Lust auf Anderes
PLOT
Unternehmer verliebt sich in Schauspielerin, die zugleich seine
Englischlehrerin ist. Die zwei Welten, die aufeinanderprallen, sind
liebevoll gezeichnet und mit reizvollem Nebenpersonal ausstaffiert.
KRITIK
Als wär's ein Stück von Molière, spielt 'Lust auf Anderes' ein doppeltes
Spiel. Die Komödie als Beinahe-Tragödie zwischen den Hauptfiguren des
Unternehmers und der Schauspielerin, daneben und darunter die Spiegelung der
Konstellation als Farce mit dem Dienstbotenpersonal. Der Konflikt, um den es
geht, ist klar umrissen: Bildungsbürgertum tirfft auf Arbeitswelt, der
Culture Clash von Theater und verarbeitender Industrie und seine Folgen. Der
Unternehmer Castella geht - unwillig, natürlich - ins Theater und ist
verzaubert von der Hauptdarstellerin. Die Hauptdarstellerin gibt nebenbei
Englischstunden und gerät so an Castella. Seine deutlicher werdende Liebe
macht sie rat- und hilflos, sie reitet längst noch auf ihrem hohen Ross
eingebildeter Überlegenheit, als er schon beginnt, sein ganzes Leben
umzuwerfen.
Den großen Teil seiner angenehm sanft ausgespielten Komik zieht der Film
aus der Konfrontation der beiden Welten. Natürlich macht sich Castella
anfangs zum Idioten, mit seiner Insistenz auf Annäherung an das ihm
Unvertraute. Mit seinem robusten Humor, seiner nur direkt, nicht raffiniert
zu äußernden Bewunderung und Anerkennung. Seine Hartnäckigkeit aber ist
verblüffend und erweist sich bald als eine Offenheit, die die arroganten
Bohemiens staunen macht. Man erlebt die Emanzipation eines Mannes aus seinem
falschen Leben, der Pralinenschachtel, in die seine Frau, die
Innenarchitektin, das gemeinsame Zuhause aufs Schauerlichste verwandelt hat.
Als wär's ein Stück von Bourdieu, spielt 'Lust auf Anderes' das bis zu
übergroßer Deutlichkeit der Botschaft aus. Die mit Cannabisprodukten handelnde Kellnerin und der Leibwächter
als Ex-Bulle variieren das Thema ebenso wie der liebesunglückliche
Chauffeur, der in seiner Freizeit der Querflöte manchen Misston entlockt.
Gedoppelt und gedreifacht wird das ganze durch den studierten Mitarbeiter
Castellas in der Fabrik, der die neusten Controlling-Methoden in das
mittelständische Unternehmen einführen soll und mit seinem Chef aneinander
gerät. Das ist dann ein bisschen zu viel des Guten, wie überhaupt die
grundsätzliche Gutartigkeit aller Beteiligten. Man muss kein Marxist sein,
um die diversen Auflösungen der Konflikte ein wenig zu harmlos zu finden.
Aber, andererseits, die Zeit, die man mit 'Lust auf Anderes' verbringt, ist
sehr vergnüglich verbrachte Zeit, der Film ist eine geistreiche und
intelligente Komödie, die beinahe auch zu rühren vermag. Klar, in dem
Beinahe liegt ein Problem, aber man sollte nicht undankbar sein.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen in:
Zu diesem Film gibt es im archiv der fz mehrere Kritiken
Lust auf Anderes
F 2000
Regie: Agnes Jaoui
Mit Alain Chabat, Agnès Jaoui, Wladimir Yordanoff