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Mädchen
am Sonntag
Interessant arbeitslos - Vier deutsche Schauspielerinnen packen
aus
Man trägt wieder
Seitenscheitel. Als Mädchen in Deutschland. Als Mädchen am Sonntag.
Man liegt in der Badewanne, im Bett, vor dem Kamin, im Wald und auf der Heide,
man sitzt in der Schneekutsche und im Auto, man hüpft den gefrorenen Meeresstrand
auf und ab, und all das apart und allein. Allein und ein wenig posierend, denn
man ist Schauspielerin zwischen zwei Engagements und darf nicht aus der Übung
kommen.
Man ist zu viert und
doch für sich und nacheinander im: Sommer, Winter, Frühling, Herbst
und an Orten, wo sonst höchstens Urlaub macht, wer keine Schauspielerin
zwischen zwei Engagements ist. Man ist allein in diesem Urlaub, in schöner
Landschaft, allein mit RP Kahl, dem Regisseur und Dokumentaristen dessen, was
doch ein bisschen inszeniert wirkt.
Der nur die eine Frage
hat, ohne dass wir ihn sie stellen hören: Wie geht’s dem "Mädchen
am Sonntag“? Er stellt sie wahrscheinlich in Varianten und die Mädchen
variieren ihre Antwort, sind natürlich und ganz sie selbst, was heißt:
natürlich interessant und ganz begabt darin, vor laufender Kamera unverstellt
zu wirken. Ja, es sei schon schwer, die Zeit zu überbrücken zwischen
den Engagements und dabei immer älter zu werden. Denn mit Dreißig
noch als Zwanzigjährige besetzt zu werden, sei schon möglich, aber
schwierig. Mit den Männern sei das ähnlich, die könnten ja -
wie die Theaterbühne, wie das Kino? – so alt werden, wie sie wollen und
holen sich immer nur die Jüngsten. „Das macht schon Angst“ sagt mit dem
Ansatz eines Seufzers Katharina Schüttler, die Skandalnudel aus dem Film
„Sophiiiie!“ Dem Film, der doch so "mutig" war und ihrer Karriere vielleicht
gerade deshalb "am meisten geschadet" hat. Dabei sei doch „der Regisseur
von ‚Lolita’“ bei der Probevorführung von „Sophiiiie!“ so unheimlich nervös
auf seinem Sessel rumgerutscht. Vielleicht, weil der den Film genial fand. Man
weiß das ja nicht. Und vielleicht kennt sich so einer doch wirklich aus?
Schauspieler müssen von Filmgeschichte keine große Ahnung haben, sie müssen nur schauspielern können. Aber wenn eine Frau aus dem Metier „Kino“ in einem Dokumentarfilm eines Mannes aus dem Metier „Kino“ unweggeschnitten behaupten darf, Stanley Kubrick habe drei Jahre nach seinem Tod bei einer irdischen Stippvisite nichts Besseres vorgehabt, als einer Probeaufführung von Michael Hofmans „Sophiiiie!“ beizuwohnen, dann kratzt das an den Nerven. Und wenn dann allen Ernstes Adrian Lyne als der Regisseur von „Lolita“ nicht nur gehandelt, sondern auch vergöttert wird, dann laufen bestimmte Kredite aus. Weil dann klar ist, worum es Diva Schüttler geht: Den holden Fuß in die goldene Tür Hollywood kriegen und kokettieren mit Oscar, egal, ob er eigentlich Adrian, HP oder Stanley heißen möge.
Mutiger Outings solcher
Art wegen fällt es schwerer, den anderen, sich z.T. weniger selbstinszenierenden
Darstellerinnen volle Aufmerksamkeit zu schenken: der ein wenig geknickten,
aber wackeren Laura Tonke („Ostkreuz“, „Baader“), der ungeduldigen, unverstellten und weitgehend unbekannten Inga
Birkenfeld, der arrivierteren (Co-Regisseurin: „Jeans“) Nicolette Krebitz mit
der Frisur und im Outfit der Jean Seberg von „Außer Atem“. (also Schwarzweißringelpulli und ganz kurze Haare).
So erschütternd
die Schüttler auch mitunter ist: Allen vier Damen seien ihre Talente, Fähigkeiten
und dramaturgischen Momente herzlich zugestanden und wärmstens eingeräumt.
Ebenso diese „Doku“, die nichts anderes ist als eine Langzeitcastingveranstaltung
(oder eben doch ein neuer Job! Das kommt ja in die Kinos!), sie sei ihnen gegönnt,
auch wenn der Eindruck sich aufdrängt, ohne manche ihrer „authentischen“
Einblicke wären einem ein paar mehr Illusionen über deutsche Aktricen
erhalten geblieben.
Womit schließlich
aber beantwortet der 79-minütige, mit nachdenklicher Klaviermusik untermalte,
junge und gleichzeitig frauliche Quattrolog die Frage des Regisseurs („Wie fühlt
sich das Mädchen am Sonntag?“)? Damit: „Es ist sooo langweilig für
Mädchen am Sonntag!“ Mag sein. Aber leider ist sonntägliche Langeweile
nicht abendfüllend, auch nicht, wenn sie in erholsamen Urlaubsdekors spielt.
War es deshalb künstlerische Absicht, dass die Mädchen am Ende verschwinden
und aufhören, uns zu langweilen?
Doch warum bleibt
der Sonntag? Oder was sollen am
Filmende die meditativen Bilder eines leis rauschenden,
mädchenlosen, schummrig-grünen Parks bedeuten, einem, zum Verwechseln
ähnlich dem aus „Blow Up“? Dass hier irgendwo Leichen versteckt sind? Oder dass hier etwas
viel zu sehr aufgeblasen daher kommt?
Arbeitslosigkeit macht
nicht besonders viel Spaß. Das hat sich hierzulande herumgesprochen. Aber:
„Hey“, möchte man den rosigen jungen Dingern hinterher rufen, „ist doch
alles nicht so schlimm, hast du schon vergessen, dass du Deutschland bist?“
Andreas Thomas
Mädchen
am Sonntag
Deutschland
2005 - Regie: RP Kahl - Darsteller: Laura Tonke, Nicolette Krebitz, Katharina
Schüttler, Inga Birkenfeld - Länge: 79 min. - Start: 26.1.2006
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