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M*A*S*H*
Die
Presse urteilte zum Teil hart über Altmans „Militärklamotte“: zynisch,
dumm-derb, bedeutungslos. „MASH“ wurde 1970 in den USA verboten und konnte dort
erst drei Jahre später in den Kinos gezeigt werden. Die Anspielungen der im
Korea-Krieg angesiedelten Handlung auf den Vietnam-Krieg waren mehr als
deutlich (einer der Beteiligten hieß mit Spitznamen gar „Me Lay“, ein direkter
Bezug zu dem Massaker in My Lai). In Cannes bekam der Film die „Goldene Palme“.
Die nachfolgenden Fernsehserien „M.A.S.H.“ und „Trapper John M.D.“ wurden zwar
durch Altmans Film initiiert, haben aber – wenn man Film und Serien vergleicht
– kaum etwas miteinander zu tun.
Ort
des Geschehens ist ein mobiles Feldlazarett in Korea, „Mobile Army Surgical
Hospital“, nahe der Front in einer abgelegenen bergigen Gegend zwischen
Baracken, Zelten, Zäunen und notdürftig gebauten Kranken- und
Operationsstationen. Über einen Lautsprecher werden von einem Soldaten, Sgt.
Vollmer (David Arkin), die neuesten Meldungen verkündet à la „Heute Abend läuft
der und der Kriegsfilm, Krimi“. Vollmer verzettelt sich des öfteren, bricht ab,
verkündet unwichtiges Zeug, verhaspelt sich. Überhaupt wirkt das gesamte
Geschehen im Lazarett eher dem auf einer größeren Party zum 4. Juli, ähnelt
einem Betriebsfest, auf dem Alkohol fließt und Drogen im Umlauf sind, die
Beteiligten ihre Scherze machen, Männer hinter Kolleginnen her sind usw. Wenn
die drei Ärzte Hawkeye (Donald Sutherland), Trapper (Elliott Gould) und Duke
(Tom Skerritt) zwischendurch einmal operieren, wirkt dies, als ob eine Party ab
und an durch geschäftliche Telefonanrufe unterbrochen wird. Danach geht man
wieder zum Feiern und zum Spaßen über.
Die
Ärzte haben angesichts der Kriegssituation relative Narrenfreiheit; sie können
sich einiges erlauben. Und Lazarett-Leiter Lt. Colonel Blake (Roger Bowen), der
die Situation durchaus erfasst hat, lässt sie nicht nur gewähren, sondern nimmt
an der „Party“ regen Anteil. Nur einer passt nicht so recht ins Bild: der Arzt
Major Frank Burns (Robert Duvall), den die anderen Ärzte nicht besonders mögen,
den sie für unfähig halten. Burns erhält Unterstützung von der neuen
Oberschwester, Major Margaret O’Houlihan (Sally Kellerman), einer Blondine, die
Burns vor den anderen Ärzten verteidigt, die sich über die unmöglichen,
unmoralischen Zustände im Lazarett empört, insgeheim aber auch ihren Spaß haben
will. Kaum hat sie in Burns einen Gesinnungsgenossen gefunden, liegen beide
schon im Bett. Adlerauge (Hawkeye), Fallensteller (Trapper) und Herzog (Duke)
wären aber von Sinnen, würden sie dem ungeliebten Kollegen nicht den Garaus
machen wollen. Sie übertragen per Lautsprecher die Liebeslaute der beiden, um
allen einen gewissen Anteil am Geschehen zu ermöglichen.
Burns
ist ihnen aber vor allem ein Dorn im Auge, weil der den Krieg als Krieg nimmt,
keine Möglichkeit für sich sieht, das Grauen durch Komik zu kompensieren. Für
den Sex gilt allerdings auch bei Burns etwas anderes.
Überhaupt
steht Sex im Mittelpunkt der Handelnden. Der Arzt Walt (John Schuck) versagt
zum ersten Mal in seinem Leben bei einer Frau – und glaubt, er könnte schwul
sein. Das würde er nicht überleben, und so beschließt er, Selbstmord zu
begehen. Hawkeye schlägt ihm vor, in einer feierlichen Sitzung vor versammelter
Mann- und Frauschaft eine schwarze Pille zu schlucken; denn auch ein Selbstmord
darf hier nicht heimlich über die Bühne gehen. Walt sitzt an einem langen
Tisch, rechts und links die anderen Offiziere. Die Szene erinnert in grotesker
Weise an das Abendmahl. Niemand hat allerdings vor, Walt ins Jenseits zu
befördern. Im Gegenteil: Man betäubt den „bemitleidenswerten“ Mann, der sich
bislang als Frauenheld einen Namen gemacht hatte, und schickt ihm Schwester
Maria (Jo Ann Pflug), genannt Dish („klasse Frau“) als Allheilmittel ins Bett.
Um
der vordergründig ach so moralinsauren Oberschwester Margaret den Garaus zu
machen, beschließt das Ärzte-Trio, ihre nackte Schönheit der versammelten Meute
in voller Blüte zu präsentieren. Als „Hot Lips“, wie Margaret fortan genannt
wird, frühmorgens die Dusche betritt, ziehen die anderen die Zeltwände hinauf.
Langsam aber sicher passt sich Hot Lips den Gegebenheiten im Lazarett an, und
nachdem Burns, der vor Wut auf Hawkeye los gegangen ist, in der Zwangsjacke aus
dem Lager gebracht wird und Margaret nicht mehr zur Verfügung steht, wechselt
die Gute den Liebhaber. Duke hat es irgendwie geschafft, die Blondine zu
verführen, kurz nachdem Hawkeye und Trapper von einem Trip aus Japan
zurückgekehrt sind, wo sie dem Sohn eines amerikanischen Kongressabgeordneten
einen Splitter aus der Brust entfernen durften. Das Techtelmechtel bleibt
jedoch nicht geheim, und Hot Lips bekommt wieder ihren Moralischen: Erlaubt
ist, was der Öffentlichkeit verborgen bleibt.
Der
General wird über die „unsittlichen Zustände“ informiert, interessiert sich
aber nicht die Bohne dafür – sondern für Football. Und so endet alles, wie es
enden muss: bei einem Football-Spiel zwischen der Mannschaft des Generals und
der des Lazaretts – mit allem Drum und Dran.
Nicht
jedem wird der teilweise derbe Humor gefallen, den Altman hier verbreitet. Doch
„MASH“ ist im eigentlichen Sinn keine Komödie, sondern eher eine bittere
Tragödie. „MASH“ macht sich nicht lustig über den Krieg, ist keine Klamotte –
wie später dann die gleichnamige Fernsehserie. Das Lazarett wird von schwer
verwundeten Soldaten frequentiert. Nur wenige haben eine Chance zu überleben,
auch nicht nach einer Operation. Die Operationen erscheinen als Ausnahme von
der Regel. Die Regel scheint der Spaß zu sein, den die Soldaten und Ärzte am laufenden
Band organisieren. Hier das Blut, die Verzweifelten, die betäubt oder
ohnmächtig sind, die aber als Nebensache erscheinen, obwohl sie diejenigen
sind, die den Bau des Lazaretts notwendig machten. Der spezifische Humor ist
der bestimmten Situation angepasst. Es ist Krieg, der Tod allgegenwärtig. Die
Komik, mit der die Ärzte und Schwestern diese Situation zu bewältigen
versuchen, ist eine tragische. Man absorbiert sozusagen Bruchstücke aus dem
Alltag zu Hause, Situationen, Umstände aus dem „normalen“ Leben in der Heimat,
pflanzt sie in die Kriegssituation, oder versucht es jedenfalls, um eine
außergewöhnliche und todbringende, eine brutale und kalte Atmosphäre mit
irgendetwas wie Wärme und Normalität, mit Menschsein zu konterkarieren.
Daraus
entsteht die Groteske zwischen Tod und Komik. Man will am Leben bleiben, das
heißt das, was das Leben ausmacht, auf irgendeine Weise erhalten, perpetuieren
in einer ansonsten, für sich gesehen, skrupellosen, existentiell katastrophalen
Situation des Todes. Diese Versuche kulminieren in einem Football-Spiel, bei
dem die Normalität der Heimat vollständig Einzug in die Kriegssituation
gewonnen zu haben scheint. Tanzende Schwestern als Cheerleader, Soldaten als
Spieler, ihre Vorgesetzten als Trainer, Tricks, einzelne Spieler als taktische
Trumpfkarten – alles scheint sich im Lazarett von dessen eigentlicher
Bestimmung zu lösen, Heimat statt Front.
Der
Biss von „MASH“ entsteht nicht aus einem direkten Angriff auf die amerikanische
Vietnam-Politik oder einzelne Soldaten, die dieser Politik folgen, sondern eher
sozusagen durch den Nachweis der Absurdität des Krieges als zerstörerischem und
selbstzerstörerischem Prozess. Die Konfrontation von Grauen (die verwundeten
Soldaten, Blut, zerrissene Leiber auf dem OP-Tisch) und dem grotesken Verhalten
der Ärzte und Schwestern im Lazarett erzeugt eine teilweise unerträgliche
Spannung, zerreißt die gesamte Situation bis fast zum Bersten. Dieser Prozess
steigert sich bis zum Football-Spiel und endet dann jäh mit der Entlassung einzelner
Ärzte aus dem Dienst.
Dadurch
erreicht „MASH“ letztlich, die Unvereinbarkeit zweier Prinzipien zu
visualisieren: das des Krieges und das des Menschseins. Zwar sind nur Menschen
in der Lage, Kriege zu führen, aber sie handeln damit gegen ihre eigene Natur,
die mit der übrigen (Lebens-)Welt verbunden ist. Krieg ist seiner Tendenz nach
totale Destruktion, letztlich Zerstörung jeglichen Lebens. Menschsein heißt
seiner Tendenz nach, mit anderen einen Weg des kollektiven Lebens zu finden.
Krieg ist die extremste Form von Macht und Machtausübung. Menschsein bedeutet
tendenziell, Macht über sich selbst zu besitzen, und daher Verzicht auf
Machtausübung über andere. „MASH“ veranschaulicht dies dadurch, dass Komik und
Grauen den genannten diametral entgegengesetzten Prinzipien zugehören und daher
unvereinbar sind. Die Komik degeneriert unter den Bedingungen des Grauens zur
Absurdität, zum grotesken und verzerrten Spiegelbild der Brutalität. Das mag
auch partiell der Grund sein, warum einem das Lachen ab und an im Halse stecken
bleibt und mancher Kinogänger mit dieser Art Komik nichts anzufangen weiß. Der
Grausamkeit des Krieges entspricht die partielle Grausamkeit der Komik, wobei
man auch sagen muss, dass ein anderer Teil dieser Komik die innere
Verbundenheit der Ärzte und Schwestern zum Ausdruck bringt, das Menschsein
reklamiert.
„MASH“
funktioniert in dieser Hinsicht im übrigen durch einen inszenierten Trick: die
relative Narrenfreiheit der Ärzte, auf die das Militär angewiesen ist. So
erlauben sich Hawkeye und Trapper – beide hervorragend mit Sutherland und Gould
besetzt –, bei ihrem „Ausflug“ nach Japan den dortigen Befehlshaber zu
missachten, ihn sogar zu desavouieren, indem sie ihn mit einer Frau nackt ins
Bett legen, die Szene fotografieren und den Mann damit neutralisieren; er kann
ihnen nicht mehr gefährlich werden. Kein anderer Captain oder gar Private hätte
sich derartiges erlauben können.
„MASH“
ist für mich in erster Linie eine der schönsten und furchtbarsten Tragödien der
Filmgeschichte, nicht so sehr eine Komödie.
Wertung: 10 von 10 Punkten.
Ulrich
Behrens
Dieser
Text ist, unter dem Namen „Posdole“, zuerst erschienen bei: ciao.de
M*A*S*H*
(MASH)
USA
1970, 116 Minuten
Regie:
Robert Altman
Drehbuch:
Ring Lardner Jr., nach einem Roman von Richard Hooker
Musik: Mike Altman, Johnny Mandel, Ahmad
Jamal
Director of Photography: Harold E. Stine
Schnitt:
Danford B. Greene
Produktionsdesign:
Arthur Lonergan, Jack Martin Smith, Michael Friedman, Stuart A. Reiss, Walter
M. Scott
Darsteller:
Donald Sutherland (Captain Benjamin Franklin „Hawkeye“ Pierce), Elliott Gould
(Captain John Francis Xavier „Trapper“ John McIntyre), Tom Skerritt (Captain
August Bedford „Duke“ Forrest), Sally Kellerman (Major Margaret „Hot Lips“
O’Houlihan), Robert Duvall (Major Frank Burns), Roger Bowen (Lt. Colonel Henry
Braymore Blake), René Auberjonois (Father John Patrick Mulcahy / Dago Red),
David Arkin (Sgt. Vollmer / PA Announcer), Jo Ann Pflug (Lt. Maria „Dish“
Schneider), Gary Burghoff (Caplan Walter „Radar“ O’Reilly), Fred Williamson
(Captain Oliver Harmon „Spearchucker“ Jones), Michael Murphy (Captain Ezekiel
Bradbury „Me Lay“ Marston IV), John Schuck (Captain Walter Kosciusko „Painless
Pole“ Waldowski)
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