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Masken
"Der charmante Christian Legagneur ist mit seiner
Senioren-Fernsehshow "Glück für alle" ein Quoten-König.
Vor laufender Kamera kümmert sich der berühmte und scheinbar einfühlsame
Showmaster geradezu rührend um seine älteren Kandidaten. So ist es
nicht verwunderlich, dass der junge, ehrgeizige Journalist Roland Wolf dazu
angeregt wird, Legagneurs Autobiografie zu verfassen. In seinem Herrenhaus regiert
dieser, umgeben von einer stattlichen Anzahl von Dienstboten, in der Attitüde
eines Bonvivant wie ein König. Als Wolf beginnt, hinter die Fassade zu
schauen, entdeckt er Überraschendes - jede Person in Legagneurs Haushalt
scheint ein Doppelleben zu führen." (prisma-online.de)
Natürlich: Das ist alles sehr konstruiert -
wenig Lebenssaft an sich, viel Drehbuch und vor allem viel Wille des Autors.
Aber: Darf man das bei Chabrol überhaupt anders erwarten? Zumal, wenn der
Film so heißt, wie er eben heißt, schlicht Masken eben, nicht etwa Die
Masken oder Die
Masken der Bourgeoisie (oder des Bösen,
des Zorns
oder wie auch immer ein Film von Chabrol eben zumeist betitelt ist). Nein, Masken
heißt er, unspezifisch, Aufzählung, Anhäufung also, vielleicht
auch - der schnelle Rhythmus, der beinahe schon im Screwball-Takt die Finger
schnippsen lässt, legt dies beinahe schon nahe - : Revue.
Nun gut, Konstruktion. Aber von der gewieften, der
süßen Sorte. Esprit also, Verve, analytische Kühle dann wieder,
wenn sich das Geheimnis von hinter verschlossenen Großbürgertumstüren
zu lüften beginnt, jedes Detail sitzt und passt. Der Fernsehmoderator,
so penetrant gutmütig und aber auch Patriarch, dass er schon wieder unheimlich
ist, wenn er nicht gerade wie eine Karikatur erscheint. In manchen Szenen gar,
wenn er im Profil zu sehen ist, erkennt man anhand der genauen Ausleuchtung,
die die Konturen betont, wie Chabrol ihn zur bloßen Comicfigur degradiert:
Der Schwung der Altherrenwange, das hervorlugende Kinn, die Fältchen um
die Augen - man meint, dieses Gesicht umgehend zu Papier bringen zu können,
stilistisch jenem Hitchcock-Emblem - Wange, Nase, Stirn - nicht unähnlich.
Und die anderen Figuren! Die blasse Bürgertochter, die aufgedrehte Schreckschraube,
deren trotteliger Ehemann und dann, nicht zuletzt, der unheimlich fade, ja eigentlich
bloß besserwisserische Biograf, der selbst - eine mitgebrachte Waffe,
beiläufig recht früh schon im Bild zu sehen, lässt dies schon
bald erkennen - ein doppeltes Spiel treibt. Die Dialoge, was sich daraus schließen
lässt, auf was sie referieren - denn "eigentlich" sind sie, weiß
Gott, nie -, das ganze, das große Ballett, das Chabrol hier auftischt
- ohne aber zu heischen, dem Effekt zu verfallen, nein, alles ist ihm nur Puzzlestück
mit festem Platz, vor allem aber: dem Ganzen untergeordnet -, rundum alles an
diesem Film ist stimmig und mit jenem Esprit, der so gar nicht nach den gewissen
frankophilen Tendenzen im Ausland schielt, inszeniert, dass es eine wahre Lust
ist, diesem gewitzten Film zuzusehen.
Ein schöner, ein prächtiger Kaffee-und-Kuchen-Film.
Thomas Groh
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: www.filmforen.de
Masken
MASQUES
Frankreich
- 1986 - 100 min. - Erstaufführung: 23.7.1987/18.5.1988 Video/14.12.1988
ARD/6.1.1990 DFF 1 - Produktion: Marin Karmitz
Regie:
Claude Chabrol
Buch:
Claude Chabrol, Odile Barski
Kamera:
Jean Rabier
Musik:
Matthieu Chabrol
Schnitt:
Monique Fardoulis
Darsteller:
Philippe
Noiret (Christian Legagneur)
Robin
Renucci (Roland Wolf)
Bernadette
Lafont (Patricia Marquet)
Monique
Chaumette (Colette)
Anne
Brochet (Catherine)
Roger
Dumas (Manuel Marquet)
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