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Lovesong
für Bobby Long
Als die 18-jährige
Pursey (Scarlett Johannson) vom Tod ihrer Mutter erfährt, die sie seit
ihrer Kindheit nicht mehr gesehen hat, macht sie sich aus dem Wohnwagen, den
sie mit ihrem Freund bewohnt, auf den Weg in ihre Geburtsstadt New Orleans.
Im mütterlichen Haus haben sich nun zwei ihrer Freunde niedergelassen.
Der ältere Bobby (John Travolta), einst Englischprofessor und der jüngere
Lawson (Gabriel Macht), einst sein Schüler, verbringen ihre Tage mit vielen
Zigaretten und mehr Wodka, mit Büchern und Gitarre und damit, sich Zitate
um die Ohren zu schlagen und davon zu träumen, ein Buch zu schreiben. Nun,
genauer gesagt, träumt Bobby davon, dass Lawson ein Buch schreibt. Die
beiden Männer deren Biographien durch ein gemeinsames Trauma untrennbar
miteinander verknüpft zu sein scheinen, schwindeln dem Mädchen vor,
dass ihnen laut Testament Anteile an dem Haus zustünden. Allen Anfeindungen
Bobbys zum Trotz, der das Mädchen aus dem Haus haben möchte, bevor
sie ihre Lüge entdeckt, entschließt sich Pursey ihr Anrecht auf einen
Platz in der abenteuerlichen WG in Anspruch zu nehmen.
A Lovesong
for Bobby Long
ist keine Aussteiger-, sondern eine Rückkehrer-, eine Reintegrationsgeschichte.
Aus dem gescheiterten Lebenskünstlertum führt die Handlung die Protagonisten
zurück zur gesellschaftlichen Ordnung, zur Familie, zum american
way of life,
und sei diese Rückführung auch nur noch im Tode möglich. Zurück,
wohin auch immer, scheint auch der Film selbst zu wollen. Altmodisch ist er,
nicht nur in seinen romantischen Vorstellungen von Künstlerleben und Männerfreundschaft,
sondern auch in Handlungsaufbau und Inszenierung. In einer Szene z.B. liest
Pursey in einer Bahnhofshalle ein Buch, das ihre Mutter ihr vermacht hat. Im
Bildvordergrund prangt eine Uhr und in vier Überblendungen sehen wir, wie
viel Zeit vergeht, während Pursey ihr Buch liest.
Der Verfall der
Ordnung, der doch immer wieder zu ihr zurück strebt, findet einen perfekten
Ausdruck im dick aufgetragenen Spiel John Travoltas. Jede Bewegung, jede Geste,
jede Handlung – der hinkende Gang, der Griff nach der Zigarettenschachtel, das
Anschreibenlassen an der Bar – hat etwas Kultisches, etwas Rituelles. Immer
wieder scheint Travoltas Narzissmus zu verhindern, dass der dirty
old man,
den er verkörpert, zu dreckig oder zu alt wirkt. Immer wieder, besonders
in den Nahaufnahmen seines Gesichtes, kommt das Coole, das Vincent Vega-hafte
durch, das ihn zuletzt in Be
Cool
zu einem kümmerlichen Selbstzitat machte. Ich wüsste keine Schauspielerin,
die für den Gegenpart dieser Erstarrung in der Form besser geeignet sein
könnte als Scarlett Johansson. Formlos, sprunghaft, selbstbewusst, abonniert
auf die Rolle der Deplazierten und Deklassierten, ob in Lost
in Translation,
Das
Mädchen mit dem Perlenohrring
oder
Match
Point.
Scarlett, sich im Sessel lümmelnd, mehrere Finger im Erdnussbutterglas.
Die Grundmuster
von Lovesong
for Bobby Long bilden
Varianten des amerikanischen Traums: Pursey mausert sich von der Schulabbrecherin
im Trailerpark (dem stereotypen Lebensraum des white
trash
also) zur Studentin. Lawson wird vom Uni-Abbrecher zum erfolgreichen Autor.
Am Ende des Bildungsromans steht für Pursey und Lawson die große
Erzählung vom kleinen Leben, die sie sich zurückerobert haben. Das
gequälte Herz Bobby Longs aber darf Ruhe finden an der Seite der Frau,
die er liebte. Behütet von der Tochter, die er sich so sehr wünschte.
Nach dem Versöhnungstanz im goldenen Abendlicht gibt es die glückliche
Wiedervereinigung der Familie – in Gott.
So long, Bobby.
Nicolai Bühnemann
Lovesong
für Bobby Long
A
Love Song for Bobby Long
USA
2004 Regie: Shainee Gabel - Darsteller: John Travolta, Scarlett Johansson, Gabriel
Macht, Deborah Kara Unger, Dane Rhodes, David Jensen, Clayne Crawford; FSK:
ab 6; Länge: 119 min.; Start: 21.7.2005
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