Lost Souls
Ein Geheimnis umweht Maya Larkin. Gedankenverloren beobachtet die
junge Frau die Kinder auf dem Spielplatz, ihr Blick bleibt
teilnahmslos. Die Augen als Spiegelbild der Seele: Immer wieder fährt
die Kamera ganz nah an ihre Augen heran, in der Hoffnung, ihr
Innerstes wahrzunehmen, ihr Geheimnis zu dechiffrieren, doch nichts
dringt an die Oberfläche. Nur langsam, sehr langsam erfährt man etwas
über diese in sich gekehrte Frau, die Teufelsaustreibung, der sie sich unterziehen mußte, ihre
Besessenheit, anderen Menschen in ähnlicher Situation zu helfen, auf
der Suche nach einer Katharsis. Auf der anderen Seite der
erfolgreiche True-Crime-Autor Peter Kelson: mit beiden Beinen fest
auf dem Boden stehend, rational und auf der Suche nach Erklärungen
für die grausamsten Verbrechen. Besorgniserregende Visionen einen die
konträren Charaktere, seltsame Träume, die Maya von der baldigen
Ankunft des Teufels überzeugen, Peter jedoch völlig ratlos
zurücklassen. Bis die Zeichen nicht mehr zu ignorieren sind: An
seinem 33. Geburtstag wird der Antichrist von ihm Besitz ergreifen.
Einzig Maya glaubt ihm, steht ihm bei, doch kann sie ihn retten, sich
selbst erlösen...?
Ein apokalyptisches Effektspektakel ist von "Lost Souls" nicht zu
erwarten, dem Teufel wird nicht wie in "End of Days" mit Pyrotechnik
zu Leibe gerückt; auch die gängige Exorzismus-Vorstellung von Linda
Blair, Kruzifixen und Erbsensuppe sollte man schnell verwerfen. Das
Regiedebüt des ehemaligen Spielberg-Kameramanns Janusz Kaminski,
Oscar-Preisträger für "Schindlers Liste" und "Der Soldat James Ryan",
bleibt in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend und besticht über weite
Strecken durch eine realistische Annäherung an das Thema. Mögen auch
Trailer und Werbebotschaften ein anderes Tempo und eine reißerischere
Auseinandersetzung vorgaukeln, Kaminski und Drehbuchautor Pierce
Gardner geben ihren Figuren Zeit und Raum sich zu entfalten,
beschwören eine dichte, einnehmende Atmosphäre herauf. Insbesondere
die exzellente Kameraführung und die sorgfältige Lichtsetzung haben
entscheidenden Anteil an der stimmigen Psychologie. Ebenso gibt die
in ihrer Rollenauswahl zuletzt etwas unglückliche Winona Ryder dem
Film mit ihrer Darstellung der Maya Larkin sowohl Verletzlichkeit als
auch Stärke. Mögen ihre Augen auch keinen Einblick in ihre Seele
gewähren, sie sind - man betrachte das Filmplakat - Zugang zu einem
einfühlsamen Horrorthriller.
Carsten Happe
Diese Kritik ist zuerst erschienen im:
Lost Souls. USA 2000. R: Janusz Kaminski. B:
Pierce Gardner. K: Mauro
Fiore. S: Anne Goursaud,
Andrew Mondshein. M: Jan
A.P. Kaczmarek . P: Prufrock
Pictures. D: Winona Ryder,
Ben Chaplin, John Hurt,
Philip Baker Hall, Elias
Koteas, Sarah Wynter u.a.
100 Min. Kinowelt ab
18.1.2001