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Made
in Israel
Eine
israelische Gangsterkomödie mit Jürgen Holtz als "der letzte
Nazi"
Zeitlupe:
Ein alter Mann schreitet durch dicke Nebelschwaden. Wird er gleich einen Revolver
unter seinem Mantel hervorziehen, bereit zum Shoot-out? Nein! Wir befinden uns
nicht im Wilden Westen, sondern an der Grenze zwischen Israel und Syrien. Der
Mann, ein gesuchter deutscher Kriegsverbrecher, heißt Egon Schultz und
wird an Israel ausgeliefert. Nach dem Prozeß erwartet ihn die Hinrichtung.
Was für den Moment aussieht wie ein Italo-Western, soll eine "rabenschwarze
Satire" werden, die "respektlos mit Klischees spielt".
Szenenwechsel:
Danny Hofmann, ein reicher israelischer Geschäftsmann, will den letzten
Wunsch seines Vaters erfüllen. Der Holocaust-Überlebende hatte davon
geträumt, einmal im Leben einen Nazi zu erschießen. Also setzt Hofmann
zwei Millionen Dollar Kopfgeld auf den "letzten lebenden Nazi" aus
- und klingt dabei wie ein Großwildjäger, der von einem seltenen
Raubtier schwärmt. Seine neunjährige Tochter Lior kennt Nazis nur
aus dem Computerspiel "Nazi Doom 4". Heute, berichtet sie stolz, habe
sie schon 228 getötet. Da ahnt man noch, worauf Ari Folmans Road Movie
hätte hinauslaufen können: auf das zynische Porträt einer jungen
jüdischen Generation, die das Trauma der Eltern nur noch als private neurotische
Obsession erlebt.
Schnell
wird daraus eine Nummernrevue bemüht schräger Gangster-Typen. Hofmann
setzt gleich zwei zwielichtige Paare auf Schultz' Gefangenentransport an - was
wenig Sinn ergibt, aber reichlich Gelegenheit, in der menschenleeren Ödnis
der Golanhöhen krachiges Actionkino nachzuspielen.
Zum
einen sind zwei trottelige Geldeintreiber hinter Schultz her, die beide reden,
als hätten sie zu oft Pulp Fiction
gesehen. Zum anderen ist da das russische Killer-Pärchen Vitaly und Dodo.
Vitaly trägt edles Weiß und eine latente Gewaltbereitschaft vor sich
her. Wenn er zuviel Wodka getrunken hat, reißt er Dodo die Kleider vom
Leib und vergewaltigt sie (soviel zum Thema "respektloser Umgang mit Klischees").
Jeder trifft irgendwann auf jeden, es wird viel geschossen und gestorben. Vornehmlich
in Zeitlupe, als Peckinpahsches Todesballett mit wilden Schnitten und reichlich
Kunstblut.
Damit
der Zuschauer alle brachial aufeinander getürmten, filmhistorischen Anspielungen
erkennt, reden die Figuren gleich selbst davon. In Form Freudscher Verneinungen
gewissermaßen: Eine Motorradgang, die dauernd durchs Bild fährt,
verleitet zur Bemerkung, man sei "ja schließlich nicht in Mad
Max".
Und Vitaly und Dodo haben "so gar nichts von Bonnie und Clyde".
Man
sollte Folman nicht vorwerfen, dass er keinen "Betroffenheitsfilm",
sondern lieber einen Kniefall vor amerikanischen Vorbildern inszeniert hat -
obwohl es dann vielleicht besser gewesen wäre, konsequent Geschmacklosigkeiten
à la Schlingensief zu produzieren. Schwerer wiegen die technischen, formalen
und schauspielerischen Schwächen eines Films, der laut Regisseur nicht
mehr gekostet hat als "das Trinkwasser in einer durchschnittlichen Hollywood-Produktion".
Mit
ihrem eigentlichen Zentrum weiß die missglückte Satire zudem wenig
anzufangen. Der Theaterschauspieler Jürgen Holtz, bekannt als griesgrämiger
"Motzki" aus der gleichnamigen TV-Serie, spielt den "letzten
Nazi" ohne Kontur. Hinter seiner Maske soll die sprichwörtliche Banalität
des Bösen lauern. Mit Glatze und unentwegt Fast Food kauend wirkt er eher
wie ein Riesenbaby, das sich damit begnügt, den Gesichtsausdruck seines
Gegenübers zu spiegeln. Wenn einer böse guckt, guckt er ängstlich
zurück; wenn er angelächelt wird, lächelt er mit. Dramaturgisch
ist er lediglich ein Hitchcockscher "McGuffin": Alles dreht sich um
ihn, doch er selbst bleibt nur ein Anlass, so bedeutungslos wie austauschbar.
Ein Koffer mit Bargeld hätte es in diesem Falle auch getan.
André
Götz
Ari
Folmans israelisches Road-Movie ist eine missglückte, klischeebeladene
Satire mit reichlich Kunstblut, die auf ermüdende Weise versucht, amerikanisches
Actionkino zu "persiflieren".
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Made
in Israel
Israel
2001. R und B: Ari Folman. P:
Anat Assoulin. K:
Itzik Portal. Sch: Dov Steuer. M:
Berry Sakharov. T: Aviv Aldema. A: Yael Komorovsky, Anat Shaham. V: Pegasos.
L: 113 Min. Da: Jenya Dodina (Dodo), Igor Mirkorbarov (Vitaly), Sason Gabai
(Perach), Tzahi Grad (Segal), Jürgen Holtz (Egon Schultz), Dror Keren (Tiktak),
Menashe Noy (Eddie Zanzury).
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