und
hinterlässt Risse in den Oberflächen. Aber hinaus in die Wirklichkeit
gelangt nichts und niemand in diesem Film. Seht euch diesen Film in einem Multiplex
an, solange er dort noch läuft. Denn wenn man dann nach dem Film aus dem
Saal kommt, sieht man erst, wie sehr er von der Realität erzählt.
Joachim
Schätz
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Looney
Tunes: Back in Action
USA 2003 R: Joe Dante D: Brendan Fraser, Jenna Elfman, Steve Martin, Timothy
Dalton, Heather Locklear, Joan Cusack, Bill Goldberg, Don Stanton, Dan Stanton,
John Cleese
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