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Die
Marx Brothers im Krieg
Die
fünf Komiker Groucho, Chico, Harpo, Zeppo und Gummo Marx, Söhne jüdischer
Einwanderer, starteten ihre Karriere auf der Vaudeville- Bühne, wo man
mit harten Bandagen kämpfte. Aufgrund ihrer aggressiven Komik waren sie
in der Lage, sich gegenüber der beinharten Konkurrenz durchzusetzen und
entwickelten ganz eigene Formen und Typen, um mit sprachlichem Geschick und
musikalischem Talent der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Ihr Humor ist
zeitlos, aggressiv, denunzierend und intellektuell präzise und sollte dazu
führen, dass der jüdische Humor absolut maßstabsgebend für
den amerikanischen Humor sein sollte (berühmte jüdische Komiker sind:
Jerry Lewis, Woody Allen, Mel Brooks, Gene Wilder, Harold Ramis sowie die Macher
der „Nackte Kanone- Filme“ David und Jerry Zucker und Jim Abrahams).
Jeder
der fünf entwarf einen der Zeit entsprechenden Typ, baute ihn ins Groteske
aus und perfektionierte ihn:
Groucho
(eigentlich Julius) Marx war die Versinnbildlichung des gescheiterten Geschäftsmannes,
der mit den Überbleibseln seiner Zunft leben muß. Eine Zigarre oder
Stumpen, einen verschlissenen Frack und einen aufgemalten Schnurrbart. Seine
Waffe war das Wort. Schlagfertig wie kein Zweiter könnte man ihn als den
Kopf der Truppe bezeichnen. Sein Instrument war die Gitarre.
Chico
(eigentlich Leonhard) Marx erschien wie der schmierige, italienische Einwanderer.
Ein „Drei-Groschen-Gauner“, dem kein Trick zu schmutzig ist und der sich mit
seiner Bauernschläue und gleichzeitigen Frechheit durchs Leben schlägt.
Sein Instrument war das Klavier.
Harpo
(eigentlich Adolph Arthur) Marx war der stumme Clown. Er sprach nie und verkörperte
diese Rolle so gut, dass die Zuschauer wirklich über viele Jahre glaubten,
er könne nicht sprechen. Er trug eine blonde Lockenperücke, einen
alten Hut und einen zerlumpten Vagabundenmantel, in dem er allerlei Utensilien
verstaute, die da eigentlich gar keinen Platz hätten haben können.
Sein Instrument war die Harfe.
Zeppo
(eigentlich Herbert) Marx war der Charmeur und gleichzeitig Mitglied der „anständigen“
Gesellschaft, der an den drei Chaoten partizipiert. Leider war ihm nicht so
viel Talent beschert wie seinen Brüdern. Nach sechs Filmen stieg er aus
und arbeitete für die Truppe als Agent.
Gummo(eigentlich
Milton) Marx war der gutbürgerliche Geschäftsmann, der sich von Groucho,
Chico oder Harpo reinlegen ließ. Er arbeitete nur in der Vaudevillezeit
mit ihnen zusammen und verließ die Truppe 1919.
Anfang
der 20er feierten die Marx Brothers ihre größten Erfolge am Theater
mit THE COCOANUTS und ANIMAL CRACKERS bis sie schließlich mit Aufkommen
des Tonfilmes erstgenanntes mit der Paramount realisierten (1929). Der Film
war ein großer Erfolg und die Paramount nahm die Marx Brothers gleich
für mehrere Filme unter Vertrag. 1933 (nicht ganz zufällig im Jahr
der sogenannten „Machtergreifung“ Hitlers) sollten die Marx Brothers ihre eigene
Version eines Anti-Kriegsfilmes drehen.
Der
Phantasie-Staat Freedonia steht kurz vor der Pleite. Durch Unfähigkeit
der führenden Staatsmänner und Bereicherung seitens hinterhältiger
Geschäftemacher wurde das Land konsequent runtergewirtschaftet. Letzte
Hoffnung ist die millionenschwere Witwe Teasdale, welche die Staatskasse mit
einer „kleinen“ Spende wieder auffüllen soll. Da diese Freedonia bereits
einige Male „unter die Arme gegriffen“ hat, stellt sie für erneute Geldzuweisungen
eine Bedingung: Neuer Präsident soll Rufus T. Firefly werden, da sie in
ihm den kompetenten Staatsmann sieht, der Freedonia zu neuem Glanz erstrahlen
lassen wird. Die Sache geht in Ordnung, doch Firefly entpuppt sich als zynischer,
wortgewandter Egomane, der sich vorrangig für seine eigenen Belange interessiert,
wie zum Beispiel die Heirat mit Mrs. Teasdale. Nebenbei krempelt er den Staat
komplett um, so dass seine Berater glauben, es mit einem total Irrsinnigen zu
tun zu haben.
Der
Nachbarstaat Sylvanien, allen voran der Botschafter Trentini, plant inzwischen
Freedonia zu übernehmen und ist deshalb wenig erfreut darüber, dass
ein (vermeintlich) kompetenter neuer Führer die „Karre aus dem Dreck ziehen“
soll. Er schickt seine beiden Spione Chicolini und Pinky los, die Firefly auskundschaften
sollen. Firefly ernennt Chicolini kurzerhand zum Verteidigungsminister, was
dieser auch akzeptiert und wodurch er für beide Seiten arbeitet. Als es
zu einem verbalen Disput zwischen Firefly und dem Botschafter von Sylvanien
kommt, darüber, wer die Ehre hat, Mrs. Teasdale zu heiraten, erhitzen sich
die Gemüter so heftig, dass es nur eine Lösung geben kann: Krieg!
Zu
einer Zeit, als das Medium Film noch seine Unschuld hatte (die ihm nicht zuletzt
durch Goebbels’ Propagandafilme geraubt wurde, unter anderem durch seine Haus-
und Hofregisseurin Leni Riefensthal realisiert) konnte sich Kritik an korrumpierten,
unfähigen Politikern und einer pathetischen Kriegsideologie noch in einer
Weise entfalten, die vor Spielfreude, verbalen und visuellen Gags und „naivem
Zynismus“ (ein Widerspruch in sich) nur so strotzt. Den Schrecken des zweiten
Weltkrieges noch vor sich, aber den Nachhall des ersten Weltkrieges im Rücken
entwerfen die vier Komiker ein Panoptikum des absoluten Wahnsinns, bei dem einem
das Lachen manchmal im Halse stecken bleiben kann. Der Staat selbst ist schon
mal nichts weiter, als ein reichgedeckter Tisch, an welchem sich einige wenige
bedienen können, um sich die Taschen vollzustopfen (die Politiker). Mit
der Ernennung von Rufus T. Firefly (Groucho) zum Präsidenten hat man den
„Bock zum Gärtner“ gemacht. Er ist nicht daran interessiert, den Staat
auf Vordermann zu bringen, da er vom Finanzgeschäft gar keine Ahnung hat.
Er ist ein Blender, ein Redner und gleichzeitig ein Querulant. Hauptsache, ihm
geht’s gut, der Rest wird schon wie gewohnt seinen Gang nehmen. Chicolini (Chico)
nutzt dies aus und arbeitet gleich für beide Seiten. Pinky (Harpo) ist
sein treuer Gehilfe und lebt im Grunde in seiner eigenen Welt.
Die
Monologe der einzelnen Brüder oder ihre gegenseitigen Wortgefechte sind
geprägt von einer konstruierten Realität, die aufgrund ihrer verbalen
Fähigkeiten immer beständigere Formen annimmt. Der Egoismus ist hierbei
ein Schlüsselbegriff. Jeder lebt geistig in seiner eigenen Welt (ganz besonders
Harpo, der sich ja nur durch Gestik und Mimik mitteilen kann) und fordert infolge
dessen auch nur für sich ein. Die Figuren, die die Brüder spielen,
scheinen die einzigen zu sein, die sich untereinander wirklich verstehen, selbst
wenn sie sich erst im Verlauf des Filmes kennenlernen. So ergibt sich der surrealistische
Humor des Quartetts. Während alle anderen weiterhin in der Gesellschaft
mit ihren vorgegebenen Normen und Konventionen leben, befinden sich die Marx
Brothers in einer Welt, die nur sie sehen können. Für die Randfiguren
erscheint vieles was die Vier machen, wie albernes Herumgehampel oder rhetorische
Unsinnigkeiten, doch in der Konstruktion dieser anderen Realität offeriert
sich die Kritik an der damaligen Gesellschaft. Das Ganze in süffisantem
und verspieltem Tonfall.
Ein
Beispiel:
Als
der Stützpunkt Freedonias, in dem sich auch Firefly aufhält, angegriffen
wird, zerstört eine Granate Fireflys Hut. „Das werden die mir büßen.“,
ist sein trockener Kommentar und er packt ein Maschinengewehr aus einem Geigenkasten.
Er feuert auf alles, was sich bewegt und schreit in Richtung Assistent: „Jaaa,
..., sie laufen wie die Hunde!“, worauf der Assistent (Zeppo) meint: „Aber Sir!
Sie schießen auf ihre eigenen Leute!“. Firefly guckt skeptisch und sagt:
„Hier sind 50 Cents, behalten Sie’s für sich.“, nimmt dann das Geldstück
wieder und meint schließlich: „... und die behalt ich für mich.“
Solipsistische
Realitätskonstruktion, Pathologie des Krieges und anarchistischer Slapstick.
Das bei dem Angriff das halbe Haus in die Luft geflogen ist, ist unwichtig.
Nur der zerstörte Hut ist für Firefly von Interesse. Mit Anspielung
auf alte Gangsterklischees versehen (die Waffe im Geigenkasten), greift die
oberste Instanz selbst ein und verfeuert die eigenen Leute im Krieg (wortwörtlich).
Zur Wahrung eines Geheimnisses wird bestochen und vertuscht, und die Obersten
haben doch wieder das meiste Geld. All das in einer Szene von nicht mal 80 Sekunden.
Der
hintergründige und vielschichtige Humor geht in der deutschen Synchronisation
leider oftmals verloren. Erik Ode („Der Kommissar“) war für diverse Synchros
der Marx Brothers Filme verantwortlich und hat sie leider politisch, aber auch
bezüglich ihrer sexuellen Anzüglichkeiten (z.B. Sodomie) entschärft.
Dadurch erscheint der zynische und böse Humor eher wie pubertärer
Klamauk, doch völlig lässt sich keine gutgemachte Botschaft unterdrücken.
Der Film war ein kommerzieller Flop und sollte auch auf Seiten der Kritiker
erst später Annerkennung finden. Heute zählt er zu den zehn besten
und wichtigsten Tonfilmen der Vorkriegszeit und stellt auch für viele (und
ich schließe mich da ein) den besten Film dar, den die Komiker- Truppe
je gemacht hat. Die Ausgewogenheit, in der sich die Gags mit opernhaften (und
selbst heutzutage keinesfalls langweiligen) Gesangseinlagen abwechseln, ist
flüssiger als in jedem anderen ihrer Filme. Das liegt nicht zuletzt daran,
dass sie hier für die Choreographie und Texte Mitspracherecht hatten. Erst
nach dem Wechsel zu MGM (1935) wurden ihnen Texte, Choreographien und sogar
Gags vorgeschrieben. Das damals kommerzträchtigere Erzählkino der
MGM, durch den Wunderknaben Irving Thalberg entwickelt, lässt die Filme
der Komiker heute manchmal etwas altmodisch erscheinen. Aber mit „Die Marx Brothers
im Krieg“ haben wir Filmgeschichte in ihrer schönsten Form.
Marcos
Ewert
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei: ciao.de
Die
Marx Brothers im Krieg
DUCK
SOUP
Entensuppe
USA
- 1933 - 65 min. – schwarzweiß – Komödie - Verleih: CIC - Erstaufführung:
4.2.1967 WDR/3.2.1978 – Kino - Fd-Nummer: 18459 - Produktionsfirma: Paramount
Produktion:
Herman J. Mankiewicz
Regie:
Leo McCarey
Buch:
Bert Kalmar, Arthur Sheekman (Songs), Harry Ruby, Nat Perrin
Kamera:
Henry Sharp
Musik:
Bert Kalmar, Harry Ruby
Schnitt:
LeRoy Stone
Darsteller:
Groucho
Marx (Rufus T. Firefly)
Harpo
Marx (Brownie)
Chico
Marx (Chicolini)
Zeppo
Marx (Bob Rolland)
Margaret
Dumont (Mrs. Teasdale)
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